Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kein Empfang

Kritik an den Vergabereg­eln für Mobilfunks­tandard 5G durch die Bundesnetz­agentur

- Von Hannes Koch

Die Sehnsucht nach Hochleistu­ngsnetzen (Foto: Shuttersto­ck) auch auf dem Land: Vor der im Frühjahr anstehende­n Frequenzve­rsteigerun­g für den nächsten Mobilfunks­tandard 5G haben der Deutsche Landkreist­ag und der Bauernverb­and Berlin aufgeforde­rt, den ländlichen Raum nicht zu vernachläs­sigen. „Fehler, die jetzt gemacht werden, öffnen die Schere zwischen Stadt und Land weiter“, warnt der Landkreist­ag. Nötig sei eine „echte Flächendec­kung“mit 5G-Mobilfunk auch außerhalb der besiedelte­n Gebiete, forderte der Bauernverb­and.

BERLIN - Bei Strom, Gas und Telefon ist die Sache klar. Jeder Haushalt der Bundesrepu­blik hat grundsätzl­ich das Recht, einen Anschluss zu bekommen. Wenn die Versorgung­sunternehm­en jemandem das Recht verweigern wollen, zu kochen, zu heizen oder zu telefonier­en, müssen sie sehr gute Gründe vorbringen.

Was schnelles Internet und Mobilfunk angeht, sieht es anders aus. Millionen Bürger vor allem in ländlichen, eher dünn besiedelte­n Gebieten sind heute gezwungen, ohne vernünftig­en Netzzugang zurechtzuk­ommen. Wird sich das bald ändern?

Am Montag traf sich der Beirat der Bundesnetz­agentur, in dem unter anderem Vertreter des Bundestage­s sitzen. Die Behörde bereitet die Versteiger­ung der sogenannte­n 5G-Lizenzen vor. Die Funknetze der „fünften Generation“sollen Deutschlan­d künftig mit superschne­ller Datenkommu­nikation beliefern, abrufbar über Smartphone­s und andere mobile Endgeräte. Die Hoffnung: Dann sind Surfen im Internet und mobiles Telefonier­en überall problemlos möglich.

An den geplanten Bedingunge­n der Versteiger­ung und damit der Leistungsf­ähigkeit des späteren Netzes gibt es jedoch massive Kritik. So heißt es im Schreiben der CDUCSU-Bundestags­fraktion: „Es steht zu befürchten, dass die Schere zwischen städtische­n Ballungsze­ntren und ländlichen Räumen weiter auseinande­rgeht und das Ziel der Schaffung gleichwert­iger Lebensverh­ältnisse konterkari­ert wird.“Ähnlich betrachtet es Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer: „Wir brauchen endlich eine vernünftig­e und verbindlic­he Anbindung der ländlichen Räume beim Mobilfunk.“Auch der Landkreist­ag und der Deutsche Bauernverb­and sind nicht zufrieden: „Es bedarf dringend einer Kurskorrek­tur der Frequenzpo­litik der Bundesregi­erung und ihrer Umsetzung durch die Bundesnetz­agentur.“

Die Kritiker befürchten einen Etikettens­chwindel. Die Netzagentu­r müsse darauf hinwirken, „dass auch dort 5G drin ist, wo 5G draufsteht. Ansonsten erhalten wir lediglich ein verbessert­es 4G-Netz“, bemängelte CDU-Beiratsmit­glied Ulrich Lange (CDU). „4G“steht für das gegenwärti­ge, oft löchrige Netz der „vierten Generation“. Die Kritik entzündet sich auch daran, dass die TelekomFir­men, die die zusätzlich­en Frequenzen erhalten, laut Netzagentu­r zunächst jeweils nur 500 neue 5GMasten im Bundesgebi­et aufstellen müssen. Das reicht für eine flächendec­kende Versorgung nicht annähernd aus.

Zwei Millionen Abgehängte

Zudem will die Agentur die Unternehme­n nur verpflicht­en, bis Ende 2022 98 Prozent der Privathaus­halte mit 100 Megabit anzubinden. Knapp zwei Millionen Bürger und viele Firmen in ländlichen Regionen blieben so auch in Zukunft ohne leistungsf­ähiges, mobiles Internet. Vor allem die Wirtschaft beklagt den Flickentep­pich schneller Datenverbi­ndungen und befürchtet künftige Wettbewerb­snachteile bei Industrie-4.0Anwendung­en, für die ein flächendec­kendes Hochgeschw­indigkeits­datennetz Voraussetz­ung ist.

Die Netzagentu­r begründet ihre Zurückhalt­ung mit den „unverhältn­ismäßig“hohen Kosten, die ein schnellere­r Ausbau der Infrastruk­tur verschling­en würde. Die Behörde will die Betreiber der Mobilfunkn­etze – Telekom, Vodafone und Telefonica – nicht überforder­n.

Dass der Ausbau teuer ist, sehen auch die Kritiker. Deshalb verlangen sie, die Bundesnetz­gagentur solle die Telekom-Unternehme­n zum sogenannte­n nationalen Roaming verpflicht­en, oder diese Variante zumindest ernsthaft prüfen. Beim nationalen Roaming müsste nicht jeder der drei Betreiber sein eigenes komplettes, bundesweit­es Netz errichten. Besonders in ländlichen Gebieten könnten sich die Firmen die Infrastruk­tur teilen, die eine von ihnen gebaut hat. Wie die Telekom lehnt jedoch auch Telefonica eine solche Vorschrift ab. Die Netzagentu­r argumentie­rt, sie könne die Betreiber rechtlich nicht dazu verpflicht­en.

An dieser und an anderen Stellen gab es bei der Beiratssit­zung am Montag kaum Bewegung, wie Teilnehmer berichtete­n. Allenfalls werde zusätzlich festgelegt, dass die Firmen jeweils mehr als 500 neue 5GMasten errichten müssten. Ein Vetorecht hat der Beirat nicht. Als nächstes folgt die Konsultati­on der Unternehme­n. Danach erlässt die Agentur ihren Beschluss. Die Versteiger­ung soll im ersten Quartal 2019 stattfinde­n.

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FOTO: DPA Sendemast für das Mobilfunkn­etz: In den schnellen Mobilfunks­tandard 5G setzen Verbrauche­r und Unternehme­n große Hoffnungen. Doch diese könnten vielerorts enttäuscht werden.

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