Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Abseits der Norm: Die „Anderen“im Dorf
Museumsdorf Kürnbach zeigt Ausstellung über Bewohner des Göffinger Armenhauses
GÖFFINGEN (sz) - Das Göffinger Armenund Hirtenhaus ist mehr als 200 Jahre im Gebiet der heutigen Schlossstraße gestanden. Seit den 1980er-Jahren befindet es sich allerdings im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach. Eine neue Ausstellung dort widmet sich den Bewohnern des Armenhauses zwischen 1820 und 1960. Für die Ausstellung haben Museumsmitarbeiter sehr intensiv im Göffinger Gemeindearchiv geforscht. Als Dankeschön für das Entgegenkommen der Ortschaftsverwaltung hat Museumsleiter und Kreisarchivar Dr. Jürgen Kniep die Bürger aus Göffingen zu einem Informationsnachmittag eingeladen.
Arm waren früher im Dorf viele – aber wer ins Armenhaus ziehen musste, war tatsächlich ganz unten angekommen. Das Armenhaus Göffingen befindet sich heute im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach. Die Ausstellung „Leben am Rand. Anderssein im Dorfalltag“stellt die erschütternden Schicksale der Menschen vor, die hier zwischen 1820 und 1960 gelebt haben.
Viele der Hausbewohner galten im Dorf nicht nur als arm, sondern auch als „anders“, weil sie von gängigen Norm- und Moralvorstellungen abwichen und dadurch an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Dazu gehörte beispielsweise im 19. Jahrhundert die Vagabundin Katharina Ott, die viel Zeit auf der Straße verbrachte und ihr eigenes Kind aussetzte.
Oft wären die Göffinger ihre „Anderen“gerne los gewesen – aber die Vagabundin Katharina Ott gehörte um 1840 ebenso zum Dorfalltag wie um 1900 die Betteleien und Beleidigungen der Familie Schirmer oder um 1940 die beiden „Schwachsinnigen“Karl und Josef sowie ihre Schwester Maria, die ins Visier der NS-Justiz gerieten.
Der Umgang mit den „Anderen“ im Dorf war voller Widersprüche, schwankte zwischen erzwungener Nähe und gewünschter Distanz. In Göffingen war jede Generation im Dorf mit außergewöhnlichen Fällen von Anderssein konfrontiert. Die Ausstellung im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach zeigt, dass die „Anderen“immer auch zum Dorfalltag gehörten – im Guten wie im Schlechten.
Zeitzeugen erinnern sich
Bei schönstem Wetter im Schatten der Bäume lauschten die Göffinger den interessanten und kurzweiligen Ausführungen des Kreisarchivars. Nicht zuletzt wurde der tiefgründige geschichtliche Rückblick über die einstigen Bewohner des Armen- und Hirtenhauses an diesem Nachmittag durch Erinnerungen und Erlebnisse einzelner Zeitzeugen bereichert, ja sogar in der einen oder anderen Kindheitserfahrung korrigiert. Dies war erlebte Geschichte.
Das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach ist noch bis Ende Oktober geöffnet. Öffnungszeiten und weitere Infos: