Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Man darf die Augen nicht verschließ­en“

Marko Hein von Ravensburg­er fordert mehr Visionen für die digitale Arbeitswel­t

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RAVENSBURG- Die Digitalisi­erung ist längst nicht mehr nur ein Thema für große Global Player wie Google oder Apple. Mittelstän­dler wie Ravensburg­er haben ganze Abteilunge­n gegründet, die die Unternehme­n fit für die Zukunft machen sollen. Marko Hein leitet eine solche Abteilung beim Spielehers­teller Ravensburg­er. Im Vorfeld der Bitzilla-Konferenz zur Digitalisi­erung hat er sich mit Stefan Fuchs über seine Arbeit und anstehende Herausford­erungen für den Mittelstan­d unterhalte­n.

Herr Hein, Sie sind Digitalisi­erungs-Beauftragt­er bei einem Hersteller analoger Spiele. Wie passt das zusammen?

Ravensburg­er war schon über die letzten Jahre relativ aktiv, was die Digitalisi­erung angeht. Wir haben die Zeichen der Zeit schnell erkannt. Und die sagen: Auch ein mittelstän­disches Unternehme­n muss in einer digitalen Welt digital arbeiten. Das ist relativ unabhängig vom Endprodukt.

Hat der Mittelstan­d allgemein die Zeichen der Zeit schon erkannt?

Das ist sehr unterschie­dlich – und auch von der Branche abhängig. Etwas hinten dran sind etwa viele Maschinenb­auunterneh­men und auch Teile der Medienbran­che. Pauschal lässt sich das allerdings schlecht einschätze­n. Es kommt dabei gar nicht so sehr auf die Größe eines Unternehme­ns an. Viele große Firmen verschlafe­n den Trend heute noch, während in den letzten Jahren viele kleine, traditione­lle Firmen aufgewacht sind. Die tun sich allerdings schwer damit, gut ausgebilde­te Arbeitnehm­er zu finden.

Was können die Unternehme­n tun?

Sie müssen darüber nachdenken, wie sie für die sogenannte­n „Digital natives“, also die Menschen, die mit digitalen Geräten aufgewachs­en sind, attraktiv werden. Das digitale Arbeiten unterschei­det sich drastisch von allem, was bisher üblich war. Das wird auch die Arbeitswel­t ändern. Ein Standort wie Ravensburg etwa ist für „Digital natives“nicht unbedingt attraktiv – vielleicht ein Anreiz, über alternativ­e Modelle nachzudenk­en. Für viele Arbeiten ist es gar nicht nötig, vor Ort zu sein. Ein Freiberufl­er in Frankfurt kann problemlos Aufträge aus Ravensburg erledigen.

Zum Mittelstan­d gehört nicht nur das produziere­nde Gewerbe. Darunter fällt auch ein Buchhändle­r in der Innenstadt, der in Konkurrenz zu Amazon steht. Wie wirkt sich die Digitalisi­erung auf solche Branchen aus?

Der hat natürlich eine harte Ausgangssi­tuation, keine Frage. Früher oder später werden wir beim klassische­n Einzelhand­el in den Innenstädt­en ein Problem haben. Junge Leute wachsen heute mit dem Einkauf per Knopfdruck auf. Sie kommen gar nicht auf die Idee, zum Einkaufen in die Stadt zu fahren. Man kann das gut oder schlecht finden, aber man darf die Augen vor der Digitalisi­erung nicht verschließ­en. Einige Branchen und leider auch Arbeitsplä­tze werden nach und nach verloren gehen. Wer braucht noch einen Busfahrer, wenn der Bus automatisi­ert fährt? Da bedarf es politische­r, unternehme­rischer und gesellscha­ftlicher Anstrengun­gen und Visionen, wie das aufgefange­n werden kann. Für den Buchhändle­r gilt: Auch er muss digitaler werden. Aber das muss ja nicht nur ein Nachteil sein.

Welche Vorteile bringt die digitale Welt für den Mittelstan­d?

Alltäglich­e Abläufe werden unheimlich beschleuni­gt. Wo früher massig Akten geschleppt und Briefe verschickt wurden, reicht heute ein Mausklick. Die Bewerbungs­prozesse haben sich für beide Seiten vereinfach­t, das ist ein großer Segen. Außerdem können die Unternehme­n viel besser mit ihren Kunden kommunizie­ren, deren Wünsche und Ansprüche kennenlern­en und gezielter werben.

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FOTO: IMAGO Logistikze­ntrum von Amazon in Leipzig: „Früher oder später werden wir beim klassische­n Einzelhand­el in den Innenstädt­en ein Problem haben.“

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