Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wir sind noch zu retten

Bernie Conrads schreibt in „Ohne Filter“über seine Jugend, die Autobahn-Band und Jerusalem

- Von Bernd Guido Weber

Eigentlich, so Bernie Conrads in einem Gespräch am Telefon, sollten seine sehr privaten Zeilen gar nicht als Buch veröffentl­icht werden. Vor zwölf Jahren geschriebe­n, für sich selbst. Doch sein langjährig­er Freund Paul Badde drängte ihn immer wieder, dies einem größeren Kreis zugänglich zu machen, und nahm die Sache dann selbst in die Hand. Zum Glück – das schmale Büchlein im Rothhändle­Design (der Zigaretten­hersteller war darüber zunächst nicht erfreut) ist eine interessan­te Zeitreise. Ein Blick zurück, auf eine aufrecht katholisch­e Familie. Auf die „wilden Zeiten“der 1960er-, 1970er-Jahre. Auf den Erfolg von Bernies Autobahn Band. Und auf die Versöhnung mit dem Vater, angesichts eines Sonnenunte­rgangs in Jerusalem.

Bernie Conrads, Jahrgang 1950, ist vor allem als Sänger und Composer von Bernies Autobahn Band bekannt. Die fröhliche Folkgruppe, mit Musikern von Elster Silberflug aus Heidelberg und Bernies eigener Combo Good Company aus Frankfurt, war in den 70er- und 80er-Jahren Kult bei den Alternativ­en. Über 1000 LiveAuftri­tte, sieben LPs, die erste „Sind wir noch zu retten“. Zarte und bitterböse Liebeslied­er, Gesellscha­ftskritik, Instrument­als. Das alles locker, ohne jeglichen missionari­schen Eifer. Dass mit Bernie Conrads ein Mensch auf der Bühne stand, der in Kindheit und Jugend tief im Katholizis­mus verwurzelt war, Priester werden wollte, war nie Thema. Nach Ende der Band schrieb Conrads Songs für Peter Maffay und andere, mit beachtlich­em Erfolg. Was sich auch gut auf seinem Konto machte. Endlich konnte er sich die ersehnte alte original Gibson-Gitarre leisten.

Eine Biografie ist dieses Buch, benannt nach einer LP der Autobahn Band, nicht. Ein Roman ebenso wenig. Es sind eher „Short Cuts“aus seinem Leben, und Erinnerung­en an seinen Vater. Der war ein einfacher Mann, tiefgläubi­g, mit riesengroß­er Verwandtsc­haft. Darunter zwei Priester, die in der Nazidiktat­ur unter den SA-Schergen zu leiden, in „Schutzhaft“derbste Entwürdigu­ngen zu überstehen hatten. Der Bischof von Aachen, das wird deutlich, spielte dabei keine mutige Rolle, im Gegensatz zum Bischof von Münster. Die Conrads waren durch ihren Glauben immun gegen die völkische Hassbotsch­aft. Ein guter Katholik kann kein Nazi sein.

Taschenlam­pe für die Suchenden

Die 62 kurzen Kapitel bieten Einblick in eine materiell arme, doch stets aufgehoben­e Kindheit. Mit liebevolle­r Mutter und ebenso liebevolle­m Vater, Geschwiste­rn, und ganz vielen Verwandten. In einem kleinen Ort bei Aachen. Das Verhältnis zum Vater wird schwierig, als Bernie Conrads flügge wird, das Abitur ablegt, zum Studieren auszieht. Musik macht, weite Fahrten unternimmt, Frauen kennenlern­t. Vater ist nie aus seinem Nest herausgeko­mmen, kann vieles weder verstehen noch gutheißen. Das Vater-Sohn-Band droht zu zerbrechen. Bis der Vater die einzige Reise seines Lebens unternimmt, nach Jerusalem. Und Bernie Conrads selbst, bei einer von mehreren Reisen in die geschichts­trächtige Stadt der Religionen, seinem Vater auf einer besonderen Ebene wieder nahekommt. Happy End. Ja, wir sind noch zu retten.

Paul Badde, der Freund, hat dazu ein Vorwort geschriebe­n. Badde ist Journalist, hat witzigerwe­ise bei der eher antiklerik­alen Satirezeit­schrift „Pardon“begonnen, bevor er für Tageszeitu­ngen aus Jerusalem, dann aus dem Vatikan berichtete. Bernie Conrads lebt seit 30 Jahren mit Frau in einem Dorf bei Tauberbisc­hofsheim. Seine Songs charakteri­siert er als „Honig für Verliebte, Salbe für Enttäuscht­e und Taschenlam­pen für die Suchenden auf Kellertrep­pen“. So ist auch dieses kleine Buch.

Bernie Conrads: Ohne Filter, Vorwort Paul Badde, fe-Medienverl­ag Kißlegg, 160 Seiten, 8,95 Euro.

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FOTO: FE-MEDIENVERL­AG Bernie Conrads
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