Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bundeskanzlerin Merkel schließt Vertrauensfrage aus
Union sortiert sich nach Kauders Abwahl neu – Einfluss der Südwest-CDU schwindet
BERLIN/STUTTGART - Die Große Koalition sortiert sich nach der überraschenden Abwahl von Unionsfraktionschef Volker Kauder neu. Am Abend kam der engste Führungszirkel der Fraktion zusammen. Offiziell ging es um die Organisation der Arbeit, doch im Hintergrund ging es vor allem um eine Frage: Wie geht es weiter mit Angela Merkel? Die Bundeskanzlerin selbst sieht jedoch trotz der Niederlage ihres Gefolgsmanns keine Notwendigkeit, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch.
Der neue Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU), der am Dienstag gegen ihre Empfehlung gewählt worden war, mühte sich die Wogen zu glätten und erklärte beim Sender n-tv in Sachen Vertrauensfrage, er halte diese Forderung für „völlig überzogen“. Brinkhaus weiter: „Die Fraktion steht hinter Angela Merkel. Das ist gar keine Frage.“Rückendeckung bekam Merkel auch vonseiten der SPD. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPDFraktion im Bundestag, Carsten Schneider, betonte, er sehe keine Notwendigkeit, dass Merkel die Vertrauensfrage stellen müsse.
Brinkhaus hatte sich am Dienstag in der Kampfabstimmung völlig überraschend gegen den seit 13 Jahren amtierenden Fraktionschef Volker Kauder durchgesetzt. Der Tuttlinger war Garant für das Organisieren von Mehrheiten für Projekte der Kanzlerin. Das Votum wurde auch als Ausdruck des Unmuts über Merkels Regierungsstil gewertet.
In Berlin und Stuttgart wird zudem die Frage nach dem schwindenden Einfluss der Südwest-CDU gestellt. Die Chefin der Südwest-SPD, Leni Breymaier, sieht in der Ablösung Kauders als Unionsfraktionschef negative Folgen für den Einfluss Baden-Württembergs in Berlin. „Dass mit der Abwahl von Volker Kauder auch die CDU in BadenWürttemberg weiter in Berlin an Einfluss verliert, finde ich fürs Land auch bedauerlich“, sagte Breymaier im SWR. Dem entgegnete CDU-Landesgruppenchef Andreas Jung im Interview der „Schwäbischen Zeitung“: „Wir haben jetzt eine wichtige Funktion verloren und werden uns nun neu sortieren und aufstellen. Aber klar ist: Wir werden uns auch künftig kraftvoll einbringen.“
Die 38-köpfige Landesgruppe sei eine starke CDU-Landesgruppe, das betonte auch der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl. Man solle der Güte des Herrn keine Grenze setzen, sagte Strobl, aber die CDU Baden-Württemberg sei auf der Bundesebene „auch heute ausgezeichnet vertreten“.
BERLIN (dpa) - „Viele Menschen im Osten sehen sich als Bürger zweiter Klasse, als abgehängt.“Das sagt Wirtschaftsstaatssekretär Christian Hirte, der Ostbeauftragte der Bundesregierung. Es ist ein zwiespältiger Befund zur Lage im Osten, den der CDU-Politiker am Mittwoch vorlegt. Es gebe wirtschaftliche Fortschritte, aber immer noch große Unterschiede zum Westen. Viele Ostdeutsche hätten das Gefühl, dass ihre Probleme nicht richtig wahrgenommen würden. Die Politik müsse mehr zuhören und den Dialog mit den Bürgern suchen. Die wirtschaftlichen Erfolge beim Aufholprozess im Osten aber würden derzeit überlagert von gesellschaftlichen Debatten, sagte Hirte. Ziel der Regierung aber sind gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Das Bundeskabinett setzte dazu am Mittwoch eine Kommission unter Vorsitz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein. Sie muss schon 2019 Vorschläge liefern.