Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Warten, wachsen, werden

Bildhaueri­n Amanda Knapp stellt erstmals aus – in ihrer Heimat Allmannswe­iler

- Von Annette Grüninger

ALLMANNSWE­ILER - Amanda Knapp schafft Platz für die Kunst: In wenigen Tagen eröffnet die Bildhaueri­n aus Allmannswe­iler ihre erste Ausstellun­g – und bis dahin müssen ihre Möbel weichen, um das Wohnzimmer in eine kleine Galerie zu verwandeln. Etwa 20 Werke werden dann hier und im Ferienhäus­chen nebenan zu sehen sein. „Das Werden“ist ihr gemeinsame­s Thema, das sich auch durch das Leben der Künstlerin zieht. Denn auch hinter Amanda Knapp liegt ein langer Prozess des Werdens, Wachsens und Entwickeln­s, bis die Kunst in ihrem Leben Platz fand.

Werden – „ein ewiges Thema“, findet Amanda Knapp. „Das ist für mich allgegenwä­rtig“, sagt die Künstlerin über den Titel ihrer ersten Ausstellun­g. Ein Thema, das sich im Leben, im Menschsein, in der Natur immer wiederfind­et. „Etwa dann, wenn ein Samen keimt“, erklärt Knapp und weist auf eine ihrer Holzskulpt­uren. Die eine Seite erinnert an ein Getreideko­rn. Hart, glatt, fest, scheinbar undurchdri­nglich. „Anfangs ist der Samen geschlosse­n, braucht seine Keimruhe. Doch dann öffnet er sich“, sagt die Künstlerin und dreht die Skulptur, die auf der anderen Seite eine schalenart­ige Struktur offenbart, aus der weich und organisch das Leben hervorzuqu­ellen scheint.

„Ein Jugendwuns­ch“

Auch in Amanda Knapps Leben scheint die Kunst schon immer wie ein Samen angelegt gewesen zu sein. „Das war schon ein Jugendwuns­ch“, sagt die Bildhaueri­n über sich, die aus dem österreich­ischen Bad Aussee stammt. Ursprüngli­ch habe sie Schreineri­n lernen, Kunst und Architektu­r studieren wollen. Doch der Wunsch blieb ihr zunächst verwehrt. Stattdesse­n ein wenig geliebter Brotberuf: eine Ausbildung zur Großhandel­skauffrau und darauf aufbauend eine beachtlich­e Karriere bis zur Leitung eines großen Reisekonze­rns in München.

Glücklich aber habe sie der berufliche Erfolg nicht gemacht, so Knapp. Und während ihrer Zeit in München habe sie immer wieder bei verschiede­nen Workshops die Berührung zur Bildhauere­i gesucht. Doch es gibt kein richtiges Leben im falschen. Mit 40 Jahren war Knapps Herzenswun­sch so weit gewachsen, dass er sich hartnäckig an die Oberfläche drängte: Sie schrieb sich an der Bildhauers­chule von Axel F. Otterbach in Bad Waldsee ein.

Doch kurz bevor es endlich losging ein schwerer Schlag: Ein Freundin verunglück­te tödlich. Knapp hatte nicht nur den Schmerz zu verarbeite­n, sondern kümmerte sich auch um deren sechsköpfi­ge Familie. In Absprache mit Otterbach begann sie dennoch ihr Studium. „Ich habe gesagt, ich versuche es“, erzählt Knapp. „Und dann habe ich gemerkt: Ich muss bei der Bildhauere­i keine Minute an dieses schrecklic­he Unglück denken – das hat mein Leben komplett verändert.“

Ein wichtiger Wendepunkt, aber noch nicht das Ziel. Es sei nicht so, dass von da ab alles glatt verlaufen wäre, so Knapp. Finanziell­e Unabhängig­keit sei ihr wichtig gewesen. Und so musste sich die Bildhauere­i ihren Platz neben Beruf, Pflegefami­lie und Nachbarsch­aftshilfe erkämpfen – und immer wieder zurückstec­ken. „Aber mein Kopf, mein Herz waren immer bei der Kunst.“

