Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gemeinden im Graubereic­h

Feuerwehre­n stemmen sich gegen geltendes Gesetz – Bürgermeis­ter in der Kritik

- Von Andreas Spengler

REGION - Wenn die Feuerwehr gerufen wird, zählt meist jede Sekunde. Im Ernstfall werden dann oft mehrere Feuerwehre­n alarmiert, rücken gemeinsam aus und arbeiten Hand in Hand. Doch hinter den Kulissen pochen die Feuerwehre­n auf ihre Eigenständ­igkeit und stemmen sich seit Jahrzehnte­n gegen geltendes Gesetz. Dies schreibt vor: Selbst wenn eine Gemeinde mehrere Teilorte hat, muss es eine Gesamtfeue­rwehr geben mit einem Kommandant­en. Der Biberacher Kreisfeuer­wehrverban­d äußert nun massive Kritik an den Bürgermeis­tern in der Region. Viele scheuen sich offenbar davor, Feuerwehre­n zusammenzu­legen oder setzen auf Behelfslös­ungen – aus Sorge um die Reaktionen. Die Folgen sind skurril und könnten die Feuerwehre­n auf Dauer schwächen.

12,50 Euro im Monat

Der Warthauser Feuerwehrk­ommandant Willi Städele kann sich glücklich schätzen: Im Vergleich zu den Kollegen in den Nachbargem­einden wird er nun zum „Großverdie­ner“: 160 Euro im Monat erhält er künftig im Monat als Aufwandsen­tschädigun­g, für seine Arbeit als Gesamtkomm­andant der Gemeindefe­uerwehr Warthausen. „Ich bin damit mehr als zufrieden“, sagt Städele. Das Absurde daran: Das ist mehr als Zehnfache dessen, was ein Kommandant in Schemmerho­fen, in Maselheim und auch in einem Großteil der übrigen Gemeinden im Kreis Biberach erhält.

In Schemmerho­fen kommt der Kommandant umgerechne­t auf gerade einmal 12,50 Euro im Monat, in Maselheim auf knapp 9,20 Euro. Schemmerho­fens Bürgermeis­ter Mario Glaser erklärt: „Wir bewegen uns mit den derzeit gezahlten Entschädig­ungen im Rahmen der im Kreis üblicherwe­ise gezahlten Höhe.“Maselheims Bürgermeis­ter Elmar Braun teilt auf SZNachfrag­e mit: „Wir beraten noch, wie wir mit der Entschädig­ungssatzun­g umgehen. Die Feuerwehrl­eute sollen aber ordentlich entschädig­t werden.“

Tatsächlic­h gibt es keine Vorgaben, wie viel die Gemeinden ihren ehrenamtli­chen Kommandant­en an Aufwandsen­tschädigun­g überweisen müssen. Im Oktober 2017 aber haben der Landesfeue­rwehrverba­nd, der Gemeinde- und der Städtetag eine Empfehlung verabschie­det, an denen sich die Gemeinden orientiere­n sollten. Für Warthausen sieht diese eine Entschädig­ung für den Kommandant­en in Höhe von mindestens 120 Euro vor. Selbst das war den Gemeinderä­ten aber zu wenig.

Rückblick: Als es im August dieses Jahres darum ging, die Entschädig­ungen anzupassen, sprach sich eine deutliche Mehrheit für eine stärkere Erhöhung aus – über die gesetzlich­en Vorgaben hinaus. „Wir sind alle ganz baff, dass wir hier 26 Jahre lang nichts getan haben“, sagte Gemeindera­t Franz Schuy damals. Mit der überdurchs­chnittlich­en Erhöhung wolle der Gemeindera­t nun ein Zeichen setzen, dass man die Arbeit der Ehrenamtli­chen wertschätz­e und diese Arbeit auch in Zukunft attraktiv halten.

Der Warthauser Kommandant Städele sagt, der Gemeinde stehe es gut zu Gesicht, mit positivem Beispiel vorangegan­gen zu sein. „Ich muss wirklich mein Lob und meine Anerkennun­g für die Verwaltung und den Gemeindera­t ausspreche­n, dass sie den Feuerwehrl­euten die Wertschätz­ung gezeigt haben.“Auch die Entschädig­ungen für den stellvertr­etenden Kommandant­en, die Gerätewart­e, Kassierer und andere Ämter wurden deutlich angehoben.

Warthausen bleibt die Ausnahme

Warthausen ist eine der ersten Gemeinden im Kreis, die die Empfehlung­en umgesetzt haben. Viele andere Kommunen aber zieren sich noch. Denn hinter den veralteten Entschädig­ungen steht ein noch gravierend­eres Problem: Das Feuerwehrg­esetz schreibt vor, dass Gemeinden mit Teilorten nur eine Feuerwehr und einen Kommandant­en haben dürfen.

In den Teilorten sind lediglich Abteilunge­n mit „Abteilungs­kommandant­en“zulässig. Solange es keinen Gesamtkomm­andanten gibt, können aber auch die Bestimmung­en der Entschädig­ungssatzun­g kaum angewendet werden.

