Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Stinkkäfer vermiesen Altweibers­ommer

Graue Gartenwanz­en sind auf der Suche nach einem Winterquar­tier.

- Von Marion Buck

RIEDLINGEN - Wenn die Sonne scheint und die Temperatur­en am Nachtmitta­g steigen, sind sie da: tausende Gartenwanz­en. Sie sitzen auf der Südseite von Gebäuden, machen sich auf Balkonen und Terrassen breit. Obwohl sie für den Menschen ungefährli­ch sind, sorgen sie für Ekelgefühl. Denn: Wer ihnen zu nahe kommt, macht mit ihrem eigenartig­en Geruch Bekanntsch­aft, weshalb die Wanze landläufig auch Stinkkäfer genannt wird. Am Donnerstag vergangene­r Woche war die ganze Front der Bussenkirc­he von den Tieren gefallen.

Im Spätsommer verlassen die Wanzen zu hunderten ihre Futterpfla­nzen und fliegen bevorzugt helle, sonnenexpo­nierte Hausfassad­en an, um dort einen geeigneten Ort zum Überwinter­n zu finden. Dabei werden in Mietshäuse­rn besonders Balkone hoch gelegener Wohnungen, sowie begrünte Dachterras­sen angeflogen, während Wohnungen im Erdgeschos­s meist weniger betroffen sind. Die Wanzen verkrieche­n sich besonders gerne in Ritzen und Spalten im Mauerwerk, in Jalousiekä­sten oder unter Blumenkäst­en und Teppichen auf dem Balkon, wo sie meistens in größeren Gruppen überwinter­n. Gerne auch an efeubewach­senen Wänden.

Die Wanzen sind auffällig. Sie haben einen eigenartig eckigen Körper, sind mit 14 bis 16 Millimeter­n relativ groß. Sie brummen wie Mai- oder Juni-Käfer und wenn sie Gefahr wittern oder getötet werden, fangen sie an zu stinken. Derzeit sind die Wanzen auf der Suche nach einem Winterquar­tier und dringen dabei auch in Häuser und Wohnungen ein. Selbst in Riedlingen­s Innenstadt bevölkern sie Balkone und Terrassen in so großen Mengen, dass den Bewohnern die Benutzung ihrer Freifläche­n vergeht.

Dabei sind die Wanzen dem Menschen nicht gefährlich. Das bestätigt auch das Gesundheit­samt im Landratsam­t Biberach. Der Mensch empfindet allerdings allein schon bei dem Wort „Wanze“ein Ekelgefühl. Dazu kommt der sonderbare Geruch, den die Tiere bei Gefahr verströmen.

Dr. Olaf Zimmermann vom landwirtsc­haftlichen Technologi­ezentrum Augustenbe­rg bei Karlsruhe kennt sich von Berufs wegen mit Insekten und damit auch mit Wanzen aus. Er sagt, Wanzen und Zikaden seien sogenannte Klimafolge­r. „Sie werden uns in Zukunft stärker beschäftig­en“, so der Biologe. Denn beide kämen mit heißen Sommern gut zurecht. Allerdings bedeute das derzeitige massenweis­e Vorkommen nicht, dass die Wanzen auch im kommenden Jahr in gleicher Stärke wieder auftreten. Mehrere Tage unter minus zehn Grad im Winter dezimiere deren Population. Während in Riedlingen die heimische Graue Gartenwanz­e umherschwi­rrt, sich von Pflanzensa­ft ernährt und den Menschen nur lästig ist, haben die Städte Freiburg, Stuttgart und Konstanz mit der marmoriert­en Baumwanze ein großes Problem. Die aus Asien eingeschle­ppte Wanze gehört zu den Topschädli­ngen im Obstanbau und breitet sich in Süddeutsch­land aus.

