Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Im Surrealismus Alpträume verarbeitet
Vorbereitung auf die Kunstfahrt zur Dalí-Ausstellung nach Überlingen
RIEDLINGEN - Zur Vorbereitung auf die Kunstfahrt am 29. September hat Kunsthistorikerin Barbara Honecker ausführlich und informativ über Leben und Werk Salvador Dalís gesprochen. Am Donnerstagabend luden Kunstkreis '84 und Volkshochschule Donau-Bussen dazu ins Kaplaneihaus ein. Interessierte können sich für die Ausfahrt zu Leo Pütz mit der Künstlergemeinschaft „Scholle“in Schloss Achberg und Salvador Dalís „Dalí – Leben und Werk“in Überlingen noch anmelden.
Viele Kunstvorträge hat Barbara Honecker, Kunsthistorikerin aus Kirchheim/Teck, bereits in Riedlingen gehalten. Und großes Lob erntet sie jedes Mal für ihren Vortrag, umfassend und unterhaltsam, in ihrer lebhaften Art zum gespannten Zuhören anregend und mit viel Hintergrundwissen gespickt. So auch dieses Mal. Dazu ergänzt sie schmunzelnd, Salvador Dalí sei einmal ihr Prüfungsthema gewesen – und seine Heimat um Figueras und Cadaqués im Norden Spaniens an der Mittelmeerküste sei auch ihr zur „zweiten Heimat“geworden.
Ihre Hinweise machen deutlich, dass sie sich mit Landschaft, Klima und Menschen dort auskennt. Sie erzählt, schildert, berichtet zur Person Dalí und damit zum Verständnis seines umfangreichen und vielseitigen Werkes, unterstreicht mit eigenen Fotos aus vielen in diesem Gebiet verbrachten Urlauben und Interna ihre Erklärungen. Selbst mit geografischen, politischen und historischen Querverweisen würzt sie ihre Ausführungen. Und empfiehlt ihren Zuhörern, den Namen Dalí auf der zweiten Silbe zu betonen – um die Kennerschaft zu zeigen.
Was für ein „schräger Vogel“Salvador Dalí gewesen sei zeige auch die Ausstellung „Leben und Werk“in Überlingen, der ersten umfassenden Dalí-Ausstellung in der Umgebung seit 1989. 300 Werke würden hier gezeigt; allerdings gebe es – aus rechtlichen Gründen? – keinen Katalog und keine Abbildungen. So hat sie einen Querschnitt aus seinen Schaffensperioden zusammengestellt, häufig mit Verweisen und Verbindungen zu Künstlern seiner Zeit wie etwa Pablo Picasso, Man Ray, Max Ernst, Joan Miró. Mit der Beschreibung der Landschaft Kataloniens versucht Barbara Honecker ihren Zuhörern deutlich zu machen, wie diese Felsen und das Meer sich in Dalis Bildern wiederfinden: „Die Landschaft hat ihn geprägt.“Auch seine exzentrische Art sei wohl mit dem oft herrschenden Wind, der
Tramuntana, zu erklären. „Die mache verrückt, sagen die Menschen dort“, fügt sie hinzu.
Ein weiterer Punkt zum Verstehen seines Werkes sei seine Familie. Aufgewachsen in der erzkatholischen, erzkonservativen, gut bürgerlichen Schicht Kataloniens des 20. Jahrhunderts schildert sie seine „schwierige, aber behütete Kindheit“. Verhätschelt und verzärtelt von der Mutter – zart, nervös, überempfindlich – habe er in einer starken Diskrepanz zum machohaften Vater gelebt. Früh habe das Kind Malunterricht erhalten; ein schwieriges Verhältnis hatte der junge Mann später mit seinen Professoren an der Hochschule in Madrid.
Geprägt habe ihn dann zu dieser Zeit die Freundschaft zum Filmemacher Luis Buñuel und dem Dichter Federico Garcia Lorca; zu einem sehr selbstbewussten jungen Mann habe er sich entwickelt. Auch seine Verbindungen zu den Surrealisten in Paris und zur deutlich älteren Gala – Muse der surrealistischen Gruppe um 1922 und Dalís Ehefrau ab 1956 – seien wichtig in Dalis Werk. 1929 innerlich zerrissen und selbstmordgefährdet, verstoßen vom Vater und ohne Geld, habe Gala ihn „an die Hand“genommen und als „starke Muse“geleitet.
Glamouröses Paar
Seine zahlreichen Alpträume habe er mit der Art des surrealistischen Malens verarbeitet. Die in seinen Bildern bis 1937 häufig vorkommenden Ausbuchtungen und Krücken, Abstützungen, deutet Honecker als Zeichen seiner Instabilität. In den 30er Jahren habe dann der Erfolg – auch der finanzielle – eingesetzt. Die Amerikaner seien begeistert gewesen; Gala und Salvador wurden zu einem glamourösen Paar. „Da hat er längstens seine Ängste und Nöte überwunden“, sagt die Kunsthistorikerin.
Seine Grafiken, seine Installationen, seine Skulpturen, seine in PopArt und in klassischer Manier gemalten Bilder, seine Museen und Häuser sind ebenfalls wichtig in Dalís Werk – bis Dalí 1983 sein letztes Bild malt und wohl krank und dement 1989 stirbt. Sein Porträt als Foto mit dem markanten und bekannten, hauchfeinen, langen Oberlippenbart war Einstimmung und Ende der fast zweistündigen Ausführungen Honeckers. Eine ausführliche Beschreibung von Leben und Werk des auch sich selbst inszenierenden Künstlers Salvador Dalí und eine informative Einstimmung auf die Ausfahrt.