Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Humor contra Bilanz

Ungleiches Duell bei Vorstellun­g der Bürgermeis­terkandida­ten.

- Von Bruno Jungwirth

BAD BUCHAU - Eine ungewöhnli­che, wenn auch keine spannende Kandidaten­vorstellun­g zur Bürgermeis­terwahl in Bad Buchau haben die rund 150 Besucher im Kurzentrum erlebt. Während Amtsinhabe­r Peter Diesch in seiner eher nüchternen Rede vornehmlic­h Bilanz seiner 16-jährigen Amtszeit zog, blieb seine Gegenkandi­datin Alice Acker konkrete Aussagen ihrer Vorstellun­gen der Zukunft Bad Buchaus schuldig. Dafür sang sie zum Abschluss ihrer Rede noch ein Lied – und sorgte damit für Erheiterun­g.

Es war ein Abend der Gegensätze im Kurzentrum. Denn Diesch und Acker boten bei der Kandidaten­vorstellun­g ein absolutes Kontrastpr­ogramm: Hier der amtierende Bürgermeis­ter mit Anzug und Krawatte, da die Herausford­erin in der braunen Lederjacke und in Jeans; auf der einen Seite der Amtsinhabe­r, der in der Stadt aufgewachs­en ist, und der von den Besuchern bei den Fragen geduzt wurde, da eine Frau von außen, die den Abend als eine Art Speeddatin­g bezeichnet­e: „Mich kennt im Ort keiner, ich kenne im Ort keinen“– und nun habe sie 20 Minuten Zeit das zu ändern. Auch inhaltlich lagen sie weit auseinande­r, weil Alice Acker zu aktuellen Themen keine Stellung bezog.

Diesch: Prima entwickelt

Diesch zog in seiner 20-minütigen Rede Bilanz seiner Amtszeit. Er spannte den Bogen von den Kindergärt­en über Schulen bis hin zur wirtschaft­lichen Lage. Die Situation bei den Kindergärt­en nannte er eine „Erfolgsges­chichte“. Aufgrund des Platzmange­ls denke man über einen Anbau nach, so Diesch. Positiv vermerkte er, dass die Geburten- und Einwohnerz­ahlen ansteigen: „Buchau scheint wieder ein interessan­ter Wohnstando­rt für junge Familien zu sein.“Für die älteren Menschen wird das neue Marienheim vorangetri­eben. In zwei Jahren soll das Pflegeheim eröffnet werden.

Die Federseesc­hule und das Progymnasi­um sieht der 58-Jährige auf dem richtigen Weg. Zudem seien zahlreiche Sport- und Freizeitei­nrichtunge­n saniert oder neu gebaut worden. „Was uns jetzt noch fehlt ist eine Dreifelder-Sport- und Mehrzweckh­alle.“Aber das sei noch eine Vision, die Umsetzung hänge von den Finanzen ab.

Bei den Finanzen sieht er die Stadt im Prinzip gut aufgestell­t, der Kernhausha­lt sei schuldenfr­ei. Wirtschaft­lich habe Bad Buchau sich dank der beiden großen Arbeitgebe­r – Kessler und das Moorheilba­d – positiv entwickelt. Als problemati­sch bewertete er die Situation im Einzelhand­el, mit dem Ladenleers­tand in der Stadt. „Aber Kommunalpo­litik kann nur Rahmenbedi­ngungen gestalten und hat wenig Einfluss auf völlig veränderte­s Kundenverh­alten.“

Absolut spitze sei Bad Buchau beim Thema Tourismus, so der gelernte Betriebswi­rtschaftle­r und Touristike­r. Sorgen machen ihm allerdings die Besucherza­hlen beim Federseemu­seum. Trotz hoher Besucherfr­equenz gerade am Federseest­eg profitiert das Museum nicht. Auch das Nabu-Zentrum sei in die Jahre gekommen. Die Überlegung­en, die Tourist-Info, das Museum, das Nabu-Zentrum und den Steg in einer „Erlebniswe­lt Federsee“zusammenzu­führen, bezeichnet­e er als „Chance gegenseiti­g von den Besucherfr­equenzen zu profitiere­n“. Dies Vision stoße im Kreis als auch beim Tourismusm­inister auf Zustimmung.

Nur kurz riss der 58-Jährige noch anstehende Aufgaben an: Dabei nannte er an erster Stelle die Stadtsanie­rung: „Was passiert mit dem WLZ/ Baywa-Gelände, mit der Neugestalt­ung des Schlosspla­tzes sowie dem Umbau der Malzfabrik durch einen Privatinve­stor?“Weitere Aufgaben sieht er unter anderem in der Sanierung des Moosburger Fußwegs sowie in der Optimierun­g des ÖPNV-Angebots. Ein Megathema der Zukunft der die Breitbandv­ersorgung.

„Die Stadt hat sich prima entwickelt – und ich möchte dazu beitragen, dass dies auch so bleibt“, betonte Diesch, der sich als „Teamplayer“bezeichnet­e. Aber so ganz wollte er seine Rolle nicht unter den Teppich kehren: Er engagiere sich ehrenamtli­ch – etwa im Kreistag, im Landesvors­tand des Gemeindeta­gs und als Vizepräsid­ent des baden-württember­gischen Heilbäderv­erbands.

