Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gemeinden im Graubereich
Feuerwehren stemmen sich gegen geltendes Gesetz – Bürgermeister in der Kritik
REGION - Wenn die Feuerwehr gerufen wird, zählt meist jede Sekunde. Im Ernstfall werden dann oft mehrere Feuerwehren alarmiert, rücken gemeinsam aus und arbeiten Hand in Hand. Doch hinter den Kulissen pochen die Feuerwehren auf ihre Eigenständigkeit und stemmen sich seit Jahrzehnten gegen geltendes Gesetz. Dies schreibt vor: Selbst wenn eine Gemeinde mehrere Teilorte hat, muss es eine Gesamtfeuerwehr geben mit einem Kommandanten. Der Biberacher Kreisfeuerwehrverband äußert nun massive Kritik an den Bürgermeistern in der Region. Viele scheuen sich offenbar davor, Feuerwehren zusammenzulegen oder setzen auf Behelfslösungen – aus Sorge um die Reaktionen. Die Folgen sind skurril und könnten die Feuerwehren auf Dauer schwächen.
12,50 Euro im Monat
Der Warthauser Feuerwehrkommandant Willi Städele kann sich glücklich schätzen: Im Vergleich zu den Kollegen in den Nachbargemeinden wird er nun zum „Großverdiener“: 160 Euro im Monat erhält er künftig im Monat als Aufwandsentschädigung, für seine Arbeit als Gesamtkommandant der Gemeindefeuerwehr Warthausen. „Ich bin damit mehr als zufrieden“, sagt Städele. Das Absurde daran: Das ist mehr als Zehnfache dessen, was ein Kommandant in Schemmerhofen, in Maselheim und auch in einem Großteil der übrigen Gemeinden im Kreis Biberach erhält.
In Schemmerhofen kommt der Kommandant umgerechnet auf gerade einmal 12,50 Euro im Monat, in Maselheim auf knapp 9,20 Euro. Schemmerhofens Bürgermeister Mario Glaser erklärt: „Wir bewegen uns mit den derzeit gezahlten Entschädigungen im Rahmen der im Kreis üblicherweise gezahlten Höhe.“Maselheims Bürgermeister Elmar Braun teilt auf SZNachfrage mit: „Wir beraten noch, wie wir mit der Entschädigungssatzung umgehen. Die Feuerwehrleute sollen aber ordentlich entschädigt werden.“
Tatsächlich gibt es keine Vorgaben, wie viel die Gemeinden ihren ehrenamtlichen Kommandanten an Aufwandsentschädigung überweisen müssen. Im Oktober 2017 aber haben der Landesfeuerwehrverband, der Gemeinde- und der Städtetag eine Empfehlung verabschiedet, an denen sich die Gemeinden orientieren sollten. Für Warthausen sieht diese eine Entschädigung für den Kommandanten in Höhe von mindestens 120 Euro vor. Selbst das war den Gemeinderäten aber zu wenig.
Rückblick: Als es im August dieses Jahres darum ging, die Entschädigungen anzupassen, sprach sich eine deutliche Mehrheit für eine stärkere Erhöhung aus – über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. „Wir sind alle ganz baff, dass wir hier 26 Jahre lang nichts getan haben“, sagte Gemeinderat Franz Schuy damals. Mit der überdurchschnittlichen Erhöhung wolle der Gemeinderat nun ein Zeichen setzen, dass man die Arbeit der Ehrenamtlichen wertschätze und diese Arbeit auch in Zukunft attraktiv halten.
Der Warthauser Kommandant Städele sagt, der Gemeinde stehe es gut zu Gesicht, mit positivem Beispiel vorangegangen zu sein. „Ich muss wirklich mein Lob und meine Anerkennung für die Verwaltung und den Gemeinderat aussprechen, dass sie den Feuerwehrleuten die Wertschätzung gezeigt haben.“Auch die Entschädigungen für den stellvertretenden Kommandanten, die Gerätewarte, Kassierer und andere Ämter wurden deutlich angehoben.
Warthausen bleibt die Ausnahme
Warthausen ist eine der ersten Gemeinden im Kreis, die die Empfehlungen umgesetzt haben. Viele andere Kommunen aber zieren sich noch. Denn hinter den veralteten Entschädigungen steht ein noch gravierenderes Problem: Das Feuerwehrgesetz schreibt vor, dass Gemeinden mit Teilorten nur eine Feuerwehr und einen Kommandanten haben dürfen.
