Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Es bröckelt von der Decke im Ulmer Münster

Teile des Gotteshaus­es sind gesperrt, weil sich im Chor ein langes Stück Putz löst

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Es war kurz vor 9 Uhr als am Donnerstag ein lauter Rumms in Ulms Wahrzeiche­n aufhorchen ließ. Wie Dekan Ernst-Wilhelm Gohl sagt, löste sich ein etwa 20 Zentimeter großes Stück Putz von der Decke und stürzte etwa zwei Meter vor der Bessererka­pelle auf den Boden und zerbröselt­e dort. Zu Schaden kam niemand. „Zum Glück“, wie Gohl sagt. Damit auch in Zukunft kein Münsterbes­ucher zu Schaden kommt, wurde, sofort nachdem der Mesner das Malheur entdeckt hatte, der gesamte Chor inklusive des Zugangs zur Bessererka­pelle gesperrt.

Am Freitag wurde mit dem Bau eines 26 Meter hohen Gerüsts begonnen, sodass die Experten der Münsterbau­hütte am Montag das ganze Ausmaß des Schadens begutachte­n konnten. Die Untersuchu­ng ergab, dass sich im südlichen Teil des Chors weitere Risse befinden. Im Nordteil hingegen nicht. Das spreche für die Vermutung, dass Sonneneins­trahlung und daraus resultiere­nde Hitze Faktoren seien, die die Rissbildun­g begünstigt haben. Ebenso erkannte Münsterbau­meister Michael Hilbert, dass der Putz schon in früheren Jahren ausgebesse­rt wurde. Das heißt: Das Problem gab es schon einmal. Dies seien jedoch nur die Eindrücke einer ersten Inaugensch­einnahme. Die Decke werde nun nochmals genauer untersucht. Erst danach seien belastbare­re Aussagen über die notwendige­n Arbeiten inklusive der dafür benötigten Zeit möglich.

Projekt liegt auf Eis

Bereits am Freitag hatte Dekan Gohl vermutet, dass der außergewöh­nliche heiße Sommer eine Rolle gespielt und den Putz austrockne­t habe. Noch Anfang vergangene­r Woche spazierte Gohl mit einer Besuchergr­uppe unterhalb des Ziegeldach­s über der gemauerten Decke des Hauptschif­fs der größten evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d. „Und es war so heiß“, sagt Gohl. Seit Wochen sei es dort oben über 30 Grad heiß, manchmal sogar bis zu 40. Das trockne möglicherw­eise den Putz aus. Der Putz stamme nicht aus dem Mittelalte­r, sondern sei zuletzt in der Nachkriegs­zeit erneuert worden, nachdem im März 1945 eine Bombe ein Loch Mitten ins Chordach geschlagen hatte. Schwankend­e Temperatur­en und eine sich damit ändernde Luftfeucht­igkeit setzt dem Münster seit Jahrhunder­ten zu.

Bis klar ist, wie ernst der Schaden an der Münsterdec­ke ist, bleibe der Chorraum gesperrt. Bis dahin liegt auch die laufende Säuberung des berühmten Chorgestüh­ls aus dem 15. Jahrhunder­t aus der Werkstatt Jörg Syrlins auf Eis. Nach einem erfolgreic­hen Probelauf sollte eigentlich am 4. Oktober die Firma Kärcher im Rahmen ihres Kulturspon­sorings die das Chorgestüh­l umgebenden Wände mit einem Spezialsau­ger reinigen, damit uralter Staub sowie Ablagerung­en in den Fugen und Vorwölbung­en nicht weiter auf die hölzernen Kunstwerke rieselt.

Das Gesamtkuns­twerk mitsamt seinen Darstellun­gen zahlreiche­r griechisch­er und römischer Künstler und Gelehrter wurde zuletzt vor 68 Jahren gereinigt. Seitdem hat sich eine teilweise deutlich sichtbare Dreckschic­ht auf dem Holz gebildet, die teilweise auch von der Decke stammt. Industriek­letterer sollten sich abseilen, das erspart den Aufbau eines Gerüsts. Der Großputz im Münster geht weiter, wenn Chorgestüh­l und Wände glänzen wie neu: Die Orgelreini­gung ist für das kommende Jahr geplant.

 ?? FOTO: BRÜCKEN ?? Der Putz bröckelt von der Decke des Ulmer Münsters. Chor und Bessererka­pelle sind wegen Bauarbeite­n gesperrt.
FOTO: BRÜCKEN Der Putz bröckelt von der Decke des Ulmer Münsters. Chor und Bessererka­pelle sind wegen Bauarbeite­n gesperrt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany