Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eine Schlägerei aus dem Nichts
Prozess vor dem Amtsgericht wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung
RIEDLINGEN/HEUDORF - Es war eine Schlägerei aus dem Nichts, nachts um 4.10 Uhr in der Ortsdurchfahrt in Heudorf. Zurück blieben zwei junge Männer mit schweren Gesichtsverletzungen. Sie beschuldigen die Insassen eines Autos, sie grundlos und aggressiv geschlagen zu haben. Die weisen das zurück, erzählen eine andere Version des Geschehens – verstricken sich allerdings in Widersprüche. Vor dem Amtsgericht Riedlingen wird nun wegen schwerer gemeinschaftlicher Körperverletzung verhandelt. Angeklagt ist zunächst der 20-jährige Fahrer des Autos. Der Prozess wird am 31. Oktober fortgesetzt.
Es war der 28. Januar diesen Jahres. Der 28-jährige Hauptleidtragende des Zusammentreffens und zugleich Nebenkläger vor Gericht schilderte das Zusammentreffen. Danach waren er, seine Frau, sein Schwager auf der Straße, um einen Freund zu suchen, der in betrunkenem Zustand in den nächsten Ort gehen wollte. Als ein Auto aus Richtung Dürmentingen heranfährt, bremst der Schwager das Auto ab. Er fragt die Insassen, ob sie den Gesuchten gesehen hätten. Die verneinen. Das Auto fährt zunächst weiter.
In der Zwischenzeit hatte der 28Jährige seinen Freund eingeholt. Am Ortseingang wendete der blaue BMW fuhr wieder zurück. „Wir haben immer wieder gerufen, dass es keine Probleme mehr gibt und dass sie weiterfahren sollen“, erzählt die 26-jährige Frau vor Gericht. Das machte der BMW auch zunächst. Er drehte wieder um, hielt dann aber vor der Verkehrsinsel, wo der 28-Jährige steht.
„Es ist nichts, ihr könnt weiterfahren“, habe er gesagt. Vielleicht auch, „verpisst euch“, sagt er vor Gericht aus. Plötzlich seien der Mann hinter dem Fahrer und auch der Fahrer ausgestiegen und hätten „direkt losgelegt“, so der 28-Jährige. Von mindestens zwei Leuten hab er Faustschläge ins Gesicht bekommen. Er ging zu Boden, raffte sich wieder auf. Er habe versuchte sich zu wehren. Sein Schwager war inzwischen herbeigeeilt, um zu helfen. Aber auch er wird mit Schlägen ins Gesicht empfangen. Die Frau, die daneben steht, ist wehrlos. Der Spuk hatte erst ein Ende, als ein Nachbar rief: „Muss ich die Polizei rufen.“Die Insassen sprangen ins Auto, das fuhr davon.
Der 29-jährige Schwager und die 26-Jährige Frau bestätigen diese Vorkommnisse. „Es gab keine Pöbelei, nichts“, sagte sie. Plötzlich seien alle vier Türen aufgegangen und sie hätten „grundlos draufgeschlagen“, sagt die Frau, und „ich habe einfach nur Angst.“Der Fahrer sei auf alle Fälle ausgestiegen, bestätigt sie.
Die Schlägerei blieb nicht ohne Folgen. Der 28-Jährige hatte unter anderem Hämatome und Prellungen im Gesicht. Der 29-Jährige hatte eine blutende Lippen und einen gesplitterten Zahn. Doch wer konkret zugeschlagen hat – daran können sich alle drei, acht Monate nach dem Vorfall nicht mehr erinnern. Bei der Polizei hatten sie noch den 20-jährigen Angeklagten als einen der Schläger benannt.
Doch der 20-Jährige hat eine andere Version des Geschehens parat. Danach sei das Auto, nachdem sie zunächst angehalten wurden, in Richtung Riedlingen weitergefahren. Plötzlich hätten sie einen Schlag gehört und vermutet, dass etwas aufs Auto geworfen wurde. Deshalb hätten sie gewendet. Beim Halt an der Verkehrsinsel sei der 28-jährige Nebenkläger plötzlich „ausgerastet“, und habe seinen Hintersitzer am Kragen gepackt. Der sei ausgestiegen und dann sei dem die Kapuze über die Augen gezogen worden und zwei Jungs hätten ihn geschlagen. Er selbst sei zunächst im Auto sitzen geblieben, sei als Letzter ausgestiegen. Ob er auch zugeschlagen habe?, wollte Richter Ralph Ettwein wissen. „Nein“, sagte der Angeklagte. Er habe versucht zu schlichten.
Drei Zeugen, die von Verteidiger Thomas Gonschorek kurzfristig benannt wurden, gaben sich als Mitfahrer zu erkennen. Sie stützen diese Version. Der 19-Jährige Beifahrer bestätigte, dass er ausgestiegen sei. Aber er habe niemanden geschlagen, sondern nur einen Kontrahenten weggeschubst. Der Mitfahrer hinten rechts wollte nur an die Motorhaube gelehnt haben, weil er total betrunken gewesen sei – obwohl der Angeklagte behauptet hatte, dass keiner im Auto etwas getrunken habe. Der 18-Jährige, der hinter dem Fahrer gesessen haben wollte, schilderte den Vorfall ähnlich. Er behauptet, dass er nicht auf seiner Seite, sondern auf der anderen Seite ausgestiegen sei – was den Aussagen seiner Mitfahrer widersprach. Ob er bei dieser Aussage bleibe, hakte Staatsanwalt Sascha Musch nach. Der Zeuge bejahte. Da reicht es dem Staatsanwalt. „Ich sage es offen, ich glaube Ihnen kein Wort“, so Musch und kündigte ein Strafverfahren wegen Falschaussage an.
Die Version der Autoinsassen lief auch den Aussagen einer weiteren Zeugin zuwider. Die Frau war noch wach und wurde auf das Geschehen nur 50 Meter vor ihrem Fenster aufmerksam. Plötzlich seien mindestens vier Männer ausgestiegen und dann ging es los, beschreibt sie. Ihr Mann, rannte dann zum Geschehen und sein Ruf beendete die Schlägerei.
Der Prozess wurde vertagt. Am 31. Oktober wird der Polizeibeamte gehört, der die Protokolle aufgenommen hat. Dann soll auch ein weiteres Rätsel gelöst werden. Denn der Nebenkläger und seine Frau hatten eine Beschreibung des Haupttäters abgegeben, der hinter dem Fahrer gesessen habe. Und derjenige, der vor Gericht als Zeuge saß, „ist definitiv nicht diese Person“, betonten beide.
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