In den Teilorten sind lediglich Abteilungen mit „Abteilungskommandanten“zulässig. Solange es keinen Gesamtkommandanten gibt, können aber auch die Bestimmungen der Entschädigungssatzung kaum angewendet werden.
Bislang haben viele Gemeinden, darunter auch Schemmerhofen und Attenweiler, weiterhin eigenständige Feuerwehren in ihren Teilorten. Die Zusammenlegung der Feuerwehr sei in Schemmerhofen „kein Thema“, erklärt Schemmerhofens Bürgermeister Mario Glaser auf SZ-Nachfrage.
Eine Zusammenlegung muss aber nicht automatisch das Ende für einen Standort bedeuten: „Die Angst der Teilortfeuerwehren vor einer Zusammenlegung ist in keiner Weise gerechtfertigt“, erklärt Berthold Rieger, Vorsitzender des Biberacher Kreisfeuerwehrverbands. Das Gesetz schreibt lediglich vor, dass die Leitung der Wehren in die Hände eines Oberkommandanten gegeben und die Teilortwehren zu Abteilungen werden.
Doch der Widerstand bei den betroffenen Feuerwehrleuten ist offenbar groß – und manchen Bürgermeistern das Eisen offenbar zu heiß. „Viele Bürgermeister scheuen sich davor, die rechtlichen Vorgaben umzusetzen, weil das zu einer gewissen Unruhe in der Gemeinde führen könnte“, sagt Berthold Rieger. „Doch solange das nicht geschieht, ist es auch schwer, die Empfehlungen für die Entschädigungen anzuwenden.“Rieger sieht das als ein „Versäumnis der Bürgermeister“. Sprich: Solange es keinen Gesamtkommandanten gibt, wird auch in Maselheim der Kommandant weiterhin nur 9,20 Euro erhalten.
In der Zukunft könnte das „zu einem Riesenproblem“werden, berichtet ein Kommandant, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Aufwand nehme zu, die Aufgaben für den Kommandanten ohnehin – die geringen Entschädigungen stünden in keinem Verhältnis mehr: „Zukünftig werden Feuerwehrleute wohl sagen, dafür machen wir den Quatsch nicht mehr mit.“Die Gemeinden bewegten sich im rechtlichen „Graubereich“.
In Maselheim hatte Bürgermeister Elmar Braun die Vorstellung von einem gemeinsamen Wappen und einem Gesamtkommandanten. „Wir hatten die Zusammenlegung überlegt, aber dafür keine Mehrheiten bekommen“, sagt Braun. Mit der Schaffung der Abteilungen sei dem Gesetz „Genüge getan“. Auf einen gemeinsamen Kommandanten aber, habe sich die Gemeinde bislang nicht einigen können. Zu groß sind die Sorgen und Vorbehalte bei den Verantwortlichen.
Rieger vom Kreisfeuerwehrverband kann die Sorgen seiner Kollegen nicht nachvollziehen. Manche befürchten offenbar, dass sie dadurch an Einfluss verlieren, glaubt er. „Das stimmt so aber nicht.“Viele Gemeinden hätten es so geregelt, dass im Brandfall in einem Teilort ohnehin der Abteilungskommandant den Einsatz leite. Rieger sieht dagegen klare Vorteile, die für eine Gesamtfeuerwehr sprechen: Die klaren Hierarchien, raschere Kommunikationswege, eine bessere Übersicht, zudem eine starke Gesamtwehr und Vorteile bei Zuschussanträgen.
Kritik an Stillhaltetaktik
Offenbar gibt es im Landkreis Biberach noch auffällig viele eigenständige Feuerwehren, als Überbleibsel der Zeit vor der Gemeindereform: 93 Feuerwehren mit 128 Einsatzabteilungen sind es insgesamt. Wobei die Zahlen nicht aussagen können, in welchen Gemeinden es einen Gesamtkommandanten gibt. „Es ist Angelegenheit der Städte und Gemeinden, die Vorgaben in ihrem Sinne und im Sinne des Gesetzes zu regeln. Als Rechtsaufsicht sehen wir derzeit keine Notwendigkeit, tätig zu werden“, erklärt Landratsamtssprecher Bernd Schwarzendorfer.
Und hinter den Kulissen gehen die Diskussionen und Gespräche weiter. Die Stillhaltetaktik mancher Bürgermeister kann Feuerwehrverbandschef Rieger nicht nachvollziehen. „Ich kann auch bei Rot über die Ampfel fahren, wenn es niemand sieht. Trotzdem ist es nicht zulässig.“