Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nobelpreis an Bauer aus Burkina Faso
Für eine von ihm entwickelte Aufforstungsmethode erhält Tony Rinaudo den Alternativen Nobelpreis
STOCKHOLM (epd) - Der „Alternative Nobelpreis“geht in diesem Jahr unter anderem nach Burkina Faso und Australien, das gab die Right Livelihood Award Foundation in Stockholm bekannt. Der Bauer Yacouba Sawadogo erhält die Auszeichnung, weil er durch bestimmte Anbautechniken karges Land fruchtbar macht. Der australische Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo wird ausgezeichnet, weil er eine Methode zur natürlichen Regeneration von Wäldern entwickelt hat.
HUMBO - Mehrere Milliarden Dollar wurden mit Wiederaufforstungsprojekten in afrikanischen Böden versenkt. Der Erfolg war bescheiden, die Wüste wuchs weiter. Als der ehemalige Missionar Tony Rinaudo vor 32 Jahren eine Methode entdeckte, mit der Bauern ganz ohne teure Pflanzaktionen Wüsten wieder zu Wäldern machen können, wurde er zunächst verspottet. Mittlerweile ist der fromme Australier ein unfreiwilliger Popstar der internationalen Entwicklungshilfe – jetzt erhält er den Alternativen Nobelpreis.
„Als ich das erste Mal hier war, gab es keinen einzigen Baum.“Tony Rinaudo ist verzückt wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum, als er aus der brennenden Sonne in die Kühle des Waldes von Humbo tritt. Hier, im Süden Äthiopiens, spenden die Bäume nicht nur Schatten. Sie sind auch der Beweis dafür, dass Rinaudos jahrzehntelanger Kampf für die Wiederbegrünung Afrikas nicht vergebens war. Mit einer von ihm entdeckten Methode sind seit 1983 auf einer Fläche von mehr als sechs Millionen Hektar Bäume zurückgekehrt. Der australische Waldmacher hat so Millionen Menschenleben verbessert – und sich dennoch Feinde gemacht.
Nach seinem Landwirtschaftsstudium schickte eine Missionarsgemeinschaft den damals 24-jährigen Rinaudo in den Niger, eines der ärmsten Länder in der Sahelzone. „Gegen den Hunger musst Du Bäume pflanzen. Nur so kann die Ausbreitung der Wüste aufgehalten werden“, hatte Rinaudo im Studium gelernt. Und so machte er was vor ihm Tausende Entwicklungshelfer getan hatten: Er pflanzte Bäume. Wie seine Vorgänger versenkte er viel Geld und Arbeit im Boden. „Ich habe 6000 Bäume pro Jahr gepflanzt. Wahrscheinlich kann man an einer Hand abzählen, wie viele heute noch leben“, sagt Rinaudo.
Der fromme Baumpflanzer begann, mit seinem Gott zu hadern. „Zeig mir endlich, wie ich helfen kann“, betete er, als er mit seinem Geländewagen und einem Anhänger voller Setzlinge unterwegs war. Als die Piste immer schlechter wurde, musste Rinaudo anhalten, um Luft aus den Reifen zu lassen, damit der Wagen nicht im Sand steckenblieb. Als er niederkniete, entdeckte er, dass in der Wüste aus einem Baumstumpf ein Trieb wuchs. Rinaudo sah sich um und entdeckte, dass überall winzige Triebe aus dem Sand sprossen. Unter der Wüste verbarg sich ein dichtes Wurzelwerk – ein „unterirdischer Wald“, wie der Missionar erzählt. Anstatt Bäume zu pflanzen, die im trockenen Boden fast nie Wurzeln schlagen, beschloss er, fortan die bereits verwurzelten Pflanzen zu schützen und mit einer einfachen Beschneidungstechnik großzuziehen.
Als er im Niger anfing, Sträucher zu beschneiden, verspotteten die Bauern ihn zunächst als verrückt. Nur zehn Bauern ließen sich auf die Mitarbeit ein. Als schwere Dürren das Land heimsuchten, waren sie es, die auf ihren Feldern dennoch gute Ernten erzielten. Die Wurzeln der Bäume hatten das letzte bisschen Feuchtigkeit im Boden gespeichert und die Erosion gestoppt. Die Blätter hatten Schatten gespendet, die Ziegen ernährt und den Boden gedüngt. Als die anderen Bauern dies sahen, zogen sie nach. Mittlerweile betreiben alleine im Niger über eine Million Bauern auf rund fünf Millionen Hektar Landwirtschaft unter Bäumen.
Seitdem Rinaudo sah, dass die alte, durch die Kolonialisierung in Vergessenheit geratene Methode das Zeug hat, Afrika zu begrünen, hat der ehemalige Missionar eine neue Mission. Doch jahrelang war er zu schüchtern, um über seine Erfolge zu sprechen. So gehörte seine Wiederbegrünungstechnik lange zu den bestgehüteten Geheimnissen der Entwicklungshilfe.
Weniger korruptionsanfällig
Hilfsorganisationen brüsteten sich lieber damit, wie viele Bäume sie gepflanzt hatten. Wie viele Setzlinge die erste Trockenphase überlebten, verschwiegen sie. Weil es ein Eingeständnis gewesen wäre, dass Pflanzprojekte, in die Milliarden Euro gesteckt wurden, gescheitert sind, hörten Entwicklungshilfeorganisationen zunächst kaum auf den kauzigen Australier. Auch afrikanische Regierungen hatten zunächst wenig Interesse: Beim Schutz von Bäumen fließt viel weniger Geld als bei ihrer Pflanzung. Somit konnte auch weniger in den Taschen von korrupten Beamten verschwinden.
Der äthiopische Bauer Ergene Sorsa ist glücklich, dass Hilfsorganisationen endlich die Vorteile der Beschneidungstechnik erkannt haben. Während er im neugewachsenen Wald auf dem noch vor neun Jahren kahlen Hügel oberhalb Humbos zusammen mit Rinaudo Bäume beschneidet, erzählt er, dass er seine Ernten oft verdoppeln konnte, seitdem er mit anderen Bauern den Wald aufgeforstet hat. Überschwemmungen und Erdrutsche haben seitdem nicht mehr ihre Ernten zerstört.
Seit der Hungersnot, die 1984 in Äthiopien eine Million Menschen tötete, waren sie jedes Jahr auf Hilfslieferungen angewiesen. 2012 hingegen konnten die Bauern erstmals selbst Überschüsse an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen verkaufen. Zudem seien die Kinder seltener krank und es gäbe viel weniger Streit, seitdem die Bäume dafür sorgen, dass alle satt werden, erzählt Ergene Sorsa. Rinaudo lächelt.