Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Post eröffnet in ehemaliger Metzgerei

Neues Kapitel in der Ertinger Postgeschi­chte – Metzger übernahmen einst die Postdienst­e

- Von Alexander Radulescu

ERTINGEN - Pünktlich um 14.30 Uhr hat sich am Montag die Tür der neuen Post in der ehemaligen Metzgerei Geiger in Ertingen geöffnet. Die neue Postschalt­erkraft Gabriele Nobile begrüßte freundlich jeden Kunden zur Eröffnung und mit einem Begrüßungs­bonbon. Maria Schrode unterstütz­te sie am Eröffnungs­tag in ihrer Funktion als Vertriebsm­anagerin. Mit der Eröffnung schließt sich in Ertingen ein Kreis: Denn in der Geschichte des Postwesens spielten die Metzger einst eine besondere Rolle.

Nachdem sich für eine privat geführte Partnerfil­iale niemand gefunden hatte, war die deutsche Post verpflicht­et, die Filiale Ertingen als Ausnahmelö­sung im Eigenbetri­eb zu übernehmen. Diese Notlösung besteht nur solange, bis sich ein neuer Filialpart­ner gefunden hat. Bis auf Weiteres gibt es in den Räumen der ehemaligen Metzgerei in der Krähbrunne­nstraße 2 folgende Postdienst­e: Annahme von Briefen und Paketen sowie weitere Leistungen wie Einschreib­en, Express oder Prio. Auch Paketabhol­ung, Antragsann­ahme Rentenserv­ice, Postident, Prepaid-Handyaufla­dung und Werbesendu­ngen gehören zu den angebotene­n Postdienst­leistungen. Leider bleiben auch weiterhin die Leistungen der Postbank außen vor.

Bei der Eröffnung schaute auch das Vermieter-Ehepaar Koch herein und erkundigte sich nach eventuelle­n weiteren Verbesseru­ngen der Räumlichke­iten. Die Vermieteri­n stand selbst von 1984 an bis zur Schließung des alten Postamts in Ertingen am Schalter. Der Einzug in die Räume einer ehemaligen Metzgerei mag vielleicht zufällig sein, ist aber dennoch erwähnensw­ert – wie ein Blick in die Postgeschi­chte zeigt.

Wohl nachdem die Menschen sesshaft wurden, bestand das Bedürfnis, sich Mitteilung­en zukommen zu lassen. Boten gab es bereits im Altertum bei den Griechen, Persern und Römern. So schuf wohl der römische Kaiser Augustus den ersten „cursus publicus“– also die erste „staatliche Verkehrsve­rbindung“. Dieser diente aber lediglich der Regierung. Aus der lateinisch­en Bezeichnun­g für Pferdewech­selstation­en „manisio posita“sowie „multatio posita“dürfte das heutige Wort „Post“abgeleitet worden sein.

Zustellung mit der Metzgerpos­t

In Mitteleuro­pa entstand die erste regelmäßig­e Nachrichte­nverbindun­g wohl durch den Habsburger Kaiser Maximilian I. Dieser forderte am 14. Juli 1490 vom Rate zu Speyer einen reitenden Boten und einen Fußboten, um so sein großes Territoriu­m besser verwalten zu können. Im Jahre 1516 wurden die Beförderun­gsleistung­en verbessert. Es konnten nun auch private Briefe befördert werden. In Cannstatt und etwas später in Ebersbach, Enzweihing­en und Knittlinge­n wurden Poststatio­nen eingericht­et. Das erste internatio­nale Postnetz war entstanden.

Im Jahre 1600 fuhr die Postkutsch­e auf der Strecke Ehingen-Mengen auch durch Ertingen. Bis zur Gründung der kaiserlich­en Reichspost im Jahre 1615 durch das Haus Thurn und Taxis hatten die Metzger die Aufgabe, die Beförderun­g von Post- und Paketsendu­ngen zu übernehmen. So erklärte etwa ein Vogt aus Tuttlingen bei seinem Amtsantrit­t 1596: „Die Metzger seien mit ihren Pferden zu Postritten verpflicht­et.“Metzger warenviel im Lande unterwegs, um Vieh anzukaufen und sie waren – als einer der reichsten Handwerker­zünfte – im Besitz von Pferden. Der erste Metzger, der auch Post beförderte, wird 1526 in Hechingen erwähnt.

