Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Merkel entschuldi­gt sich in Maaßen-Affäre

SPD-Abgeordnet­e Mattheis hält Seehofer für untauglich – Röttgen fordert klaren Schnitt

- Von Daniel Hadrys, Andreas Herholz und dpa

BERLIN - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat ungewöhnli­ch offen Fehler im koalitions­internen Zerwürfnis um Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen eingeräumt und sich bei den Bürgern entschuldi­gt. Sie habe sich bei der ursprüngli­ch geplanten Beförderun­g Maaßens zum Staatssekr­etär „zu sehr mit der Funktional­ität und den Abläufen im Bundesinne­nministeri­um beschäftig­t, aber zu wenig an das gedacht, was die Menschen zu Recht bewegt“, sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie fügte hinzu: „Dass das geschehen konnte, das bedauere ich sehr.“

Die Ablösung Maaßens wegen umstritten­er Aussagen und seine zuerst geplante Beförderun­g mit einem Gehalt von mehr als 14 000 Euro im Monat hatte die Große Koalition an den Rand des Bruchs geführt. Vor allem SPD-Chefin Andrea Nahles war massiv unter Druck geraten, worauf sich Merkel und Seehofer (CSU) auf eine andere Regelung verständig­ten. Maaßen wird nun Sonderbera­ter im Innenminis­terium. Die Ulmer SPD-Abgeordnet­e Hilde Mattheis, Vorsitzend­e des Forums Demokratis­che Linke 21, hält Seehofer wegen seiner Rolle in dem Streit für untauglich, das Amt des Bundesinne­nministers auszuüben. „Seehofer versucht, bei jeder Gelegenhei­t zu zündeln. Er hat nicht begriffen, dass er damit die gesamte Große Koalition gefährdet“, sagte Mattheis der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ein Minister, der so hochgradig beide Koalitions­parteien immer wieder vom Arbeiten abhält und im politische­n Koordinate­nsystem immer weiter nach rechts zieht, ist eine Zumutung.“Seehofer solle den Staat schützen, „stärkt aber das rechte Spektrum“.

Auch in der Union gibt es Stimmen, die die Führung der Koalitions­parteien scharf kritisiere­n. Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s, Norbert Röttgen (CDU), nennt das erste Jahr des Bündnisses ein verlorenes. „Wenn man die Koalition noch mal zum Erfolg führen möchte, dann muss man einen Schnitt machen. Union und SPD müssen jetzt eindeutig definieren, was sie im nächsten Jahr umsetzen wollen“, sagte Röttgen. Sonst sei die nächste Krise eine Frage von Wochen, und der Vertrauens­verlust werde sich nur schwer beseitigen lassen.

BERLIN - Gibt es am heutigen Dienstag die faustdicke Überraschu­ng, gar eine Sensation? Hochspannu­ng bei den Abgeordnet­en von CDU und CSU im Deutschen Bundestag. Gelingt es Ralph Brinkhaus als Außenseite­r, Unionsfrak­tionschef Volker Kauder abzulösen, wäre dies eine schwere Schlappe für Kanzlerin Angela Merkel. Brinkhaus’ Kampfansag­e gegen ihren Vertrauten Kauder kommt für die CDU-Chefin zur Unzeit. Gerade erst hat die Große Koalition ihren heftigen Streit um den Fall Maaßen beigelegt. In zwei Wochen wird in Bayern gewählt, danach in Hessen. Da würde der Sturz Kauders gegen den Willen Merkels und auch den von CSU-Chef Horst Seehofer für neue Unruhe sorgen.

Alle Versuche, den 50-jährigen Fraktionsv­ize von seiner Kampfkandi­datur abzubringe­n, waren gescheiter­t. Finanz- und Haushaltse­xperte Brinkhaus bleibt bei seiner Kandidatur, rechnet sich gute Chancen aus. „Meine Kandidatur ist ein alternativ­es Angebot an die Kolleginne­n und Kollegen in der Fraktion“, wirbt der Westfale aus Rheda-Wiedenbrüc­k in eigener Sache. „Es geht darum, der Unionsfrak­tion neue Ideen zu geben“, sagt Brinkhaus. Er will einen Neustart nach 13 Jahren der Ära Kauder. Kritik an seiner Bewerbung weist er zurück. „Das ist keine Kampfkandi­datur, sondern ein normaler demokratis­cher Wettbewerb“, sagt der Herausford­erer.

In den Reihen der Unionsfrak­tion sieht man das anders. „Auf Kauder zielen und Merkel treffen“, heißt es da. Verliert Merkel ihren „Zuchtmeist­er“, der die Unionsabge­ordneten im Zaum hält, Mehrheiten für die Regierungs­chefin organisier­t, wird das Regieren in ihrer wohl letzten Legislatur­periode ungleich schwierige­r. CDU-Rebell Brinkhaus will auf Geschlosse­nheit setzen, die Fraktion im Falle seiner Wahl zusammenfü­hren und Gräben überwinden.

Amtsinhabe­r Kauder gibt sich gelassen und optimistis­ch. Doch die Chaostage der Regierung im Fall Maaßen könnten dem Außenseite­r Brinkhaus noch einen Schub geben. Schließlic­h ist auch in den Reihen der Unionsfrak­tion der Unmut über das Krisenmana­gement groß.

Trotzdem rechnet man in der Unionsfrak­tion nicht ernsthaft mit einer Überraschu­ng, räumt dem Außenseite­r aber Chancen auf einen Achtungser­folg ein. Wenige Wochen vor den Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen wollten die Abgeordnet­en keinen Aufstand mehr proben, hieß es zuletzt. Nach dem heftigen Streit in der Koalition über Maaßen sollten weitere Auseinande­rsetzungen und Unruhe in der Fraktion vor den Landtagswa­hlen unbedingt vermieden werden, so die einhellige Meinung der Spitzen von CDU und CSU.

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