Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Haushalt für das Volk“könnte zum Bumerang werden
Haushalt für das Volk, so bezeichnete Luigi Di Maio am Donnerstagabend den vom italienischen Ministerrat beschlossenen Haushalt für 2019. Der Vizeregierungschef stand mit der gesamten Regierungsmannschaft auf dem Balkon des Palazzo Chigi, des Amtssitzes von Giuseppe Conte, dem Regierungschef. Auch Conte jubelte.
Nicht zum Jubeln zumute war Giovanni Tria. Der Wirtschaftsexperte ist Italiens Finanzminister. Er wollte ein solches Haushaltsgesetz nicht. Doch die Regierung übte so großen Druck auf ihn aus, dass er schließlich nachgab. Am Mittwoch wollte er sogar zurücktreten. Er will die zu erwartende hohe Neuverschuldung nicht verantworten. Staatspräsident Sergio Mattarella forderte Tria auf, im Amt zu bleiben. Die Zeitung „La Repubblica“bezeichnet ihn als „einzigen verantwortungsvollen Repräsentanten dieser populistischen Regierung“.
Der für 2019 von den Spitzen der Regierungsparteien – der populistischen 5-Sterne-Bewegung M5S und der rechtsextremen Partei Lega – beschlossene Haushalt sieht eine Neuverschuldung von mindestens 2,4 Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung vor. Die EU-Kommission hätte Italien nur 1,6 Prozent zugestanden. Die Staatsverschuldung Italiens entspricht schon jetzt circa 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.
Allein die Finanzierung des sogenannten „Bürgereinkommens“für Arbeitslose und Arme wird den Staat jährlich rund 10 Milliarden Euro kosten. Arbeitnehmer sollen früher in Rente gehen können. Bis 2020 soll die „Flat tax“eingeführt werden – also vereinfachte, deutlich niedrigere Steuersätze in Höhe von 23 beziehungsweise 33 Prozent. Steuerhinterzieher, die dem Staat bis maximal 100 000 Euro schulden, sollen dank einer Teilamnestie mit einem blauen Auge davonkommen. Die Steuerfahndung soll sich auf die ganz großen Steuerbetrüger konzentrieren.
Den Haushalt müssen noch beide Kammern des Parlaments verabschieden. Dort haben die Regierungsparteien eine satte Mehrheit. Sollte Italiens Regierung ihre Haushaltspläne bis Oktober nicht revidieren, droht Ärger aus Brüssel.
Das neue Haushaltsgesetz zeigte bereits am Freitag Wirkung. Die Börsenkurse in Mailand purzelten, Ratingagenturen schließen eine Reduzierung der Bewertung Italiens nicht aus. Innenminister Matteo Salvini lässt das nach eigener Aussage kalt. Er kommentierte: „Was kümmern uns diese Finanzgeier.“Das Muskelspiel der Regierung könnte die Italiener teuer zu stehen kommen. Mehr Staatsschulden dürfte das Vertrauen der Finanzmärkte in das Land weiter senken. Rom müsste dann deutlich höhere Zinsen auf Staatsanleihen zahlen – was den Spielraum für Staatsausgaben weiter senken würde. Das könnte sich wiederum negativ auf die Wirtschaft auswirken. Die Regierung in Rom hofft, dass die EU irgendwie schon nachgeben werde: schließlich sei Italien ja die wirtschaftlich drittstärkste Nation in der Union. „Wenn Italien aus dem Euro aussteigen würde“, so Matteo Salvini, „dann wäre das das Ende der EU.“
Ein Ausstieg aus der Währungsunion wäre aber vor allem eine Katastrophe für Italien, dessen Wirtschaft stark abhängig ist vom Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Manche Medien befürchten schon ein Drama wie das in Griechenland.