Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der SSV Ulm und seine 160 Problemfans
Vor dem Pokal-Spiel gegen Düsseldorf richtet die Stadtverwaltung den Blick auf Hooligans
ULM - Ein Blick in den D-Block zeigt unter die Haut gestochene Gewaltbereitschaft: Auf einer Wade ist das Wappen des SSV Ulm eintätowiert. Daneben stehen die Buchstaben ACAB, ein Kürzel für den englischen Ausspruch „All Cops Are Bastards“– wörtlich „Alle Polizisten sind Bastarde“. Als Fan der Kategorie C und damit „gewaltsuchend“werden derartige Stadionbesucher eingeordnet.
Auf immerhin 85 Personen wird die Anzahl der potenziellen Gewalttäter in einem vorab veröffentlichen Papier der Ulmer Stadtverwaltung beziffert. Hinzu kommen 80 Personen der Kategorie A, die – vor allem unter Alkoholeinwirkung – als potenziell gewaltgeneigt gelten. Auch die Ulmer Stadträte haben sich im Bildungs- und Sportausschuss am Mittwoch mit dem Thema Problemfans befasst – knapp eine Woche, bevor sich in der zweiten DFB-Pokalrunde die Kicker des SSV gegen den Bundesligisten Fortuna Düsseldorf wieder in bundesweiter Aufmerksamkeit sonnen können. Anlass waren Anträge von mehreren Fraktionen im Ulmer Gemeinderat, die Einrichtung eines professionellen Fanprojekts zu prüfen.
157 Problemfans sind erfasst
Der Bedarf scheint vorhanden: In der Datenbank der Polizei sind 157 Personen als Problemfans erfasst. Bei der Polizei in Ulm und Neu-Ulm liegen demnach über einzelne Problemfans staatsschutzrelevante Erkenntnisse vor. Tatsachen, die auf eine Verknüpfung mit rechtsextremen Kreisen hindeuten, seien – mit Ausnahme des Tragens szenetypischer Kleidung – aber nicht bekannt. Konkret listet die Stadtverwaltung 21 Straftaten beziehungsweise Ordnungswidrigkeiten von Ulmer Fußballfans zwischen April 2015 und Mai dieses Jahres auf. Den unrühmlichen Höhepunkt lieferten 23 Ulmer Randalierer im Mai vor drei Jahren im Reutlinger Stadion mit massiven Ausschreitungen. Noch nicht abgeschlossen sind die Ermittlungen der Bundespolizei nach Fehltritten in Zügen von Stuttgart gen Ulm nach dem Sieg der Spatzen im württembergischen Pokalfinale im Mai dieses Jahres. Der Vorwurf: die Verwendung verfassungswidriger Symbole und Beleidigungen.
Nur ein SSV-Anhänger sei bisher allerdings mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt, ein weiterer hat ein regionales. Und der SSV Ulm hat „Fans“nicht nur aus Ulm: Rund 40 Prozent der Problemszene haben ihren Wohnsitz im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, also in Bayern. Nur etwa 40 Prozent wohnen im Stadtgebiet Ulm. Dies nimmt die Stadtverwaltung in der Beschlussvorlage zum Anlass, sich gegen die Einrichtung eines Fanprojekts auszusprechen. Eine ausreichend große Zielgruppe sei in Ulm nicht gegeben. „Das ist Quatsch“, kommentiert Vorstand Thomas Oelmayer auf Anfrage. „Wir können hier doch nicht an der Donau eine Grenze ziehen.“Oelmayer unterstützt im Gegensatz zur Stadtverwaltung die Einrichtung eines Fanprojekts. Erst kürzlich habe er sich mit Mitvorstand Anton Gugelfuß das Projekt des Zweitligisten 1. FC Heidenheim angeschaut.
Wie üblich ist auch hier das Projekt nicht beim Verein, sondern einem eigenen Träger angesiedelt. 180 000 Euro sei das Budget, wovon der DFB alleine die Hälfte trage, 25 Prozent trage das Land. Weitere 25 Prozent betrage der kommunale Anteil.
„Wir reden hier auch im Falle Ulm also nicht über wirklich hohe Summen“, sagt Oelmayer. Dem Ex-Landtagsabgeordneten ist klar, dass die wirklich gewaltsuchenden Hooligans mit so einem Projekt nicht zu erreichen seien. Doch mit dem Blick in die Zukunft sei es wichtig, dass der Nachwuchs sich nicht an derartigen Vorbildern orientiere. Die Einflussmöglichkeiten des derzeit ehrenamtlich tätigen Fanbeauftragten seien allzu begrenzt.
Spätestens der fulminante Heimsieg im Donaustadion vor rund 18 500 Zuschauern gegen den Pokal-Titelverteidiger Eintracht Frankfurt habe gezeigt, wie groß das Fan-Potenzial auch 16 Jahre nach dem Abstieg aus der Bundesliga noch ist. Ambitionen sind wieder da: „Wir wollen nicht ewig in der vierten Liga spielen“, formuliert Oelmayer vorsichtig. Zumindest die Dritte Liga sei erklärtes Ziel. Was danach komme, wisse niemand. Und eine „Vision“sei ein Stadionneubau. Für ein solches Multimillionenprojekt, das, wenn überhaupt, wohl im Ulmer Norden realisiert werde, brauche es jedoch den erklärten Willen aus der Welt der Wirtschaft. Auch die Ulmer Stadtverwaltung erkennt an, dass sich durch nachhaltige sportliche Erfolge und einen damit verbundenen signifikanten Zuwachs in der Ulmer Fanszene die Notwendigkeit zur Einrichtung eines Fanprojekts ergeben könne.