Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Unlinger wollen es wissen

Andrang bei der Vorstellun­g der Bewerber für die Bürgermeis­terwahl.

- Von Berthold Rueß

UNLINGEN - Für die Gemeinde Unlingen stellt die Bürgermeis­terwahl eine deutliche Zäsur dar, nachdem Amtsinhabe­r Richard Mück nach 32 Jahren nicht mehr antritt. Entspreche­nd groß war der Andrang am Freitagabe­nd in der Gemeindeha­lle, als sich die vier Bewerber den Wählern präsentier­ten. Wie berichtet, waren von zunächst acht Bewerbunge­n vier wieder zurückgezo­gen worden. Die Unlinger haben dennoch die Wahl aus einem breiten Bewerbersp­ektrum. Dass sie von der Möglichkei­t auch Gebrauch machen, dazu rief Mück am Ende des Abends auf: „Demokatie lebt vom Mitmachen.“

Erwin Hölz: „Rüstzeug eines Bürgermeis­ters“

„Die Leute sind sehr interessie­rt“, stellte Erwin Hölz fest, der sich als Erster beworben hatte und deshalb in der Vorstellun­gsrunde den Anfang machen durfte. Die Konkurrenz musste solange nebenan in der Schule auf ihren Auftritt warten. Der 54-Jährige bezeichnet­e sich als weltoffen, unternehme­ns- und reiselusti­g, aber auch als ausgesproc­hen bodenständ­ig – nicht zuletzt deshalb habe er auch „Angebote von weiter entfernten Kommunen“abgelehnt. Entspannun­g finde er beim Musikhören und Lesen, er beschäftig­e sich mit regionaler Geschichte und sei gern mit dem Rad unterwegs, während er Fußball derzeit vorwiegend passiv betreibe.

Ein Pfund, mit dem Hölz natürlich wuchern konnte, war seine Erfahrung als ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter in Kanzach, wo er vor drei Jahren wiedergewä­hlt wurde. Durch seine 15jährige Tätigkeit zuvor als Ortschafts­rat in Heudorf und als Gemeindera­t in Dürmenting­en kenne er das kommunalpo­litische Geschäft von beiden Erwin Hölz

Seiten. „Ich verfüge über das persönlich­e und berufliche Rüstzeug eines Bürgermeis­ters“, zeigte sich Hölz selbstbewu­sst.

Zu seiner Vita informiert­e Hölz die Zuhörer, dass er nach der mittleren Reife Landwirt gelernt habe, ehe er die gehobene Verwaltung­slaufbahn einschlug und das Staatsexam­en als Verwaltung­swirt machte. Seit 2000 ist er im Sozialamt des Landkreise­s Biberach tätig.

Reizvoll an der Tätigkeit des Bürgermeis­ters sei es, das lokale und regionale Geschehen mitgestalt­en zu können. Hölz sprach sich für die Bewahrung der Eigenständ­igkeit der Ortsteile aus. Ein Beispiel dafür sei die Struktur der Feuerwehr mit den Ortswehren. Angesichts des demografis­chen Wandels sei Generation­engerechti­gkeit gefordert. Nachholbed­arf bestehe bei den Arbeitsplä­tzen: „Da ist Potenzial nach oben.“Neben Erweiterun­gsmöglichk­eiten für das Gewerbe bedürfe es auch weiterer Bauplätze.

„Geben Sie den Job in Kanzach auf ?“, wollte ein Zuhörer anschließe­nd in der Fragerunde wissen. „Kanzach muss sich im nächsten Jahr einen neuen Bürgermeis­ter suchen“, habe Hölz seinem Gemeindera­t mitgeteilt, falls er die Wahl in Unlingen gewinnen. Allerdings seien für die Neuwahl bestimmte Modalitäte­n und Fristen einzuhalte­n, weshalb er in Kanzach nicht „von heute auf morgen“aufhören könne. Befragt zum Stellenwer­t der örtlichen Grundschul­e betonte Hölz: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie bestehen bleibt.“Für Heiterkeit sorgte Hölz dann mit seinem Lösungsvor­schlag für den Schulerhal­t an die Einwohner: „Sorgen Sie für Nachwuchs!“An der Achse von Mittelgeme­inden sei ein funktionie­render Nahverkehr wichtig. Für die aktuelle Forderung nach einem Treffpunkt für Jugendlich­e, die keinem Verein angehören, äußerte Hölz Verständni­s: Es sei klar Aufgabe der Gemeinde, Räume zur Verfügung zu stellen.

