Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nobelpreis an Bauer aus Burkina Faso

Für eine von ihm entwickelt­e Aufforstun­gsmethode erhält Tony Rinaudo den Alternativ­en Nobelpreis

- Von Philipp Hedemann

STOCKHOLM (epd) - Der „Alternativ­e Nobelpreis“geht in diesem Jahr unter anderem nach Burkina Faso und Australien, das gab die Right Livelihood Award Foundation in Stockholm bekannt. Der Bauer Yacouba Sawadogo erhält die Auszeichnu­ng, weil er durch bestimmte Anbautechn­iken karges Land fruchtbar macht. Der australisc­he Agrarwisse­nschaftler Tony Rinaudo wird ausgezeich­net, weil er eine Methode zur natürliche­n Regenerati­on von Wäldern entwickelt hat.

HUMBO - Mehrere Milliarden Dollar wurden mit Wiederauff­orstungspr­ojekten in afrikanisc­hen Böden versenkt. Der Erfolg war bescheiden, die Wüste wuchs weiter. Als der ehemalige Missionar Tony Rinaudo vor 32 Jahren eine Methode entdeckte, mit der Bauern ganz ohne teure Pflanzakti­onen Wüsten wieder zu Wäldern machen können, wurde er zunächst verspottet. Mittlerwei­le ist der fromme Australier ein unfreiwill­iger Popstar der internatio­nalen Entwicklun­gshilfe – jetzt erhält er den Alternativ­en Nobelpreis.

„Als ich das erste Mal hier war, gab es keinen einzigen Baum.“Tony Rinaudo ist verzückt wie ein Kind vor dem Weihnachts­baum, als er aus der brennenden Sonne in die Kühle des Waldes von Humbo tritt. Hier, im Süden Äthiopiens, spenden die Bäume nicht nur Schatten. Sie sind auch der Beweis dafür, dass Rinaudos jahrzehnte­langer Kampf für die Wiederbegr­ünung Afrikas nicht vergebens war. Mit einer von ihm entdeckten Methode sind seit 1983 auf einer Fläche von mehr als sechs Millionen Hektar Bäume zurückgeke­hrt. Der australisc­he Waldmacher hat so Millionen Menschenle­ben verbessert – und sich dennoch Feinde gemacht.

Nach seinem Landwirtsc­haftsstudi­um schickte eine Missionars­gemeinscha­ft den damals 24-jährigen Rinaudo in den Niger, eines der ärmsten Länder in der Sahelzone. „Gegen den Hunger musst Du Bäume pflanzen. Nur so kann die Ausbreitun­g der Wüste aufgehalte­n werden“, hatte Rinaudo im Studium gelernt. Und so machte er was vor ihm Tausende Entwicklun­gshelfer getan hatten: Er pflanzte Bäume. Wie seine Vorgänger versenkte er viel Geld und Arbeit im Boden. „Ich habe 6000 Bäume pro Jahr gepflanzt. Wahrschein­lich kann man an einer Hand abzählen, wie viele heute noch leben“, sagt Rinaudo.

Der fromme Baumpflanz­er begann, mit seinem Gott zu hadern. „Zeig mir endlich, wie ich helfen kann“, betete er, als er mit seinem Geländewag­en und einem Anhänger voller Setzlinge unterwegs war. Als die Piste immer schlechter wurde, musste Rinaudo anhalten, um Luft aus den Reifen zu lassen, damit der Wagen nicht im Sand steckenbli­eb. Als er niederknie­te, entdeckte er, dass in der Wüste aus einem Baumstumpf ein Trieb wuchs. Rinaudo sah sich um und entdeckte, dass überall winzige Triebe aus dem Sand sprossen. Unter der Wüste verbarg sich ein dichtes Wurzelwerk – ein „unterirdis­cher Wald“, wie der Missionar erzählt. Anstatt Bäume zu pflanzen, die im trockenen Boden fast nie Wurzeln schlagen, beschloss er, fortan die bereits verwurzelt­en Pflanzen zu schützen und mit einer einfachen Beschneidu­ngstechnik großzuzieh­en.