In Baden, Württember­g und der Pfalz hatten Metzger auch einige Privilegie­n, etwa ihre Ankunft an den Stationen mit einem Horn anzukündig­en, um bevorzugt und schneller behandelt zu werden. Sie erhielten für die Beförderun­g auf eine bis zwei Meilen nichts. Für drei Meilen erhielten sie aufs Pferd einen Gulden; dies ist aus Balingen überliefer­t.

Lange waren Postillion­e, private Boten und Metzger auf derselben Straße mit Post und Paketen gleichzeit­ig unterwegs – eine Parallele zur Gegenwart mit all den vielen Postdienst­leistern. Um 1843 übernahmen dann Oberamtsbo­ten die Postdienst­e zwischen Riedlingen und Ertingen. So versorgte um 1854 Johann Nepomuk Straub aus Neufra den Ort Ertingen von Riedlingen aus. Im Jahre 1862 wurde das Amtsbotenw­esen aufgehoben; der Landpostbo­tendienst wurde eingeführt und in Ertingen eine Postablage eingericht­et. Die Eisenbahns­trecke Riedlingen­Ertingen-Herberting­en-Mengen wird 1869 eingeweiht. Damit übernimmt die Eisenbahns­tation die Postablage. Am 1. Oktober189­8 wird in Ertingen die erste Postagentu­r eröffnet, die ab 1902 die bisherigen Aufgaben der Eisenbahn übernahm. Bereits 1903 wurde in Ertingen eine Telegrafen­hilfsstell­e mit Fernsprech­betrieb eingericht­et. Am 28. Februar 1933 verkehrten die Pferdepost­en von und nach Riedlingen dann zum letzten Mal.

Postamt in Dürmenting­er Straße

Ab 31. Mai 1964 wurde die Bahnpost in Ertingen eingestell­t und per Fahrzeug von Riedlingen aus versorgt. Zum Jahresbegi­nn 1971 wurde die bisherige Poststelle I in die Dürmenting­er Straße verlegt und zum „Postamt“. Der bisherige Posthalter Alfons Buck wurde Betriebsle­iter. Er setzte sich 1973 zur Ruhe, seine Nachfolge trat Brunhilde Reisch an. Im Zuge der Gemeindere­form erfolgt ab 1975 von Ertingen aus die Zustellung von Erisdorf und Binzwangen. 1991 wurde Brunhilde Reisch in den Ruhestand versetzt und Reinhold Eisele neuer Leiter. Am 28. Juli 1996 wurde der Zustellstü­tzpunkt Ertingen aufgelöst und mit dem Personal nach Riedlingen verlegt.

Am 31. August 2003 schloss das Postamt Ertingen seine Türen. Die Postdienst­e wurden in der Postagentu­r bei Familie Jäggle im Quelle-Laden neu eingericht­et. Ab 2007 übernahm Birgit Klawitter im „Schreib Chic“– Krähbrunne­nstraße 1 – die Postdienst­e, ab 2009 folgte Familie Neuburger im „Klötzchen“-Lädele in der Beundstraß­e 1 nach. Von Juni 2015 bis Juli 2018 bot die Deutsche Post ihre Dienste im Baumarkt Wölpert an, bis nun in der ehemaligen Metzgerei Geiger ein neues Kapitel in der Ertinger Postgeschi­chte beginnt.

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FOTO: ALEXANDER RADULESCU Die neue Postschalt­erkraft Gabriele Nobile (rechts) begrüßte freundlich jeden Kunden zur Eröffnung der Ertinger Post. Maria Schrode (links) unterstütz­te sie am Eröffnungs­tag in ihrer Funktion als Vertriebsm­anagerin.

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