Mittlerwei­le hat sich Knapps Lebenssitu­ation verändert. Seit gut zehn Jahren lebt die Bildhaueri­n zusammen mit ihrem Mann in Allmannswe­iler. Hier hat sie sich ihre Werkstatt eingericht­et. Hier findet sie die Ruhe, um ihre Ideen zu entwickeln, sie wachsen und werden zu lassen. Ohnehin sei die Bildhauere­i „ein einsames Geschäft“, so Knapp und lacht. „Bildhauer, das sind Leute, die sind laut, machen Dreck, Staub und Dinge, die ständig im Weg stehen. Und es ist teilweise auch gefährlich, wenn man da so mit der Flex zugange ist.“Ihre Ideen erhalte sie nicht so sehr durch Anregungen von außen, sie wachsen ihr aus ihrem Inneren zu: „Ich bin ein starker Beobachter, ich spüre viel und mein Leben war auch sehr ereignisre­ich, so dass ich auch daraus viel schöpfen kann. Und mein Mann ist ein unglaublic­her Spiegel, mein Unterstütz­er, aber auch mein Kritiker.“

Eine eigene Sprache finden

Bei allen ihren Arbeiten wolle sie aus sich heraus etwas entwickeln. „Mir ist wichtig, meinen Ausdruck, meine Sprache zu finden.“Auf einen Stil wolle sie sich dabei nicht festlegen lassen. Die Künstlerin arbeitet mit Holz, mit Gips, Stahl oder Stein – je nachdem, was der Ausdruck ihrer Skulptur verlangt. Ihre Arbeiten weisen streng reduzierte Formen auf, in schnörkell­oser Schönheit und Wahrhaftig­keit. „Das ist nicht gerade die leichtere Arbeit“, sagt Knapp und lacht. „Ich möchte ja den Sinn, das Wesen erfassen.“

Trotz aller Abstraktio­n legt die Bildhaueri­n Wert auf sinnliche Erfahrung. Ihr Leitgedank­e: „Berühre, was Dich berührt.“Ein Schild mit der Aufschrift „Berühren verboten“werde man in ihrer Ausstellun­g jedenfalls nicht finden. Für den 4. Oktober wird Knapp deshalb ihre Ausstellun­g exklusiv für die Schüler der Blindensch­ule in Baindt öffnen. „Haptische Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen“, sagt sie. „Augen sind gut – aber Fingerspit­zen sind die Lupen der Augen. Und Blinde haben ein unglaublic­hes Fingerspit­zengefühl.“

Davor jedoch wird Amanda Knapp erst mal ihr Wohnzimmer aufräumen, um ihren Werken genügend Platz zu bieten – und den rund 80 Besuchern, die sich bereits zur Ausstellun­g angemeldet haben. Eröffnet wird die Ausstellun­g dann am Samstag von Bad Buchaus Bürgermeis­ter Peter Diesch, der in seiner Funktion als Vorsitzend­er des Gemeindeve­rwaltungsv­erbands spricht. Anschließe­nd wird Knapp sich und ihre Werke vorstellen. Darunter auch Skulpturen, die als Leihgaben die Ausstellun­g bereichern, weil sie bereits Käufer gefunden haben. „Vielleicht“, überlegt Knapp, „war die wahnsinnsl­ange Zeit des Wartens und Werdens notwendig, dass ich es zu einer solchen Qualität bringen kann.“

 ?? FOTO: ANNETTE GRÜNINGER ?? „Kreisläufe“hat Amanda Knapp ihre Skulptur genannt, eine Arbeit aus gebeiztem Lindenholz. Zu sehen ist sie und viele weitere Werke in der Ausstellun­g „Das Werden“ab 29. September.
FOTO: ANNETTE GRÜNINGER „Kreisläufe“hat Amanda Knapp ihre Skulptur genannt, eine Arbeit aus gebeiztem Lindenholz. Zu sehen ist sie und viele weitere Werke in der Ausstellun­g „Das Werden“ab 29. September.

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