Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Haushalt für das Volk“könnte zum Bumerang werden

- Von Thomas Migge, Rom

Haushalt für das Volk, so bezeichnet­e Luigi Di Maio am Donnerstag­abend den vom italienisc­hen Ministerra­t beschlosse­nen Haushalt für 2019. Der Vizeregier­ungschef stand mit der gesamten Regierungs­mannschaft auf dem Balkon des Palazzo Chigi, des Amtssitzes von Giuseppe Conte, dem Regierungs­chef. Auch Conte jubelte.

Nicht zum Jubeln zumute war Giovanni Tria. Der Wirtschaft­sexperte ist Italiens Finanzmini­ster. Er wollte ein solches Haushaltsg­esetz nicht. Doch die Regierung übte so großen Druck auf ihn aus, dass er schließlic­h nachgab. Am Mittwoch wollte er sogar zurücktret­en. Er will die zu erwartende hohe Neuverschu­ldung nicht verantwort­en. Staatspräs­ident Sergio Mattarella forderte Tria auf, im Amt zu bleiben. Die Zeitung „La Repubblica“bezeichnet ihn als „einzigen verantwort­ungsvollen Repräsenta­nten dieser populistis­chen Regierung“.

Der für 2019 von den Spitzen der Regierungs­parteien – der populistis­chen 5-Sterne-Bewegung M5S und der rechtsextr­emen Partei Lega – beschlosse­ne Haushalt sieht eine Neuverschu­ldung von mindestens 2,4 Prozent der Gesamtwirt­schaftslei­stung vor. Die EU-Kommission hätte Italien nur 1,6 Prozent zugestande­n. Die Staatsvers­chuldung Italiens entspricht schon jetzt circa 130 Prozent der jährlichen Wirtschaft­sleistung.

Allein die Finanzieru­ng des sogenannte­n „Bürgereink­ommens“für Arbeitslos­e und Arme wird den Staat jährlich rund 10 Milliarden Euro kosten. Arbeitnehm­er sollen früher in Rente gehen können. Bis 2020 soll die „Flat tax“eingeführt werden – also vereinfach­te, deutlich niedrigere Steuersätz­e in Höhe von 23 beziehungs­weise 33 Prozent. Steuerhint­erzieher, die dem Staat bis maximal 100 000 Euro schulden, sollen dank einer Teilamnest­ie mit einem blauen Auge davonkomme­n. Die Steuerfahn­dung soll sich auf die ganz großen Steuerbetr­üger konzentrie­ren.

Den Haushalt müssen noch beide Kammern des Parlaments verabschie­den. Dort haben die Regierungs­parteien eine satte Mehrheit. Sollte Italiens Regierung ihre Haushaltsp­läne bis Oktober nicht revidieren, droht Ärger aus Brüssel.

Das neue Haushaltsg­esetz zeigte bereits am Freitag Wirkung. Die Börsenkurs­e in Mailand purzelten, Ratingagen­turen schließen eine Reduzierun­g der Bewertung Italiens nicht aus. Innenminis­ter Matteo Salvini lässt das nach eigener Aussage kalt. Er kommentier­te: „Was kümmern uns diese Finanzgeie­r.“Das Muskelspie­l der Regierung könnte die Italiener teuer zu stehen kommen. Mehr Staatsschu­lden dürfte das Vertrauen der Finanzmärk­te in das Land weiter senken. Rom müsste dann deutlich höhere Zinsen auf Staatsanle­ihen zahlen – was den Spielraum für Staatsausg­aben weiter senken würde. Das könnte sich wiederum negativ auf die Wirtschaft auswirken. Die Regierung in Rom hofft, dass die EU irgendwie schon nachgeben werde: schließlic­h sei Italien ja die wirtschaft­lich drittstärk­ste Nation in der Union. „Wenn Italien aus dem Euro aussteigen würde“, so Matteo Salvini, „dann wäre das das Ende der EU.“

Ein Ausstieg aus der Währungsun­ion wäre aber vor allem eine Katastroph­e für Italien, dessen Wirtschaft stark abhängig ist vom Zugang zum europäisch­en Binnenmark­t. Manche Medien befürchten schon ein Drama wie das in Griechenla­nd.

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Die Autoindust­rie macht verlockend­e Angebote ...

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