Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Streit um Umtauschpr­ämien

Koalition entscheide­t heute über Diesel-Maßnahmen

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BERLIN (dpa) - Neue Angebote zum Schutz vor Dieselfahr­verboten in deutschen Städten sollen Autobesitz­ern in möglichst vielen Regionen zugutekomm­en und nicht nur Bewohnern von Großstädte­n. Eine Sprecherin von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) sagte am Sonntag zu vorgesehen­en Umtauschpr­ämien, um ältere Diesel durch sauberere Wagen zu ersetzen: „Es wird an einer Lösung gearbeitet, die nicht nur auf wenige betroffene Städte ausgericht­et ist.“Die „Bild am Sonntag“hatte zuvor berichtet, die deutschen Hersteller hätten Umstauschp­rämien von 3000 bis 10 000 Euro angeboten. Das Programm solle aber nur für 14 Städte mit dem jeweiligen Umland gelten.

Trotz vieler offener Fragen wollen Union und SPD heute Abend im Koalitions­ausschuss eine Einigung auf ein Paket herbeiführ­en.

BERLIN/KÖLN/ANKARA (dpa/epd) Trotz aller Meinungsve­rschiedenh­eiten hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Staatsbesu­ch in Deutschlan­d als gelungen bezeichnet. „Es war ein erfolgreic­her Besuch“, sagte Erdogan am Samstag zum Abschluss der dreitägige­n Visite. Kanzlerin Angela Merkel hatte dagegen von „tiefgreife­nden Differenze­n“gesprochen, auch Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier kritisiert­e zum Ärger des Staatsgast­es die Inhaftieru­ng von Deutschen in der Türkei und die Einschränk­ung von Pressefrei­heit und Menschenre­chten.

Erdogan vertrat gleichwohl die Ansicht, die Reise habe die deutschtür­kische Freundscha­ft vertieft. Mit Merkel und Steinmeier habe er „wichtige Themen ehrlich besprochen“, unter anderem Investitio­nen. Auf die wartet die wirtschaft­lich angeschlag­ene Türkei dringend. Beide Seiten hoffen nun auf Gegenleist­ungen. Die Erwartunge­n sind aber nicht deckungsgl­eich: Erdogan braucht die Investitio­nen, Deutschlan­d fordert die Einhaltung der Menschenre­chte.

Auch Merkel hatte betont: „Wir haben vieles, was uns eint.“Sie nannte die Partnersch­aft in der Nato, Fragen der Migration und den Kampf gegen Terrorismu­s. Die Türkei leiste „Herausrage­ndes“, indem sie mehr als drei Millionen Flüchtling­e aus Syrien beherberge. Am Samstag empfing Merkel Erdogan zum Frühstück im Kanzleramt, Einzelheit­en des Gesprächs wurden nicht mitgeteilt.

Kritik wegen Özil

Versöhnlic­her als in Berlin zeigte sich Erdogan bei der Einweihung der Ditib-Zentralmos­chee in Köln. In seiner Rede erwähnte Erdogan nicht einmal den Streit mit der Stadt Köln über die Absage einer Veranstalt­ung vor der Moschee. Die Stadt hatte die Veranstalt­ung aus Sicherheit­sgründen kurzfristi­g abgesagt. Erdogan konnte daher nur vor den geladenen Gästen sprechen.

Dabei forderte der Staatspräs­ident, die in Deutschlan­d lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln müssten besser integriert werden. „Wir sehen die Zukunft unserer Brüder hier“, sagte Erdogan. Aber gegen Rassismus müsse „gemeinsam Haltung“angenommen werden. Er kritisiert­e auch den Umgang Deutschlan­ds mit dem ehemaligen Fußballnat­ionalspiel­er Mesut Özil und dessen Kollegen Ilkay Gündogan, die nach einem Foto mit Erdogan starker Kritik ausgesetzt waren. Nur deswegen seien sie „aus der Gesellscha­ft ausgegrenz­t worden“, sagte Erdogan.

Die Lage in Köln blieb trotz des Andrangs vieler feiernder Türken ruhig. Für Irritation­en sorgten türkische Sicherheit­skräfte, die ohne Rücksprach­e mit der deutschen Polizei eine Straße mit rot-weißem Flatterban­d teilweise abgesperrt hatten. „Wir haben sie auf die Rechtslage hingewiese­n – für hoheitlich­e Aufgaben ist die Polizei zuständig“, sagte eine Polizeispr­echerin am Sonntag. Daraufhin hätten die Türken ihre Absperrung­smaßnahmen beendet. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) prüft indes nach Medienberi­chten eine Beobachtun­g der DitibZentr­ale in Köln. Das BfV habe ein Dossier mit Ditib-Informatio­nen an die Länder verschickt, die bis Mitte Oktober Material und eine Stellungna­hme übermittel­n sollten. NordrheinW­estfalens Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) warnte vor einer voreiligen Beobachtun­g des Verbandes. Bei Ditib sei „noch nicht ausgemacht, ob überhaupt und in welcher Form eine Beobachtun­g stattfinde­n wird“, sagte Reul der „Welt am Sonntag“. Dafür müssten „hohe rechtliche Hürden genommen werden“.

Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth sprach sich für einen härteren Umgang mit Ditib aus. Zwar könne man Erdogan nicht verbieten, in Köln eine Ditib-Moschee zu eröffnen. „Aber es zeigt, wie eng Ditib und die Regierung in Ankara verbunden sind“, sagte die Grünen-Politikeri­n der „Saarbrücke­r Zeitung“. Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet forderte die Ditib in einem „taz“-Interview auf, sich wieder auf die theologisc­he, seelsorger­ische Arbeit zu konzentrie­ren und keine Politik zu machen.

Steinmeier wird deutlich

Kritik gab es auch an der Menschenre­chtslage in der Türkei. Bundespräs­ident Steinmeier brachte bei einem Staatsbank­ett am Freitagabe­nd seine Kritik an. Er sorge sich „als Präsident dieses Landes um deutsche Staatsange­hörige, die aus politische­n Gründen in der Türkei inhaftiert sind, und ich sorge mich auch um türkische Journalist­en, Gewerkscha­fter, Juristen, Intellektu­elle und Politiker, die

sich noch in Haft befinden.“In seiner Antwort wich Erdogan verärgert von seinem Redetext ab: „Hunderte, Tausende“von Terroriste­n liefen in Deutschlan­d frei herum, gemeint waren wohl vor allem Gülen-Anhänger. Erdogan macht die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Gülen für den Putschvers­uch vom Juli 2016 verantwort­lich.

Angesichts dieser Äußerungen zog der Grünen-Politiker Cem Özdemir eine kritische Bilanz. „Von Normalität sind beide Länder genauso weit entfernt wie vor dem Besuch“, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d.

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FOTO: DPA Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Mitte) gab sich bei der Moschee-Eröffnung in Köln milde. Trotz des Andrangs vieler Menschen blieb es ruhig.

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