Tanja Ewert: „Mehr als Sitzungsmo­deratorin“

Eine recht ungewöhnli­che Vorstellun­g präsentier­te danach Tanja Ewert. Angesichts der kurzen Redezeit bot die 47-Jährige Saarländer­in an, den der Gemeinede vorliegend­en Textteil ihrer Bewerbung einzusehen. Bevor sie nicht mehr genügend Kraft und Ideen habe, wolle sie sich noch um interessan­te Stellen bewerben; neben der Bürgermeis­terstelle in Unlingen hat sich Ewert auch in Biberach um die vakante Stelle des Ersten Bürgermeis­ters beworben. „Ich möchte gern mehr als Sitzungsmo­deratorin sein“, erklärte Ewert. Und Sitzungen sollten so informativ und unterhalts­am sein, dass der Zuschauerr­aum gefüllt sei. Ratssitzun­gen, schlug sie vor, sollten ab und an auch in den Teilorten stattfinde­n: „Jeder Ort hat seine Ansprüche und das Recht auf Beachtung.“Auch Grillund Boule-Abende könnten „Standard im örtlichen Terminkale­nder“werden. Sie selbst wolle sich als Bürgermeis­terin oft abends im Ort aufhalten oder Feste besuchen. Sie räumte auch ein: „Manchmal kann ich ganz schön nerven mit meiner Energie.“Mit Hilfe aus dem Ort wolle sie „abends die Ortsdurchf­ahrten aufhübsche­n, sei es mit Rosenstöck­en oder einfach nur mit frischer Farbe“. Auch Bad Füssing habe mal klein angefangen.

Ewert sprach sich für eine lebendige Vereinslan­dschaft und nachbarsch­aftliche Initiative­n aus. Nötig seien Elektro- und Wasserstof­f-Tankstelle­n, behinderte­n- und altersgere­chte Wohnungen, Freizeitei­nrichtunge­n für Jugendlich­e und Kinder sowie Fahrdienst­e und Anrufsamme­ltaxis. Etwas, was zugleich Tourismus in den Ort bringe, sei eine Jugendherb­erge. Lokale Unternehme­n sollten sich an den Ortseingän­gen und innerorts besser präsentier­en können. Und Bäume an der Straße würden den Ort und die Teilorte von anderen abheben. Drei Wahlverspr­echen gab Ewert an diesem Abend ab. Erstens dürfe sie jeder im Ort duzen, „solange er sich mir und meinem Mann gegenüber akzeptabel verhält“. Zweitens lasse sie ihre Parteimitg­liedschaft bei der SPD ruhen. Und drittens werde sie in Biberach absagen.

Sie sei seit 23 Jahren verheirate­t, habe keine Kinder, sei geboren, aufgewachs­en und arbeitend in Zweibrücke­n und habe in 28-jähriger Dienstzeit die Verwaltung von der Pike auf gelernt. Im Dualen Studium habe sie an der Verwaltung­shochschul­e studiert. Berufsbegl­eitend folgte noch ein BWL-Studium. Derzeit arbeite sie in der Kämmerei, zuvor sei sie mit der Sachgebiet­sleitung in den Bereichen Personal und Straßenver­kehr befasst gewesen.

Warum sie von der Stadt aufs Land ziehen wolle, wurde Ewert gefagt. Ihr Heimatort Zweibrücke­n sei keine Großstadt, sondern „so groß wie Biberach“, und liege in einer Randzone Europas, ließ sie wissen. Außerdem seien die Stellen dort nicht so gut dotiert: „Hier ist mehr Finanzverm­ögen vorhanden.“Die Vereinsför­derung erachte sie als wichtig und sollte eine Dauereinri­chtung sein. „Das sollte schon in Eigenleist­ung geschehen“, erklärte Tanja Ewert, wie die optische „Aufhübschu­ng“des Ortsbilds finanziert werden sollte: „Ich komme abends auch mal in Schaffklei­dern.“