Anschließe­nd hatten die Besucher noch zehn Minuten Zeit Fragen zu stellen. Zwei Fragen zielten auf fehlende Radwege in der Stadt und die schlechte Verbindung nach Bad Schussenri­ed ab. Ersteres sei „kein einfaches Problem“, da dafür der Platz fehle. Den Radweg nach Schussenri­ed wertete er allerdings, abgesehen von einer Problemlag­e bei Sattenbeur­en, als nicht so schlecht.

Auch wurde er auf den inzwischen geänderten Vertrag mit dem Altertumsv­erein angesproch­en. Der ursprüngli­che Vertrag hatte eine unbeschrän­kte Ausfallbür­gschaft für Museums-Defizite beinhaltet. „Von einem Verdacht der Untreue“sei da zu sprechen, so ein Bürger. Zwar sei der Vertrag noch unter dem Vorgänger geschlosse­n, aber lange Jahre unter Diesch sei es ebenfalls so praktizier­t worden. Diesch verwies darauf, dass den Räten lange Zeit nicht bewusst gewesen sei, dass dies kein ganz legaler Vorgang war. „Aber der Umstand ist geändert und bereinigt.“

Alles andere als gewöhnlich

„Ich bin alles andere, nur nicht gewöhnlich“, hatte die Gegenkandi­datin Alice Acker bereits im Vorfeld angekündig­t. Und in ihrer Vorstellun­g vor den Buchauer Bürgern belegte sie diese Aussage. Sehr unkonventi­onell gestaltete sie ihre Ansprache. Weil die Zeit knapp war, sprach sie im Staccato oder – wie sie es nannte – im Whatsapp-Stil. Das hörte sich dann ungefähr so an: „Wo komm ich her – Unternehme­rfamilie –Textil – Mein Urgroßvate­r, ein schwäbisch­es Cleverle. Er war Ehrenbürge­r der Stadt – Stolz!“

Die 52-jährige EDV-Verantwort­liche im Burladinge­r Rathaus beschrieb ihre Familienwu­rzeln und ihren Werdegang. Weil ihre Familie in der Textilbran­che tätig war, hat sie Bekleidung­stechnik an der FH Sigmaringe­n mit Abschluss Diplom-Ingenieuri­n studiert. Später wurde dies um eine kaufmännis­che Ausbildung ergänzt: „Ich kann Bilanzen lesen“, so Acker. In einem Unternehme­n hat sie als EDV-Leiterin gearbeitet, ehe sie, des kurzen Arbeitsweg­s wegen, ans Rathaus in Burladinge­n wechselte.

Dort sei sie unzufriede­n mit ihrem Bürgermeis­ter, weil dies der 1. AfDBürgerm­eister sei. Was sie dagegen machen könne? „Ich könnte Bürgermeis­terin in Burladinge­n werden – coole Idee“, beschrieb sie ihre Gedankenwe­lt. Aber dafür müsste sie noch fünf Jahre warten. Warum also Bad Buchau? „Mir gefällt die Stadt – schönes Flair. Die suchen einen Bürgermeis­ter – cool!“.

In Gesprächen mit Menschen im Ort seien ihr Problem genannt worden, so Acker. „Kein Jugendzent­rum, schleppend­e Geschäfte der Händler, Angst vor Überfremdu­ng“. Das sei auch ihre Herangehen­sweise: Die Menschen vor Ort fragen und dann diese Themen aufgreifen. Sie wolle Bürgermeis­terin mit Herz und Verstand werden – Bürgermeis­teramt als Berufung für die Bürger. Sie sei mit der Schaffensk­raft ihres Urgroßvate­rs ausgestatt­et, betonte sie. Zum Abschluss hatte sie noch ein Lied parat und sang vor den rund 150 Besuchern ihr Credo: „Sollte morgen die Welt untergeh’n, pflanzte heute noch ein Bäumchen ein. Bezahl’ die Schulden, wo sie bestehen und wollt mit Gott und der Welt im Reinen sein.“

In der Fragerunde versuchten Besucher Konkretere­s zu erfahren. „Wie stellen sie sich die Arbeit im Rathaus vor, haben Sie den Haushaltsp­lan studiert?“, fragte einer. Nein, habe sie nicht. „Ich weiß ja nicht, ob ich gewählt werde“, sagte sie. „Wie wollen sie die Stadt weiterentw­ickeln?“, so eine weitere Frage. Sie wolle von außen nichts aufdrücken. „Sie haben sich nicht mit dem Amt des Bürgermeis­ters befasst, Sie wissen gar nicht um was es geht“, warf ihr daraufhin ein Bürger vor.

Gegen 20.15 Uhr wurde die offizielle Kandidaten­vorstellun­g durch Gemeinderä­tin Angelika Lipke beendet. Danach hatten die Bürger noch im Foyer Gelegenhei­t mit den Kandidaten zu sprechen. Und am 4. November haben sie dann die Wahl.

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FOTO: KLAUS WEISS
 ?? FOTO: KLAUS WEISS BAD BUCHAU ?? Stellten sich den Buchauer Bürgern vor: Alice Acker und Peter Diesch.
FOTO: KLAUS WEISS BAD BUCHAU Stellten sich den Buchauer Bürgern vor: Alice Acker und Peter Diesch.
 ?? FOTO: KLAUS WEISS ?? Aufmerksam lauschten die Besucher den Reden.
FOTO: KLAUS WEISS Aufmerksam lauschten die Besucher den Reden.
 ?? FOTO: KLAUS WEISS ?? Singende Herausford­erin: Alice Acker
FOTO: KLAUS WEISS Singende Herausford­erin: Alice Acker
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FOTO: KLAUS WEISS Amtsinhabe­r Peter Diesch

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