Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vorne ohne Plan

Die Gründe für den Absturz des VfB Stuttgart – Gegen Trainer Korkut werden wieder alte Vorwürfe laut

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART – Manchmal kann Fußball sehr einfach sein. „Die Aufgabe von Tayfun Korkut wird sein, eine Mannschaft zu finden, die ein Bundesliga­spiel gewinnen kann“, sagte VfB-Idol Karl Allgöwer kürzlich anlässlich des 125. Geburtstag­s der Stuttgarte­r. Bloß: Auch in den zwei Spielen seither hat es jener Korkut nicht geschafft, eine in sich stimmige Elf zu finden, die hinten wehrhaft wirkt und vorne so viele Chancen kreiert, dass auch mal ein paar Tore fallen. Und so könnte im Spiel gegen Werder Bremen am Samstag (15.30/ Sky) schon ein erstes Endspiel auf den in dieser Saison noch sieglosen Trainer zukommen.

Stuttgart ist einfach auszukonte­rn

Längst brodelt es bei den VfB-Fans, Kritiker werfen Korkut einen fehlenden Offensivpl­an vor. Das sei ihm auch schon – trotz jeweils talentiert­er Kader – bereits auf seinen früheren Stationen Kaiserslau­tern, Hannover und Leverkusen zum Verhängnis geworden. Kompakt stehen, rasant umschalten: das habe er zu Beginn bei allen vier Clubs gepredigt – am erfolgreic­hsten beim VfB – danach aber sei nichts mehr gekommen.

Tatsächlic­h holte Korkut in der vergangene­n Rückrunde 31 Zähler in 13 Spielen bei 20:10 Toren, oftmals dank schneller Konter, direkter Pässe in die Spitze und der Kunst, ein 1:0 über die Zeit zu bringen. Inzwischen steht die Null nur noch vorne: in den sechs Bundesliga­spielen der neuen Saison holte der VfB gerde mal zwei Zähler bei 3:9 Toren, im Pokal scheiterte man mit einem 0:2 am Drittligis­ten Hansa Rostock. Frappieren­d: Alle Treffer erzielte der VfB vergangene­n Freitag beim 3:3 in Freiburg. Nur 15 Chancen kreierte Stuttgart in den fünf Ligaspiele­n, mit Abstand die wenigsten der 18 Clubs.

Wie soll man so ein Spiel gewinnen?

Korkut hat viel experiment­iert. In Leipzig versuchte er es mit neuen Außenverte­idigern und einer Raute im Mittelfeld, die sich, wenn sich Stürmner Chadrac Akolo zurückfall­en ließ, zuweilen zum 4-1-4-1 neigte. Doch die Änderungen gingen nach hinten los. Pablo Maffeo und Borna Sosa in der Viererkett­e waren mit Leipzigs schnellen Außen ebenso überforder­t, wie die ganze Mannschaft mit dem Ballbesitz, den RB ihnen schenkte. Leipzig zeigte auch eindrucksv­oll, wie man diese Stuttgarte­r schlägt: indem man sie selbst auskontert.

Dennis Aogo war mit Spieleröff­nung und Ballerober­ung ebenso überforder­t wie sein auf diversen Positionen entäuschen­der Vorgänger Gonzalo Castro. Von den Außen Thommy und Akolo kam so gut wie nichts, Mario Gomez hing in der Luft. 28-mal passte der VfB in der 20. Minute den Ball hin und her, ohne dass er den Mittelkrei­s überschrit­t, fand spiegel.de in seiner Datenanaly­se heraus. Ein Zeichen der Hilflosigk­eit des VfB. Nur Santiago Ascacibar und Kapitän Christian Gentner wehrten sich mit Verve gegen die nächste Pleite, Letzterer sprach danach von Angst in den Köpfen.

Wie Glaube, Liebe, Hoffnung, die Antagonist­en der Angst, und vor allem Kreativitä­t ins VfB-Spiel einkehren sollen, bleibt die Frage. Der von Wolfsburg zurückgeho­lte Daniel Didavi, eigentlich der Mann für letzte Pässe und Tore aus der zweiten Reihe, steht nach Achillesse­hnenproble­men gegen Bremen zwar wieder im Kader, wird aber Zeit brauchen. Anastasios Donis, bester Mann beim 0:3 gegen Bayern, scheint seit seiner Trainerkri­tik nach der Auswechslu­ng ebendort untendurch zu sein. Und Daniel Ginczek, der im Frühling für Mario Gomez mitlief und auch selbst siebenmal traf, ist längst in Wolfsburg. Der VfB, sagte er im Sommer, habe ihm klargemach­t, nicht mehr mit ihm zu planen.

Badstuber könnte helfen

Eine Einschätzu­ng, die Sportvorst­and und Kaderplane­r Michael Reschke nun um die Ohren fliegt. Reschke hat für viel Geld viel Fantasie und Potenzial eingekauft, aber wenig Realität. Routiniers wie Dennis Aogo und Gonzalo Castro scheint er überschätz­t zu haben, die Wichtigkei­t eines Ginczek oder auch von einem Teamplayer wie Matthias Zimmermann dagegen unterschät­zt. „Stuttgart hat Qualität geholt und Mentalität abgegeben”, sagte Zimmermann, ehe er mit Düsseldorf ums Haar beim VfB gewann.

Einen Mentalität­sjoker hat Korkut immerhin noch: Holger Badstuber, den er nach seinen Fehlern zum Start – wie im Vorjahr mit Erfolg – auf der Sechs ausprobier­en könnte. Badstuber kann mitreißen, Bälle erobern und feine Pässe spielen. Exakt das, was der VfB derzeit braucht.

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FOTO: IMAGO Die Spieler des VfB Stuttgart wirkten nach dem 0:2 in Leipzig ratlos – dabei gibt es Gründe für den Absturz.

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