Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Damit die Verbindung möglichst lange hält
Wenn jüngere Menschen eine Hüftprothese bekommen, ist vor allem die Standzeit des Implantats entscheidend
Eine künstliche Hüfte – das brauchen doch nur Senioren. So denken viele. Und irren. In Deutschland wird fast jede sechste Hüftprothese Menschen implantiert, die jünger sind als 60. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen vom Gelenkverschluss durch Spitzensport über Fettleibigkeit bis hin zu Unfällen, Rheuma oder schweren Erkrankungen. Braucht so ein junger Patient eine künstliche Hüfte, ist vor allem die Haltbarkeit der Prothese wichtig, sagt Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik in Braunschweig. „Ein Patient zwischen 40 und 60 hat noch viele Jahre zu leben und erlebt bei einer mittleren Standzeit einer Hüftprothese von 15 bis 20 Jahren mindestens einen Wechsel.“
Kein Kunstmaterial ist für die Ewigkeit gemacht
Gerade künstliche Hüften für Jüngere sollten möglichst lange den Anforderungen des Alltags standhalten. Doch nach wie vor existiert kein Material, das an die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit des natürlichen Gelenks heranreicht. Ein künstliches Hüftgelenk hält nicht ewig. Im Schnitt 15, vielleicht 20 Jahre. Und so kann es sein, dass jemand, der mit 50 eine Prothese erhält, mit 65 und dann mit 80 wieder unters Messer muss, um ein neues Implantat zu bekommen.
Bei jedem Wechsel wird weiterer Knochen geopfert
Das Problem dabei: Bei jedem Wechsel muss wieder Knochen geopfert werden, und von Mal zu Mal wird es schwieriger, die Prothese fest zu verankern. Deshalb versuchen die Ärzte gerade beim Einsetzen der ersten Prothese, möglichst viel vom Knochen zu erhalten.
„Wir tun alles für eine lange Standzeit der ersten Prothese“, sagt Heller. Er empfiehlt einen minimalinvasiven Eingriff: Die Muskulatur wird dabei nicht vom Knochen abgelöst, sondern komplett geschont. Dadurch sei das Operationstrauma geringer, und die Rehabilitation gehe schneller vonstatten. Lediglich die Narbe des maximal zwölf Zentimeter langen Hautschnitts bleibt. Diese Methode erfordere jedoch viel Erfahrung von Seiten des Operateurs. Patienten sollten sich vorher entsprechend erkundigen.
Eine weitere Maßnahme: Bei jungen Patienten greifen die Chirurgen nicht zu einer Prothese mit einem langen Schaft, sondern verwenden ein Modell mit einem deutlich kürzeren Schaft. Das helfe zum einen, wertvolle Knochensubstanz im Oberschenkelknochen zu sparen: „Für das im Vergleich zum Normalschaft zierliche Implantat müssen wir bei der Implantation weniger Knochen entfernen. Dadurch haben wir bei einem eventuellen späteren Wechseleingriff mehr Knochen zur Verankerung der Nachfolgeprothese zur Verfügung“, sagt Heller.
Prothesen verschleißen bei Jüngeren schneller
Außerdem belastet die Kurzschaftprothese den Knochen sehr nahe am Hüftgelenk. Belastet ist hier positiv gemeint: Ein Knochen, der belastet wird, baut Dichte auf – und in einem solchen stabilen Material lässt sich eine Nachfolgeprothese gut verankern.
Kurzschaftprothesen sind Heller zufolge vor allem in Deutschland beliebt. Sie würden jedoch erst seit rund zehn Jahren eingesetzt. Da Langzeitergebnisse bislang fehlen, vertrauen derzeit noch viele Operateure auf die seit Jahrzehnten bewährten, aber etwas längeren Standardprothesen.
Ein weiteres Problem: Da Jüngere im Schnitt aktiver sind als ältere Patienten, verschleißen die eingebauten Prothesen schneller. „Wir empfehlen deshalb bei jüngeren Patienten für Hüftkopf und Pfanne die Paarungen Keramik-Keramik sowie moderner, abriebreduzierter Kunststoff mit Keramik, da sie am wenigsten Verschleißpartikel erzeugen“, erläutert Heller.
„Es ist uns wichtig, dass unsere Patienten verstehen, wo die Grenzen eines künstlichen Gelenks sind“, betont auch Henning Windhagen, Direktor der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Gerade als jüngerer Patient ist man also gut beraten, beim Vorgespräch mit dem Arzt ausführlich zu bereden, nach welcher Methode und mit welchem Material gearbeitet wird. (sz)