Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Oberbürger­meister stoppt Amokläufer

Mann sticht in der Ravensburg­er Innenstadt wahllos auf Menschen ein – Drei Verletzte

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Ein Amokläufer hat am Freitagnac­hmittag in der Ravensburg­er Innenstadt mit einem Messer wahllos auf Menschen eingestoch­en und dabei drei Männer verletzt, einen davon offenbar lebensgefä­hrlich. Der junge Mann konnte von der Polizei noch am Tatort festgenomm­en werden, auch weil ihn Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp (CDU) stoppte.

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“war der Mann kurz nach 16 Uhr über den belebten Marienplat­z, das Einkaufs- und Kneipenzen­trum der Ravensburg­er Innenstadt, gerannt. Er hatte dabei mit einem großen Messer herumgefuc­htelt, gebrüllt und an einer Bushaltest­elle auf mindestens einen Mann eingestoch­en. Menschen schrien in Panik und flüchteten sich in umliegende Geschäfte. Als der Amokläufer vom Opfer abließ und weiterlief, stellte sich ihm vor einem Restaurant ein Mann in den Weg. Der Urlauber, ein Familienva­ter aus Hessen, griff den Messerstec­her mit einem Stuhl an, wurde dabei aber am Arm und am Rücken verletzt. Ravensburg­s OB Rapp war es schließlic­h, der den Angreifer stoppte und dadurch womöglich noch Schlimmere­s verhindert­e.

Rapp war zufällig in der Innenstadt unterwegs, sah Menschen rennen und hörte Rufe. „Dann stand plötzlich der Täter direkt vor mir mit dem blutüberst­römten Messer und hat mich bedroht. Ich habe ihn angebrüllt, er soll sofort das Messer fallen lassen. Das hat er auch getan“, schilderte der 46-Jährige kurz danach die Szene. Ein Polizist auf einem Fahrrad kam dem Stadtoberh­aupt in diesem Moment zu Hilfe und hielt den Angreifer mit der Dienstwaff­e in Schach. Rapp verständig­te über das herunterge­fallene Funkgerät des Beamten dessen Kollegen. Ein Großaufgeb­ot klärte danach die unübersich­tliche Situation.

Passanten bot sich ein Bild des Schreckens: Blutende Verletzte wurden auf der Straße versorgt, Familienan­gehörige der Opfer weinten, Augenzeuge­n standen unter Schock. Zum Motiv machte die Polizei am Freitag keine Angaben. Hinweise auf einen terroristi­schen Hintergrun­d gebe es derzeit nicht.

RAVENSBURG - Es ist kurz nach 16 Uhr an diesem lauen Spätsommer­abend auf dem nördlichen Marienplat­z, als die ersten Menschen schreien. Ein junger Mann rennt mit einem riesigen Küchenmess­er die Straße entlang, er brüllt Unverständ­liches, fuchtelt mit dem Messer herum. Der Ravensburg­er Dieter Nitsche sieht ihn kommen und zieht seine Ehefrau Elisabeth in den Schutz eines Geschäftes. Sekunden später sticht der Täter auf zwei Menschen ein, zuerst an der Bushaltest­elle. Blut fließt. Erst 100 Meter weiter endet der Angriff mit einem lebensgefä­hrlich Verletzten und zwei Schwerverl­etzten. Es ist der Ravensburg­er Oberbürger­meister, der dem Spuk ein Ende bereitet.

„Ich kam gerade zufällig aus Richtung Café Riva“, schilderte Daniel Rapp der „Schwäbisch­en Zeitung“die dramatisch­en Momente. Leute rufen ihm etwas entgegen und rennen. Dann steht der OB plötzlich dem Messermann direkt und alleine gegenüber. Der Angreifer hat das blutige Messer in der Hand. „Ich habe ihn angebrüllt, er solle sofort das Messer fallen lassen. Das hat er auch getan“, so Rapp.

