Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Stürzt Vorwurf der Vergewaltigung ein?
Verteidiger fordern vom Landgericht die Haftentlassung ihrer Mandanten
BIBERACH/RAVENSBURG - Im Prozess gegen zwei Angeklagte aus Biberach und Laupheim, 23 und 33 Jahre alt, haben die drei Verteidiger am Dienstag vor dem Landgericht Ravensburg erfolglos die „unverzügliche Freilassung“ihrer Mandanten gefordert: Sie halten die Auftritte der beiden Hauptbelastungszeugen für unglaubhaft. Nach achtstündiger Sitzung sah sich die Kammer jedoch nicht mehr in der Lage zu einer entsprechenden Beratung und vertagte Letztere auf den 4. Oktober.
Wie berichtet, werden den beiden Angeklagten besonders schwere Vergewaltigung, Erpressung, versuchte schwere räuberische Erpressungen, gefährliche Körperverletzung und Nötigung – alles im Sommer 2017 in Biberach begangen – zur Last gelegt. Der 33-Jährige soll von einem Mann unberechtigt die Zahlung von 5000 Euro gefordert haben. Beide Angeklagten sollen gewaltsam die Zahlung durch Schläge und durch Vorzeigen von Waffen eingefordert haben. Dabei soll die Freundin des Geschädigten von beiden Angeklagten gewaltsam zu einem halbstündigen Oralverkehr mit dem 23-Jährigen gezwungen worden sein.
Eigentlich sollte am Dienstag der letzte Prozesstag mit den Urteilen sein. Doch die Kammer setzte vielmehr weitere Verhandlungstage bis zum 5. Dezember an. Sollte es dazu kommen, dass die Angeklagten im Oktober freikommen, könnte auch dieser Plan wieder platzen.
Sich widersprechende Aussagen
Rechtsanwältin Ulrike Mangold forderte für ihren 23-jährigen in Brasilien geborenen und mit dem deutschen Pass ausgestatteten Mandanten bereits am Vormittag die Aufhebung des Haftbefehls und dessen sofortige Freilassung. Für eine Täterschaft ihres Mandanten gebe es nur eine bedingte Wahrscheinlichkeit. Es gebe nach den sich widersprechenden Aussagen der beiden Belastungszeugen weder Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft an der vorgeworfenen Vergewaltigung noch an der räuberischen Erpressung.
Mangold nannte die Einlassungen des vermeintlichen Opfers und eines männlichen Zeugen eine „Räuberpistole“. Weder habe man in der Wohnung ihres Angeklagten eine Pistole der beschriebenen Art noch ein ominöses Video gefunden. Der Zeuge habe lediglich „etwas gehört“haben wollen, das vermeintliche Opfer „gab zu, falsche Angaben gemacht zu haben“. Niemals habe es „objektive Beweise“gegen ihren Mandanten gegeben.
Die Verteidigerin sprach von „Erfindungen“der beiden Hauptbelastungszeugen und „eklatanten Widersprüchen“zwischen ihren Angaben vor der Polizei und denen vor Gericht. Die bislang als Opfer geführte Zeugin habe mehrmals angegeben, dass es nie eine Drohung mit dem Tod gegeben habe. Ihr Mandant sei lediglich „herumgestanden“und habe nie Gewalt gegen die Zeugin angewendet. Die Idee zum Oralverkehr sei von der Zeugin (Opfer) vorgeschlagen worden, um so Geldforderungen als erledigt zu sehen. Sie habe sogar geäußert, „mach halt weiter“. Ihr Mandant habe keinerlei Aktivitäten entfaltet und keine sexuelle Gewalt erzwungen. „Er wollte es nicht“, betonte die Anwältin. Für einen Tatvorwurf bleibe kein Raum. Auch für eine Beihilfe gebe es keine Anhaltspunkte. Da kein dringender Tatverdacht und auch keine Fluchtgefahr bestehe und die Beweisaufnahme gezeigt habe, dass er keine Strafe zu erwarten habe, sollte die Kammer die Freiheitsbeschränkung aufheben.
Ermittlungen gegen Zeugen?
Verteidiger Ralph Walker, der zusammen mit Heiko Weber den 33jährigen Angeklagten vertritt, zerpflückte in einer Erklärung ebenfalls die sich widersprechenden Aussagen der Hauptbelastungszeugen und brachte ein Ermittlungsverfahren gegen diese ins Spiel. Kritik äußerte er an der Vertreterin der Anklage, die sich dazu noch nicht geäußert hat. Sein und Heiko Webers Mandant sitze seit einem halben Jahr in Untersuchungshaft, dabei seien bei ihm keine Waffen gefunden worden. Kollege Heiko Weber forderte die Staatsanwaltschaft auf, den Haftbefehl aufzuheben und ihren Mandanten auf freien Fuß zu setzen.
„Es geht um sehr viel in diesem Verfahren“, musste Vorsitzender Veit Böhm einem Zeugen erklären, der nach eigener Einschätzung „sehr müde“war und sich „an gar nichts mehr erinnern“konnte. Nicht einmal an ihm eigentlich Bekannte im Saal. Gab es eine weitere bisher nicht bekannte Person im Umfeld des Oralverkehrs? Ein Zeuge sagte, einen Mann mit Kapuzenpulli gesehen zu haben.
Vergebens forderten Verteidigerin Ulrike Mangold und die Verteidiger Heiko Weber und Ralph Walker, „noch heute“über die Haftbefehle zu entscheiden. In fünf Verhandlungstagen habe sich kein einziger Tatverdacht bestätigt. Die Kammer lasse sich von der Staatsanwaltschaft treiben, kritisierte er.