„Es ist einfach nur eklig“, sagt Edith Guth, die Mesnerin der Bussenkirc­he in Offingen. Schon seit einigen Jahren fallen ihr die Tiere auf. So viele wie in diesem Jahr habe sie allerdings noch nie gesehen. Vergangene­n Donnerstag sei es ganz schlimm gewesen. Der Herbsttag bescherte einen sonnigen Nachmittag, die Temperatur­en kletterten an die 20-Grad-Marke. Da, wo die Sonne hinschien, sei alles schwarz vor Wanzen gewesen, so die Mesnerin. Die Tiere seien überall – an der Fassade, unter den Steinen und auch im Innern der Kirche. Unter den Kirchenfen­stern sind wegen der Luftzirkul­ation Schlitze im Mauerwerk, durch die die Wanzen krabbeln. Dass die Gartenwanz­en sich die Bussenkirc­he als Ziel auserkoren haben, könnte an der exponierte­n Stelle liegen. Die Wanzen suchen nach Felsnische­n und halten die Kirche für eine Höhle, vermutet Dr. Zimmermann.

Giftige und ungiftige Hilfsmitte­l

Den Lästling los zu werden, ist nicht ganz einfach. In Fachgeschä­ften gibt es Sprays mit dem Inhaltssto­ff Blattanex, der den Wanzen den Garaus macht. Allerdings auch anderen Insekten. Wer auf die chemische Keule verzichten und den Tieren auf natürliche­m Wege auf den Leib rücken will, bekommt im Internet zahlreiche Tipps. Auf „WikiHow“wird empfohlen, Kieselgur zu streuen. Das Pulver ist ein natürliche­s Sedimentge­stein. Es enthält Silizium, Aluminium und Eisen. Es funktionie­rt, indem es die wachsartig­e, schützende Schicht auf dem Außenskele­tt der Insekten zerstört, was dazu führt, dass sie dehydriere­n. So soll auch ein Spray aus Wasser und Seife funktionie­ren. Ein Liter heißes Wasser wird mit 180 Milliliter Spülmittel gemischt.

Eine andere Alternativ­e wäre ein selbst hergestell­ter Knoblauchs­pray. Dazu werden 500 Milliliter Wasser mit vier Teelöffeln Knoblauchp­ulver gemischt. Baumwanzen mögen anscheinen­d den kräftigen Geruch des Knoblauchs nicht und halten sich im Allgemeine­n fern, wenn Knoblauch in der Nähe ist. Der Spray tötet die Tiere nicht, er vertreibt sie. Als andere Möglichkei­t wird empfohlen, mehrere Knoblauchz­ehen zu hacken und in den Verstecken der Wanzen zu verteilen. Auch Minze soll die Tiere fern halten. Zehn Tropfen Minzöl auf einen halben Liter Wasser werden gemischt und die Verstecke besprüht. Wie auch der Knoblauch soll die Minze als Abwehr und nicht wie ein Gift wirken. Bei so großen Mengen an Tieren wie an der Bussenkirc­he helfen Sprays und Pulver nicht. Die Mesnerin rückt ihnen mit dem Industries­taubsauger zu Leibe. Der stinkt durch die Wanzen allerdings so, dass er nicht mehr in einem geschlosse­nen Raum aufbewahrt werden kann. Deshalb ist diese Methode für den privaten Staubsauge­r nicht geeignet, höchstens der Staubbeute­l wird nach der Saugattack­e direkt entsorgt.

Eine andere Variante wäre, einfach gute Nerven zu bewahren und abzuwarten. In ein paar Wochen soll der Spuk vorbei sein.

Für Forschungs­zwecke interessie­rt sich das Technologi­ezentrum für Fotos von den Wanzen. Fotos mit Ortsangabe an: pflanzensc­hutz-insekten@ltz.bwl.de

 ?? FOTO: MARION BUCK ??
FOTO: MARION BUCK
 ?? FOTO: MARION BUCK ?? Die Graue Gartenwanz­e ist derzeit auf der Suche nach einem Winterquar­tier.
FOTO: MARION BUCK Die Graue Gartenwanz­e ist derzeit auf der Suche nach einem Winterquar­tier.

Newspapers in German

Newspapers from Germany