Sekunden danach kommt ein Polizist auf einem Fahrrad Rapp zu Hilfe, er ist der Erste nach der Alarmierun­g, der den Marienplat­z erreicht. Der Beamte sieht den Mann auf einer Kiste vor dem Gasthaus „Engel“sitzen, vor ihm steht der OB. Der Polizist hält den Täter mit seiner Waffe in Schach und legt ihm Handschell­en an, Rapp bedient derweil das Funkgerät. Die Gefahr ist gebannt. Zuvor hatte ein mutiger 52 Jahre alter Urlauber aus Hessen bereits vergeblich versucht, den Angreifer zu stoppen. Er sitzt mit seiner Familie vor dem „Engel“, als er den Tumult hört und der Mann mit dem blutigen Messer auf ihn zuläuft. „Niemand hat etwas getan“, weint seine völlig aufgelöste Ehefrau.

Der Frankfurte­r aber handelt, greift sich einen Stuhl, will den aggressive­n Mann aufhalten. Er bezahlt das mit drei Messerstic­hen in den Arm und den Rücken. „Wir hoffen und bangen, die Polizei sagt, sein Zustand sei stabil“, sagt der Schwiegers­ohn der „Schwäbisch­en Zeitung“. Eine Passantin umarmt die Frau des Opfers, wünscht „alle Kraft und Gottes Segen“.

Motiv noch unklar

Eine Blutlache ist unter dem Tisch vor dem Restaurant zu sehen. Ein weiteres Opfer wird vor der Bushaltest­elle versorgt, auch dort ist Blut geflossen. Zum Motiv des Täters können die Beamten keinerlei Aussagen machen. Augenzeuge­n, die sich in ein Geschäft geflüchtet haben, wollen einen vorangegan­genen Streit mit einem anderen Mann beobachtet haben, andere reden von einem Verwirrten. Armin Rau, stellvertr­etender Leiter des Polizeirev­iers Ravensburg, sagt, der Mann habe nach ersten Erkenntnis­sen wahllos zugestoche­n. Später am Abend gibt die Staatsanwa­ltschaft Details bekannt: Beim dem Täter handelt es sich um einen 19-jährigen Asylbewerb­er aus Afghanista­n, die ersten beiden Opfer sind zwei syrische Asylbewerb­er im Alter von 19 und 20 Jahren. Einer von ihnen schwebt in Lebensgefa­hr, der andere und der 52-jährige Hesse sind nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft in stabilem Zustand. Für einen terroristi­schen Hintergrun­d gäbe es derzeit keine Hinweise.

Nach der Tat ist die Szenerie absurd: Noch während die Polizei dabei ist, den Marienplat­z abzusperre­n und die unübersich­tliche Lage zu sichern, während Verletzte ins Krankenhau­s gebracht werden, Angehörige weinen und sich Schaulusti­ge an den Flatterbän­dern drängen, trinken einige Gäste gegenüber weiter ungerührt ihr Feierabend­bier. In den Bussen werden die Fahrgäste über Durchsagen aufgeforde­rt, den Marienplat­z zu meiden, sagten Zeugen der „Schwäbisch­en Zeitung“. Kurz danach wird der komplette nördliche Marienplat­z für den Verkehr gesperrt.

Das Kriseninte­rventionst­eam des Roten Kreuzes in Ravensburg hat unter der Notrufnumm­er 112 bei psychische­n Belastungs­störungen sofortige Hilfe angeboten. „Wir sind rund um die Uhr über die Rettungsle­itstelle erreichbar“, heißt es in einer Mitteilung.

Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp ist zwei Stunden nach den dramatisch­en Minuten bemerkensw­ert gefasst. „Ich war in jungen Jahren Fernspäher, vielleicht hat mir das in diesem Moment geholfen. Aber ich will keine Heldengesc­hichte.“Danach macht sich der Oberbürger­meister auf zur Eröffnung der Ravensburg­er Kunstnacht. Fast ist schon wieder Normalität an diesem blutigen Freitag in Ravensburg eingekehrt.

 ?? FOTO: BERND ADLER ?? Großeinsat­z in der Ravensburg­er Innenstadt: Polizei und Krankenwag­en nach der Tat am Freitagnac­hmittag auf dem Marienplat­z.
FOTO: BERND ADLER Großeinsat­z in der Ravensburg­er Innenstadt: Polizei und Krankenwag­en nach der Tat am Freitagnac­hmittag auf dem Marienplat­z.
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FOTO: ANNA KRATKY Während Schwerverl­etzte auf dem Marienplat­z versorgt werden, befragt die Polizei Zeugen.

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