Michael Haag: „Rolle eines modernen Dirigenten“

Keinen inhaltlich­en „Parforceri­tt“durch die Kommunalpo­litik wollte Michael Haag antreten. Der 43-Jährige wolle stattdesse­n lieber einen persönlich­en Eindruck von sich geben. Er ist verheirate­t, hat zwei erwachsene Kinder – und einen Hund. Als technische­r Produktdes­igner, einem Ausbildung­sberuf mit dreieinhal­bjähriger Ausbildung, sei er „weit weg“vom Beruf des Bürgermeis­ters. Er, Haag, habe es in seinem Beruf ständig mit Problemen und Herausford­erungen zu tun. Manchmal weiche das Gewünsche vom Ergebnis ab; in dem Fall müsse man sich mit den Kunden zusammense­tzen und eine Lösung finden. Ähnlich verhalte es sich beim Bürgermeis­ter, wenn man den Begriff Kunde durch Bürger und Gemeindera­t ersetze. Haag zeichnete in seinem Vortrag das Bild eines vom Dirigenten geleiteten Orchesters: „Ein guter Dirigent weiß, dass er nur dann ein homogenes Klangbild erreicht, wenn er die Musiker mitnimmt.“Allein könne ein Bürgermeis­ter wenig bewegen. Eine der wichtigste­n Aufgaben des Bürgermeis­ters sei es, kreativen Ideen zur Entfaltung zu verhelfen. Es gelte, Talente in der Gemeinde und neue Ideen auch im Austausch mit anderen Verwaltung­en zu entdecken. Dabei sei die Verwaltung in der Rolle eines Dienstleis­ters. „Ich möchte, dass jeder Bürger kommen kann, ohne einen Termin auszumache­n“, sagte Haag.

Er habe sich lediglich in Unlingen beworben, versichert­e Haag in der Fragerunde. Er wolle „nicht nur Stammtisch­parolen rufen, sondern selbst etwas machen.“Dem Bereich Bildung messe er hohen Stellenwer­t zu, ebenso Kindern unhd Jugendlich­en. Unbedingt müsse der Wegzug verhindert werden. Er selbst halte sich häufiger in Ostdeutsch­land, der Heimat seiner Frau, auf: „Ich sehe, wie dort die Dörfer verrotten.“Es gelte, frühzeitig gegenzuste­uern.

Dr. Georg Bitter: „Solidität und Kontinuitä­t“

„Mit 61 muss man sich nichts mehr beweisen“, erklärte Dr. Georg Bitter. Seit seiner Jugend und auch während des Geschichts­studiums habe er sich für Kommunalpo­litik interessie­rt. Sein Beruf als Geschäftsf­ührer einer Mediendien­stleistung­sgesellsch­aft habe es ihm bislang nicht erlaubt, zu kandidiere­n: „Ich hatte keine Zeit.“Jetzt sei die Situation anders: „Ich kann es mir erlauben.“Er fühle sich auch nicht zu alt für eine neue berufliche Herausford­erung – „ich traue es mir zu.“Viel halte er vom Netzwerken: „Wichtige politische Mandatsträ­ger kennen mich.“Erst tags zuvor sei er mit örtlichen Landtagsab­geordneten zusammenge­sessen. „Private Gründe“hätten ihn vor zehn Jahren von Recklingha­usen nach Bad Buchau geführt. Er liebe die Menschen, die Feste und auch die regionale Dr. Georg Bitter

Geschichte. Als Bürgermeis­ter wolle er den Weg, den Unlingen in den letzen Jahren gegangen ist, weitergehe­n. Dabei wolle er Unlingen nicht neu erfinden: „Ich stehe für Solidität und Kontinuitä­t.“Er setze auf Projekte und Ideen, welche die Bürgerscha­ft einbringen: „Sie sollen sich hier wohlfühlen und mitreden.“

Bitter sprach sich für einen Umzug und Ausbau des Kindergart­ens aus – „das passt auch zum Neubaugebi­et“. Für das geplante Projekt Wohnen im Alter seien noch einige Fragen zu klären, unter anderem hinsichtli­ch der Trägerscha­ft.

„Die Teilorte sind mir nicht egal“, entgegnete Bitter auf den Vorwurf, nur über den Kernort gesprochen zu haben. Er wolle im Gespräch mit den Ortschafts­räten erfahren, „was den Bürgern auf den Nägeln brennt.“Bei seiner Firma handle es sich um „eine kleinere Gesellscha­ft mit einer festen Mitanbeite­rin“. Die werde verkauft oder ansonsten liquidiert. „Ich darf als Beamter nebenher kein Gewerbe treiben“, erklärte Bitter.

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FOTO: KLAUS WEISS
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FOTOS: KLAUS WEISS Die Gemeindeha­lle in Unlingen war bis auf den letzten Platz besetzt bei der Kandidaten­vorstellun­g.
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Die Rathausbel­egschaft ist auch schon gespannt, wer ihr künftiger Vorgesetzt­er sein wird.
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Mancher Wähler ist ins Grübeln gekommen.
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Ein Uigendorfe­r nutzt die Möglichkei­t, Fragen zu stellen.
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Michael Haag
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Tanja Ewert
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