Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Humor contra Bilanz
Ungleiches Duell bei Vorstellung der Bürgermeisterkandidaten.
BAD BUCHAU - Eine ungewöhnliche, wenn auch keine spannende Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl in Bad Buchau haben die rund 150 Besucher im Kurzentrum erlebt. Während Amtsinhaber Peter Diesch in seiner eher nüchternen Rede vornehmlich Bilanz seiner 16-jährigen Amtszeit zog, blieb seine Gegenkandidatin Alice Acker konkrete Aussagen ihrer Vorstellungen der Zukunft Bad Buchaus schuldig. Dafür sang sie zum Abschluss ihrer Rede noch ein Lied – und sorgte damit für Erheiterung.
Es war ein Abend der Gegensätze im Kurzentrum. Denn Diesch und Acker boten bei der Kandidatenvorstellung ein absolutes Kontrastprogramm: Hier der amtierende Bürgermeister mit Anzug und Krawatte, da die Herausforderin in der braunen Lederjacke und in Jeans; auf der einen Seite der Amtsinhaber, der in der Stadt aufgewachsen ist, und der von den Besuchern bei den Fragen geduzt wurde, da eine Frau von außen, die den Abend als eine Art Speeddating bezeichnete: „Mich kennt im Ort keiner, ich kenne im Ort keinen“– und nun habe sie 20 Minuten Zeit das zu ändern. Auch inhaltlich lagen sie weit auseinander, weil Alice Acker zu aktuellen Themen keine Stellung bezog.
Diesch: Prima entwickelt
Diesch zog in seiner 20-minütigen Rede Bilanz seiner Amtszeit. Er spannte den Bogen von den Kindergärten über Schulen bis hin zur wirtschaftlichen Lage. Die Situation bei den Kindergärten nannte er eine „Erfolgsgeschichte“. Aufgrund des Platzmangels denke man über einen Anbau nach, so Diesch. Positiv vermerkte er, dass die Geburten- und Einwohnerzahlen ansteigen: „Buchau scheint wieder ein interessanter Wohnstandort für junge Familien zu sein.“Für die älteren Menschen wird das neue Marienheim vorangetrieben. In zwei Jahren soll das Pflegeheim eröffnet werden.
Die Federseeschule und das Progymnasium sieht der 58-Jährige auf dem richtigen Weg. Zudem seien zahlreiche Sport- und Freizeiteinrichtungen saniert oder neu gebaut worden. „Was uns jetzt noch fehlt ist eine Dreifelder-Sport- und Mehrzweckhalle.“Aber das sei noch eine Vision, die Umsetzung hänge von den Finanzen ab.
Bei den Finanzen sieht er die Stadt im Prinzip gut aufgestellt, der Kernhaushalt sei schuldenfrei. Wirtschaftlich habe Bad Buchau sich dank der beiden großen Arbeitgeber – Kessler und das Moorheilbad – positiv entwickelt. Als problematisch bewertete er die Situation im Einzelhandel, mit dem Ladenleerstand in der Stadt. „Aber Kommunalpolitik kann nur Rahmenbedingungen gestalten und hat wenig Einfluss auf völlig verändertes Kundenverhalten.“
Absolut spitze sei Bad Buchau beim Thema Tourismus, so der gelernte Betriebswirtschaftler und Touristiker. Sorgen machen ihm allerdings die Besucherzahlen beim Federseemuseum. Trotz hoher Besucherfrequenz gerade am Federseesteg profitiert das Museum nicht. Auch das Nabu-Zentrum sei in die Jahre gekommen. Die Überlegungen, die Tourist-Info, das Museum, das Nabu-Zentrum und den Steg in einer „Erlebniswelt Federsee“zusammenzuführen, bezeichnete er als „Chance gegenseitig von den Besucherfrequenzen zu profitieren“. Dies Vision stoße im Kreis als auch beim Tourismusminister auf Zustimmung.
Nur kurz riss der 58-Jährige noch anstehende Aufgaben an: Dabei nannte er an erster Stelle die Stadtsanierung: „Was passiert mit dem WLZ/ Baywa-Gelände, mit der Neugestaltung des Schlossplatzes sowie dem Umbau der Malzfabrik durch einen Privatinvestor?“Weitere Aufgaben sieht er unter anderem in der Sanierung des Moosburger Fußwegs sowie in der Optimierung des ÖPNV-Angebots. Ein Megathema der Zukunft der die Breitbandversorgung.
„Die Stadt hat sich prima entwickelt – und ich möchte dazu beitragen, dass dies auch so bleibt“, betonte Diesch, der sich als „Teamplayer“bezeichnete. Aber so ganz wollte er seine Rolle nicht unter den Teppich kehren: Er engagiere sich ehrenamtlich – etwa im Kreistag, im Landesvorstand des Gemeindetags und als Vizepräsident des baden-württembergischen Heilbäderverbands.
