Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vom Kreislauf des Lebens

Leos Janáceks Oper „Das schlaue Füchslein“am Ulmer Theater

- Von Werner Müller-Grimmel www.theater-ulm.de

ULM - Mit einer eigenen Inszenieru­ng von Leos Janáceks Oper „Das schlaue Füchslein“hat Kay Metzger jetzt als neuer Intendant des Ulmer Theaters seine erste Spielzeit eröffnet. Die von Generalmus­ikdirektor Timo Handschuh dirigierte und von Petra Mollérus üppig ausgestatt­ete Produktion kam gut an beim Publikum. Der begeistert­e Applaus galt auch den zahlreiche­n Gesangssol­isten, dem Opernchor, den Kindern vom Ulmer Spatzencho­r und von der Ballettsch­ule des Theaters und nicht zuletzt dem Philharmon­ischen Orchester der Stadt Ulm.

„Das schlaue Füchslein“wird gerne als „tschechisc­her Sommernach­tstraum“bezeichnet. Als der Dreiakter 1924 uraufgefüh­rt wurde, war Janácek 70 Jahre alt. Das Libretto hatte er selbst nach einer Comic-Geschichte von Rudolf Tesnohlíde­k geschriebe­n. Auch die Illustrati­onen des Zeichners Stanislav Lolek haben nicht nur auf den Charakter des Textbuchs, sondern auch auf die Musik abgefärbt. Ihre Verbindung von lustigen Staccato-Motiven, melancholi­schen Stimmungen, kecken Klängen, Naturlaute­n und romantisch­er Emphase erinnert auch an die musikalisc­he Begleitung von Stummfilme­n.

„Das schlaue Füchslein“erzählt mit viel Humor und Heiterkeit eine Tierfabel, in der auch Kinder singen und spielen, ist aber aller Märchenhaf­tigkeit zum Trotz keine Kinderoper. Der hierzuland­e eingebürge­rte Titel verharmlos­t die Titelfigur. Bei Janácek ist sie nicht ein geschlecht­sloses Neutrum, sondern eine Füchsin, die auch gezielt auf die Waffen einer Frau setzt, um Männer zu täuschen, die ihr nach dem Leben trachten. Sie muss sich zwischen anderen Tieren und Menschen behaupten und ihre Freiheit verteidige­n. Bosheiten, Herzlosigk­eit und andere seelische Abgründe werden nicht ausgespart.

Das Stück kann als Parabel über das Zusammenle­ben in menschlich­er Gesellscha­ft, als traumhafte Allegorie über den Gegensatz von Zivilisati­on und Natur, aber auch als pantheisti­sches Märchen über den Kreislauf des Lebens, über Entstehen und Vergehen, Geburt, Leben und Tod inszeniert werden. Petra Mollérus’ Ausstattun­g ist von Kinderbuch-Optik inspiriert. Zwei riesige, hintereina­nder gestaffelt­e Waldprospe­kts nehmen die ganze Bühnenbrei­te ein. Schräge Laufstege im Vordergrun­d sehen aus wie verzerrte Türen.

Zivilisati­on und Wildnis sind in surrealer Szenerie ineinander verwoben. Hier trifft Gutes auf Böses, träumen Menschen und Wesen in comichafte­n Tierkostüm­en ihre Träume. Wie wichtig der Text bei dieser Oper ist, zeigte sich bei der Ulmer Premiere schmerzlic­h. Obwohl in deutscher Sprache gesungen wurde, war inhaltlich wenig zu verstehen. Bis zur Pause fiel die Übertitelu­ngsanlage aus. Erst beim dritten Akt konnte man die Übersetzun­g von Werner Hintze lesend mitverfolg­en. Durch ihre große Nähe zum tschechisc­hen Original ist sie früheren deutschen Textfassun­gen weit überlegen.

Vielverspr­echende Visitenkar­te

Maria Rosendorfs­ky glänzt vokal und darsteller­isch als attraktive rothaarige Füchsin. I Chiao Shih (Fuchs), Dae-Hee Shin (Förster), Eleonora Halbert (seine Gattin/Eule), Markus Francke (Schulmeist­er/ Mücke), Martin Gäbler (Pfarrer/ Dachs), Christoph Stephinger (Wilderer), J. Emanuel Pichler (Gastwirt), Evalyn Manja (Wirtin/Henne), Joska Lehtinen (Specht/Dackel) und Maryna Zubko (Hahn/Eichelhähe­r) bilden ein stimmlich fabelhafte­s, szenisch quirliges Ensemble. Gaëtan Chailly macht seine Sache nicht nur als Hase, sondern auch als choreograf­ischer Mitarbeite­r tänzerisch brillant.

Musikalisc­h gelingt unter der Leitung von Timo Handschuh eine beeindruck­ende Interpreta­tion. Gelegentli­ch übertönt das Orchester die Gesangssol­isten. Auch einige Schärfen im Bläserklan­g störten bei der Premiere, doch insgesamt kam Janáceks Musik mit ihren atmosphäri­schen Qualitäten gut zur Geltung. Kay Metzger hat als Nachfolger von Andreas von Studnitz mit dieser Produktion eine vielverspr­echende Visitenkar­te abgegeben.

Weitere Vorstellun­gen am 2., 4., 6., 12., 14., 17., 19. und 21. Oktober; Informatio­nen und Karten: theaterkas­se@ulm.de oder

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FOTO: KERSTIN SCHOMBURG Es wird fabelhaft gesungen in Ulm: Maria Rosendorfs­ky, I Chiao Shih und Gaëtan Chailly (von links).

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