Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Post eröffnet in ehemaliger Metzgerei
Neues Kapitel in der Ertinger Postgeschichte – Metzger übernahmen einst die Postdienste
ERTINGEN - Pünktlich um 14.30 Uhr hat sich am Montag die Tür der neuen Post in der ehemaligen Metzgerei Geiger in Ertingen geöffnet. Die neue Postschalterkraft Gabriele Nobile begrüßte freundlich jeden Kunden zur Eröffnung und mit einem Begrüßungsbonbon. Maria Schrode unterstützte sie am Eröffnungstag in ihrer Funktion als Vertriebsmanagerin. Mit der Eröffnung schließt sich in Ertingen ein Kreis: Denn in der Geschichte des Postwesens spielten die Metzger einst eine besondere Rolle.
Nachdem sich für eine privat geführte Partnerfiliale niemand gefunden hatte, war die deutsche Post verpflichtet, die Filiale Ertingen als Ausnahmelösung im Eigenbetrieb zu übernehmen. Diese Notlösung besteht nur solange, bis sich ein neuer Filialpartner gefunden hat. Bis auf Weiteres gibt es in den Räumen der ehemaligen Metzgerei in der Krähbrunnenstraße 2 folgende Postdienste: Annahme von Briefen und Paketen sowie weitere Leistungen wie Einschreiben, Express oder Prio. Auch Paketabholung, Antragsannahme Rentenservice, Postident, Prepaid-Handyaufladung und Werbesendungen gehören zu den angebotenen Postdienstleistungen. Leider bleiben auch weiterhin die Leistungen der Postbank außen vor.
Bei der Eröffnung schaute auch das Vermieter-Ehepaar Koch herein und erkundigte sich nach eventuellen weiteren Verbesserungen der Räumlichkeiten. Die Vermieterin stand selbst von 1984 an bis zur Schließung des alten Postamts in Ertingen am Schalter. Der Einzug in die Räume einer ehemaligen Metzgerei mag vielleicht zufällig sein, ist aber dennoch erwähnenswert – wie ein Blick in die Postgeschichte zeigt.
Wohl nachdem die Menschen sesshaft wurden, bestand das Bedürfnis, sich Mitteilungen zukommen zu lassen. Boten gab es bereits im Altertum bei den Griechen, Persern und Römern. So schuf wohl der römische Kaiser Augustus den ersten „cursus publicus“– also die erste „staatliche Verkehrsverbindung“. Dieser diente aber lediglich der Regierung. Aus der lateinischen Bezeichnung für Pferdewechselstationen „manisio posita“sowie „multatio posita“dürfte das heutige Wort „Post“abgeleitet worden sein.
Zustellung mit der Metzgerpost
In Mitteleuropa entstand die erste regelmäßige Nachrichtenverbindung wohl durch den Habsburger Kaiser Maximilian I. Dieser forderte am 14. Juli 1490 vom Rate zu Speyer einen reitenden Boten und einen Fußboten, um so sein großes Territorium besser verwalten zu können. Im Jahre 1516 wurden die Beförderungsleistungen verbessert. Es konnten nun auch private Briefe befördert werden. In Cannstatt und etwas später in Ebersbach, Enzweihingen und Knittlingen wurden Poststationen eingerichtet. Das erste internationale Postnetz war entstanden.
Im Jahre 1600 fuhr die Postkutsche auf der Strecke Ehingen-Mengen auch durch Ertingen. Bis zur Gründung der kaiserlichen Reichspost im Jahre 1615 durch das Haus Thurn und Taxis hatten die Metzger die Aufgabe, die Beförderung von Post- und Paketsendungen zu übernehmen. So erklärte etwa ein Vogt aus Tuttlingen bei seinem Amtsantritt 1596: „Die Metzger seien mit ihren Pferden zu Postritten verpflichtet.“Metzger warenviel im Lande unterwegs, um Vieh anzukaufen und sie waren – als einer der reichsten Handwerkerzünfte – im Besitz von Pferden. Der erste Metzger, der auch Post beförderte, wird 1526 in Hechingen erwähnt.
In Baden, Württemberg und der Pfalz hatten Metzger auch einige Privilegien, etwa ihre Ankunft an den Stationen mit einem Horn anzukündigen, um bevorzugt und schneller behandelt zu werden. Sie erhielten für die Beförderung auf eine bis zwei Meilen nichts. Für drei Meilen erhielten sie aufs Pferd einen Gulden; dies ist aus Balingen überliefert.
Lange waren Postillione, private Boten und Metzger auf derselben Straße mit Post und Paketen gleichzeitig unterwegs – eine Parallele zur Gegenwart mit all den vielen Postdienstleistern. Um 1843 übernahmen dann Oberamtsboten die Postdienste zwischen Riedlingen und Ertingen. So versorgte um 1854 Johann Nepomuk Straub aus Neufra den Ort Ertingen von Riedlingen aus. Im Jahre 1862 wurde das Amtsbotenwesen aufgehoben; der Landpostbotendienst wurde eingeführt und in Ertingen eine Postablage eingerichtet. Die Eisenbahnstrecke RiedlingenErtingen-Herbertingen-Mengen wird 1869 eingeweiht. Damit übernimmt die Eisenbahnstation die Postablage. Am 1. Oktober1898 wird in Ertingen die erste Postagentur eröffnet, die ab 1902 die bisherigen Aufgaben der Eisenbahn übernahm. Bereits 1903 wurde in Ertingen eine Telegrafenhilfsstelle mit Fernsprechbetrieb eingerichtet. Am 28. Februar 1933 verkehrten die Pferdeposten von und nach Riedlingen dann zum letzten Mal.
Postamt in Dürmentinger Straße
Ab 31. Mai 1964 wurde die Bahnpost in Ertingen eingestellt und per Fahrzeug von Riedlingen aus versorgt. Zum Jahresbeginn 1971 wurde die bisherige Poststelle I in die Dürmentinger Straße verlegt und zum „Postamt“. Der bisherige Posthalter Alfons Buck wurde Betriebsleiter. Er setzte sich 1973 zur Ruhe, seine Nachfolge trat Brunhilde Reisch an. Im Zuge der Gemeindereform erfolgt ab 1975 von Ertingen aus die Zustellung von Erisdorf und Binzwangen. 1991 wurde Brunhilde Reisch in den Ruhestand versetzt und Reinhold Eisele neuer Leiter. Am 28. Juli 1996 wurde der Zustellstützpunkt Ertingen aufgelöst und mit dem Personal nach Riedlingen verlegt.
Am 31. August 2003 schloss das Postamt Ertingen seine Türen. Die Postdienste wurden in der Postagentur bei Familie Jäggle im Quelle-Laden neu eingerichtet. Ab 2007 übernahm Birgit Klawitter im „Schreib Chic“– Krähbrunnenstraße 1 – die Postdienste, ab 2009 folgte Familie Neuburger im „Klötzchen“-Lädele in der Beundstraße 1 nach. Von Juni 2015 bis Juli 2018 bot die Deutsche Post ihre Dienste im Baumarkt Wölpert an, bis nun in der ehemaligen Metzgerei Geiger ein neues Kapitel in der Ertinger Postgeschichte beginnt.