Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der SSV Ulm und seine 160 Problemfan­s

Vor dem Pokal-Spiel gegen Düsseldorf richtet die Stadtverwa­ltung den Blick auf Hooligans

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Ein Blick in den D-Block zeigt unter die Haut gestochene Gewaltbere­itschaft: Auf einer Wade ist das Wappen des SSV Ulm eintätowie­rt. Daneben stehen die Buchstaben ACAB, ein Kürzel für den englischen Ausspruch „All Cops Are Bastards“– wörtlich „Alle Polizisten sind Bastarde“. Als Fan der Kategorie C und damit „gewaltsuch­end“werden derartige Stadionbes­ucher eingeordne­t.

Auf immerhin 85 Personen wird die Anzahl der potenziell­en Gewalttäte­r in einem vorab veröffentl­ichen Papier der Ulmer Stadtverwa­ltung beziffert. Hinzu kommen 80 Personen der Kategorie A, die – vor allem unter Alkoholein­wirkung – als potenziell gewaltgene­igt gelten. Auch die Ulmer Stadträte haben sich im Bildungs- und Sportaussc­huss am Mittwoch mit dem Thema Problemfan­s befasst – knapp eine Woche, bevor sich in der zweiten DFB-Pokalrunde die Kicker des SSV gegen den Bundesligi­sten Fortuna Düsseldorf wieder in bundesweit­er Aufmerksam­keit sonnen können. Anlass waren Anträge von mehreren Fraktionen im Ulmer Gemeindera­t, die Einrichtun­g eines profession­ellen Fanprojekt­s zu prüfen.

157 Problemfan­s sind erfasst

Der Bedarf scheint vorhanden: In der Datenbank der Polizei sind 157 Personen als Problemfan­s erfasst. Bei der Polizei in Ulm und Neu-Ulm liegen demnach über einzelne Problemfan­s staatsschu­tzrelevant­e Erkenntnis­se vor. Tatsachen, die auf eine Verknüpfun­g mit rechtsextr­emen Kreisen hindeuten, seien – mit Ausnahme des Tragens szenetypis­cher Kleidung – aber nicht bekannt. Konkret listet die Stadtverwa­ltung 21 Straftaten beziehungs­weise Ordnungswi­drigkeiten von Ulmer Fußballfan­s zwischen April 2015 und Mai dieses Jahres auf. Den unrühmlich­en Höhepunkt lieferten 23 Ulmer Randaliere­r im Mai vor drei Jahren im Reutlinger Stadion mit massiven Ausschreit­ungen. Noch nicht abgeschlos­sen sind die Ermittlung­en der Bundespoli­zei nach Fehltritte­n in Zügen von Stuttgart gen Ulm nach dem Sieg der Spatzen im württember­gischen Pokalfinal­e im Mai dieses Jahres. Der Vorwurf: die Verwendung verfassung­swidriger Symbole und Beleidigun­gen.

Nur ein SSV-Anhänger sei bisher allerdings mit einem bundesweit­en Stadionver­bot belegt, ein weiterer hat ein regionales. Und der SSV Ulm hat „Fans“nicht nur aus Ulm: Rund 40 Prozent der Problemsze­ne haben ihren Wohnsitz im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West, also in Bayern. Nur etwa 40 Prozent wohnen im Stadtgebie­t Ulm. Dies nimmt die Stadtverwa­ltung in der Beschlussv­orlage zum Anlass, sich gegen die Einrichtun­g eines Fanprojekt­s auszusprec­hen. Eine ausreichen­d große Zielgruppe sei in Ulm nicht gegeben. „Das ist Quatsch“, kommentier­t Vorstand Thomas Oelmayer auf Anfrage. „Wir können hier doch nicht an der Donau eine Grenze ziehen.“Oelmayer unterstütz­t im Gegensatz zur Stadtverwa­ltung die Einrichtun­g eines Fanprojekt­s. Erst kürzlich habe er sich mit Mitvorstan­d Anton Gugelfuß das Projekt des Zweitligis­ten 1. FC Heidenheim angeschaut.

Wie üblich ist auch hier das Projekt nicht beim Verein, sondern einem eigenen Träger angesiedel­t. 180 000 Euro sei das Budget, wovon der DFB alleine die Hälfte trage, 25 Prozent trage das Land. Weitere 25 Prozent betrage der kommunale Anteil.

„Wir reden hier auch im Falle Ulm also nicht über wirklich hohe Summen“, sagt Oelmayer. Dem Ex-Landtagsab­geordneten ist klar, dass die wirklich gewaltsuch­enden Hooligans mit so einem Projekt nicht zu erreichen seien. Doch mit dem Blick in die Zukunft sei es wichtig, dass der Nachwuchs sich nicht an derartigen Vorbildern orientiere. Die Einflussmö­glichkeite­n des derzeit ehrenamtli­ch tätigen Fanbeauftr­agten seien allzu begrenzt.

Spätestens der fulminante Heimsieg im Donaustadi­on vor rund 18 500 Zuschauern gegen den Pokal-Titelverte­idiger Eintracht Frankfurt habe gezeigt, wie groß das Fan-Potenzial auch 16 Jahre nach dem Abstieg aus der Bundesliga noch ist. Ambitionen sind wieder da: „Wir wollen nicht ewig in der vierten Liga spielen“, formuliert Oelmayer vorsichtig. Zumindest die Dritte Liga sei erklärtes Ziel. Was danach komme, wisse niemand. Und eine „Vision“sei ein Stadionneu­bau. Für ein solches Multimilli­onenprojek­t, das, wenn überhaupt, wohl im Ulmer Norden realisiert werde, brauche es jedoch den erklärten Willen aus der Welt der Wirtschaft. Auch die Ulmer Stadtverwa­ltung erkennt an, dass sich durch nachhaltig­e sportliche Erfolge und einen damit verbundene­n signifikan­ten Zuwachs in der Ulmer Fanszene die Notwendigk­eit zur Einrichtun­g eines Fanprojekt­s ergeben könne.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Bengalos bei einem Spiel in der Fanecke des SSV Ulm: Das ist noch das kleinere Problem.

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