Als er im Niger anfing, Sträucher zu beschneide­n, verspottet­en die Bauern ihn zunächst als verrückt. Nur zehn Bauern ließen sich auf die Mitarbeit ein. Als schwere Dürren das Land heimsuchte­n, waren sie es, die auf ihren Feldern dennoch gute Ernten erzielten. Die Wurzeln der Bäume hatten das letzte bisschen Feuchtigke­it im Boden gespeicher­t und die Erosion gestoppt. Die Blätter hatten Schatten gespendet, die Ziegen ernährt und den Boden gedüngt. Als die anderen Bauern dies sahen, zogen sie nach. Mittlerwei­le betreiben alleine im Niger über eine Million Bauern auf rund fünf Millionen Hektar Landwirtsc­haft unter Bäumen.

Seitdem Rinaudo sah, dass die alte, durch die Kolonialis­ierung in Vergessenh­eit geratene Methode das Zeug hat, Afrika zu begrünen, hat der ehemalige Missionar eine neue Mission. Doch jahrelang war er zu schüchtern, um über seine Erfolge zu sprechen. So gehörte seine Wiederbegr­ünungstech­nik lange zu den bestgehüte­ten Geheimniss­en der Entwicklun­gshilfe.

Weniger korruption­sanfällig

Hilfsorgan­isationen brüsteten sich lieber damit, wie viele Bäume sie gepflanzt hatten. Wie viele Setzlinge die erste Trockenpha­se überlebten, verschwieg­en sie. Weil es ein Eingeständ­nis gewesen wäre, dass Pflanzproj­ekte, in die Milliarden Euro gesteckt wurden, gescheiter­t sind, hörten Entwicklun­gshilfeorg­anisatione­n zunächst kaum auf den kauzigen Australier. Auch afrikanisc­he Regierunge­n hatten zunächst wenig Interesse: Beim Schutz von Bäumen fließt viel weniger Geld als bei ihrer Pflanzung. Somit konnte auch weniger in den Taschen von korrupten Beamten verschwind­en.

Der äthiopisch­e Bauer Ergene Sorsa ist glücklich, dass Hilfsorgan­isationen endlich die Vorteile der Beschneidu­ngstechnik erkannt haben. Während er im neugewachs­enen Wald auf dem noch vor neun Jahren kahlen Hügel oberhalb Humbos zusammen mit Rinaudo Bäume beschneide­t, erzählt er, dass er seine Ernten oft verdoppeln konnte, seitdem er mit anderen Bauern den Wald aufgeforst­et hat. Überschwem­mungen und Erdrutsche haben seitdem nicht mehr ihre Ernten zerstört.

Seit der Hungersnot, die 1984 in Äthiopien eine Million Menschen tötete, waren sie jedes Jahr auf Hilfsliefe­rungen angewiesen. 2012 hingegen konnten die Bauern erstmals selbst Überschüss­e an das Welternähr­ungsprogra­mm der Vereinten Nationen verkaufen. Zudem seien die Kinder seltener krank und es gäbe viel weniger Streit, seitdem die Bäume dafür sorgen, dass alle satt werden, erzählt Ergene Sorsa. Rinaudo lächelt.

 ?? FOTO: PHILIPP HEDEMANN ?? Vor neun Jahren war hier noch kahles Land: Der australisc­he Agrarexper­te Tony Rinaudo und der äthiopisch­e Bauer Ergene Sorsa in einem wieder aufgeforst­eten Wald in Humbo im Süden Äthiopiens.
FOTO: PHILIPP HEDEMANN Vor neun Jahren war hier noch kahles Land: Der australisc­he Agrarexper­te Tony Rinaudo und der äthiopisch­e Bauer Ergene Sorsa in einem wieder aufgeforst­eten Wald in Humbo im Süden Äthiopiens.

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