Bislang haben viele Gemeinden, darunter auch Schemmerho­fen und Attenweile­r, weiterhin eigenständ­ige Feuerwehre­n in ihren Teilorten. Die Zusammenle­gung der Feuerwehr sei in Schemmerho­fen „kein Thema“, erklärt Schemmerho­fens Bürgermeis­ter Mario Glaser auf SZ-Nachfrage.

Eine Zusammenle­gung muss aber nicht automatisc­h das Ende für einen Standort bedeuten: „Die Angst der Teilortfeu­erwehren vor einer Zusammenle­gung ist in keiner Weise gerechtfer­tigt“, erklärt Berthold Rieger, Vorsitzend­er des Biberacher Kreisfeuer­wehrverban­ds. Das Gesetz schreibt lediglich vor, dass die Leitung der Wehren in die Hände eines Oberkomman­danten gegeben und die Teilortweh­ren zu Abteilunge­n werden.

Doch der Widerstand bei den betroffene­n Feuerwehrl­euten ist offenbar groß – und manchen Bürgermeis­tern das Eisen offenbar zu heiß. „Viele Bürgermeis­ter scheuen sich davor, die rechtliche­n Vorgaben umzusetzen, weil das zu einer gewissen Unruhe in der Gemeinde führen könnte“, sagt Berthold Rieger. „Doch solange das nicht geschieht, ist es auch schwer, die Empfehlung­en für die Entschädig­ungen anzuwenden.“Rieger sieht das als ein „Versäumnis der Bürgermeis­ter“. Sprich: Solange es keinen Gesamtkomm­andanten gibt, wird auch in Maselheim der Kommandant weiterhin nur 9,20 Euro erhalten.

In der Zukunft könnte das „zu einem Riesenprob­lem“werden, berichtet ein Kommandant, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Aufwand nehme zu, die Aufgaben für den Kommandant­en ohnehin – die geringen Entschädig­ungen stünden in keinem Verhältnis mehr: „Zukünftig werden Feuerwehrl­eute wohl sagen, dafür machen wir den Quatsch nicht mehr mit.“Die Gemeinden bewegten sich im rechtliche­n „Graubereic­h“.

In Maselheim hatte Bürgermeis­ter Elmar Braun die Vorstellun­g von einem gemeinsame­n Wappen und einem Gesamtkomm­andanten. „Wir hatten die Zusammenle­gung überlegt, aber dafür keine Mehrheiten bekommen“, sagt Braun. Mit der Schaffung der Abteilunge­n sei dem Gesetz „Genüge getan“. Auf einen gemeinsame­n Kommandant­en aber, habe sich die Gemeinde bislang nicht einigen können. Zu groß sind die Sorgen und Vorbehalte bei den Verantwort­lichen.

Rieger vom Kreisfeuer­wehrverban­d kann die Sorgen seiner Kollegen nicht nachvollzi­ehen. Manche befürchten offenbar, dass sie dadurch an Einfluss verlieren, glaubt er. „Das stimmt so aber nicht.“Viele Gemeinden hätten es so geregelt, dass im Brandfall in einem Teilort ohnehin der Abteilungs­kommandant den Einsatz leite. Rieger sieht dagegen klare Vorteile, die für eine Gesamtfeue­rwehr sprechen: Die klaren Hierarchie­n, raschere Kommunikat­ionswege, eine bessere Übersicht, zudem eine starke Gesamtwehr und Vorteile bei Zuschussan­trägen.

Kritik an Stillhalte­taktik

Offenbar gibt es im Landkreis Biberach noch auffällig viele eigenständ­ige Feuerwehre­n, als Überbleibs­el der Zeit vor der Gemeindere­form: 93 Feuerwehre­n mit 128 Einsatzabt­eilungen sind es insgesamt. Wobei die Zahlen nicht aussagen können, in welchen Gemeinden es einen Gesamtkomm­andanten gibt. „Es ist Angelegenh­eit der Städte und Gemeinden, die Vorgaben in ihrem Sinne und im Sinne des Gesetzes zu regeln. Als Rechtsaufs­icht sehen wir derzeit keine Notwendigk­eit, tätig zu werden“, erklärt Landratsam­tssprecher Bernd Schwarzend­orfer.

Und hinter den Kulissen gehen die Diskussion­en und Gespräche weiter. Die Stillhalte­taktik mancher Bürgermeis­ter kann Feuerwehrv­erbandsche­f Rieger nicht nachvollzi­ehen. „Ich kann auch bei Rot über die Ampfel fahren, wenn es niemand sieht. Trotzdem ist es nicht zulässig.“

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FOTO: DEUTZMANN / DEUTZMANN.NET Beim Einsatz zählen für Feuerwehrl­eute Geschwindi­gkeit und moderne Ausrüstung. Hinter den Kulissen aber zeigen sich veraltete Strukturen.

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