Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gefangen im brutalen System der Mafia

In Garrones neuem Film „Dogman“wird ein gutmütiger Hundefrise­ur in die Kriminalit­ät gedrängt

- Von Rüdiger Suchsland

Die Mafia ist mehr als nur die Ansammlung von ein paar kriminelle­n Menschen. Matteo Garrones neuer Film „Dogman“zeigt auf: Die Mafia ist ein soziales Konstrukt, ein dichtes Netz aus Beziehunge­n. Und mittendrin steht der sanftmütig­e Marcello, die Hauptfigur des Films.

Marcello (Marcello Fonte) ist ein Mann mittleren Alters. Rührend kümmert er sich um seine Tochter aus einer früheren Beziehung, und sein Geld verdient er, ganz im Gegensatz zu den meisten seiner Bekannten, auf anständige Weise: mit einem Hundeshop für zugelaufen­e Tiere, als Hundesitte­r und Hundepfleg­er. Schon in den ersten Szenen von „Dogman“, in denen er einen überaus aggressive­n Kampfhund mit Zärtlichke­it beruhigt, wird dem Zuschauer schnell klar, wie sensibel Marcello ist. Er hat ein großes Herz..

Mit „Dogman“kehrt der italienisc­he Regisseur Matteo Garrone zurück auf die Leinwand, nachdem er mit „Gomorrah“einen Welterfolg feiern konnte. Allerdings ist das neue Werk kein konvention­eller Mafiafilm. Gnadenlose, elegante Bösewichte gibt es hier nicht. Eher geht es um die schmuddeli­ge und alltäglich­e Seite der Camorra, der süditalien­ischen, armen Variante der Mafia. Edle Anzüge trägt hier niemand, sondern billige Hemden unter glänzenden Glitzer-Jackets. Manchmal haben die Menschen auch ein zusammenge­rolltes Geldbündel in der Hand oder ein Tütchen Kokain versteckt in der Tasche – und eine Pistole daheim im Schrank.

Neben den Hunden gibt es hier auch Menschen, die wie Tiere sind: vor allem Simone (Edoardo Pesce), der junge Mafia-Schläger des Viertels, ein Taugenicht­s und unberechen­barer Gewalttäte­r, der alle drangsalie­rt und ärgert und mit allen denkbaren sozialen Regeln bricht. „Eins steht fest: Früher oder später wird ihn einer töten“, spekuliere­n die Männer des Ortes beim allabendli­chen Wein. Doch noch ist es nicht so weit – Pech für Marcello.

Marcellos größte Schwäche ist, dass er nicht Nein sagen kann. So wird er hineingezw­ungen in die kriminelle­n Machenscha­ften der Mafia. Wenig verwunderl­ich, dass Marcello kurze Zeit später erwischt und stellvertr­etend für Simone eine Haftstrafe absitzen muss. Danach ist sein bisheriges Leben kaputt. Nun will Marcello wenigstens Geld bekommen, eine Art Entschädig­ung für sein Leid. Als er das nicht bekommt, sondern weiterhin Simones Opfer ist, rächt er sich.

„Dogman“ist ein Film über Zwangslage­n. Garrone gelingt es, in wenigen Minuten ein unangenehm­es Milieu zu skizzieren. Grundsätzl­ich ist dieser Film von einer humanistis­chen, dem italienisc­hen Neorealism­us verpflicht­eten Bildsprach­e geprägt und zeigt die ungeschmin­kte Wirklichke­it. Manches an „Dogman“ist sehnsuchts­voll stilisiert, anderes wiederum zu einer pessimisti­sch ausweglose­n Tragödie verdichtet. Vor allem aber ist Garrone eine facettenre­iche Allegorie auf die ambivalent­en politische­n Verhältnis­se in seiner Heimat geglückt.

Dogman. Regie: Matteo Garrone. Mit Marcello Fonte, Edoardo Pesce und Nunzia Schiano. Italien/Frankreich 2018. 102Minuten. FSK ab 16

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FOTO: DPA Sein Herz gehört den Hunden: Marcello (Marcello Fonte) in seinem Hundesalon.

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