Anschließend hatten die Besucher noch zehn Minuten Zeit Fragen zu stellen. Zwei Fragen zielten auf fehlende Radwege in der Stadt und die schlechte Verbindung nach Bad Schussenried ab. Ersteres sei „kein einfaches Problem“, da dafür der Platz fehle. Den Radweg nach Schussenried wertete er allerdings, abgesehen von einer Problemlage bei Sattenbeuren, als nicht so schlecht.
Auch wurde er auf den inzwischen geänderten Vertrag mit dem Altertumsverein angesprochen. Der ursprüngliche Vertrag hatte eine unbeschränkte Ausfallbürgschaft für Museums-Defizite beinhaltet. „Von einem Verdacht der Untreue“sei da zu sprechen, so ein Bürger. Zwar sei der Vertrag noch unter dem Vorgänger geschlossen, aber lange Jahre unter Diesch sei es ebenfalls so praktiziert worden. Diesch verwies darauf, dass den Räten lange Zeit nicht bewusst gewesen sei, dass dies kein ganz legaler Vorgang war. „Aber der Umstand ist geändert und bereinigt.“
Alles andere als gewöhnlich
„Ich bin alles andere, nur nicht gewöhnlich“, hatte die Gegenkandidatin Alice Acker bereits im Vorfeld angekündigt. Und in ihrer Vorstellung vor den Buchauer Bürgern belegte sie diese Aussage. Sehr unkonventionell gestaltete sie ihre Ansprache. Weil die Zeit knapp war, sprach sie im Staccato oder – wie sie es nannte – im Whatsapp-Stil. Das hörte sich dann ungefähr so an: „Wo komm ich her – Unternehmerfamilie –Textil – Mein Urgroßvater, ein schwäbisches Cleverle. Er war Ehrenbürger der Stadt – Stolz!“
Die 52-jährige EDV-Verantwortliche im Burladinger Rathaus beschrieb ihre Familienwurzeln und ihren Werdegang. Weil ihre Familie in der Textilbranche tätig war, hat sie Bekleidungstechnik an der FH Sigmaringen mit Abschluss Diplom-Ingenieurin studiert. Später wurde dies um eine kaufmännische Ausbildung ergänzt: „Ich kann Bilanzen lesen“, so Acker. In einem Unternehmen hat sie als EDV-Leiterin gearbeitet, ehe sie, des kurzen Arbeitswegs wegen, ans Rathaus in Burladingen wechselte.
Dort sei sie unzufrieden mit ihrem Bürgermeister, weil dies der 1. AfDBürgermeister sei. Was sie dagegen machen könne? „Ich könnte Bürgermeisterin in Burladingen werden – coole Idee“, beschrieb sie ihre Gedankenwelt. Aber dafür müsste sie noch fünf Jahre warten. Warum also Bad Buchau? „Mir gefällt die Stadt – schönes Flair. Die suchen einen Bürgermeister – cool!“.
In Gesprächen mit Menschen im Ort seien ihr Problem genannt worden, so Acker. „Kein Jugendzentrum, schleppende Geschäfte der Händler, Angst vor Überfremdung“. Das sei auch ihre Herangehensweise: Die Menschen vor Ort fragen und dann diese Themen aufgreifen. Sie wolle Bürgermeisterin mit Herz und Verstand werden – Bürgermeisteramt als Berufung für die Bürger. Sie sei mit der Schaffenskraft ihres Urgroßvaters ausgestattet, betonte sie. Zum Abschluss hatte sie noch ein Lied parat und sang vor den rund 150 Besuchern ihr Credo: „Sollte morgen die Welt untergeh’n, pflanzte heute noch ein Bäumchen ein. Bezahl’ die Schulden, wo sie bestehen und wollt mit Gott und der Welt im Reinen sein.“
In der Fragerunde versuchten Besucher Konkreteres zu erfahren. „Wie stellen sie sich die Arbeit im Rathaus vor, haben Sie den Haushaltsplan studiert?“, fragte einer. Nein, habe sie nicht. „Ich weiß ja nicht, ob ich gewählt werde“, sagte sie. „Wie wollen sie die Stadt weiterentwickeln?“, so eine weitere Frage. Sie wolle von außen nichts aufdrücken. „Sie haben sich nicht mit dem Amt des Bürgermeisters befasst, Sie wissen gar nicht um was es geht“, warf ihr daraufhin ein Bürger vor.
Gegen 20.15 Uhr wurde die offizielle Kandidatenvorstellung durch Gemeinderätin Angelika Lipke beendet. Danach hatten die Bürger noch im Foyer Gelegenheit mit den Kandidaten zu sprechen. Und am 4. November haben sie dann die Wahl.