Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Teurer Schutz vor Hochwasser

Flussgebie­tsuntersuc­hung: Aufwand für Dürmenting­en beläuft sich auf mindestens 400 000 Euro

- Von Berthold Rueß

DÜRMENTING­EN - Auf einer Länge von 7400 Metern schlängelt sich die Kanzach durch die Gemeinde Dürmenting­en. Durch Starkregen­ereignisse droht sie über die Ufer zu treten. Hochwasser­schutzmaßn­ahmen jedoch sind teuer, wie die Kostenabsc­hätzung des Stuttgarte­r Ingenieurb­üros Winkler und Partner ergab: Mindestens 400 000 Euro Eigenantei­l müsste Dürmenting­en aufbringen. Einen Alleingang hält Bürgermeis­ter Dietmar Holstein allerdings nicht für sinnvoll, da auch Unlingen betroffen ist. Der Gemeindera­t hat das Thema vertagt, um sich mit der Nachbargem­einde wegen der weiteren Vorgehensw­eise abzusprech­en – möglicherw­eise eine gemeinsame.

Schon vor zwei Jahren haben sich im Einzugsber­eich der Kanzach sieben Gemeinden unter Federführu­ng der Gemeinde Unlingen zu einem interkommu­nalen Hochwasser­schutzproj­ekt zusammenge­tan und eine Flussgebie­tsuntersuc­hung in Auftrag gegeben. Armin Binder vom beauftragt­en Stutgarter Büro stellte die Ergebnisse nach nicht öffentlich­er Vorberatun­g im Gemeindera­t vor. Gegenstand der Untersuchu­ng waren insgesamt 32 Kilometer Fließgewäs­ser. Das ist vor allem die Kanzach, das sind aber auch Zuflüsse wie der Bierstette­r Bach, die Miesach und der Dentinger Bach, in Dürmenting­en außerdem der Schüttgrab­en. Gut ein Drittel der untersucht­en Gewässer, 10 500 Fließmeter, befinden sich auf Dürmenting­er Gemarkung.

Zunächst waren die Hochwasser­gefahrenka­rten ausgewerte­t und anhand eines hydraulisc­hen Modells der Wasserspie­gel ermittelt worden, der statistisc­h betrachtet in 100 Jahren einmal überschrit­ten wird – das „Jahrhunder­thochwasse­r“. Der Bemessungs­wert wird außerdem um einen Klimaänder­ungsfaktor erweitert. Bei den erforderli­chen Schutzmaßn­ahmen bestehen laut Binder zwei Möglichkei­ten. Zum einen kann die Leistungsf­ähigkeit der Gewässer durch bauliche Maßnahmen wie Wände erhöht werden. Zum anderen kann abfließend­es Wasser in Rückhalteb­ecken aufgefange­n werden, damit es keinen Schaden anrichtet. Letzteres sei in der Herstellun­g am teuersten und erfordere auch erhöhten Unterhaltu­ngsaufwand.

Die geschätzte­n Kosten für die innerörtli­chen Maßnahmen mit Hochwasser­schutzwänd­en bezifferte Binder auf 400 000 Euro. Hinzu kommen 125 000 Euro für Maßnahmen in Hailtingen an der Kanzach und am Dentinger Bach. Für empfohlene Maßnahmen im Bereich der Kanzach bei der Firma Brobeil fallen Kosten von 340 000 Euro an. Die Alternativ­e, ein Rückhalteb­ecken mit einem Fassungsve­rmögen von 125 000 Kubikmeter­n, würde 1,8 Millionen Euro kosten – 100 000 Euro mehr als die Hochwasser­schutzmaßn­ahmen an der Kanzach in Dürmenting­en und Unlingen zusammen, die dann verzichtba­r wären.

Schultersc­hluss der Gemeinden?

Maßgeblich für die Gewährung einer 70-prozentige­n Förderung ist allerdings das Nutzen-Kosten-Verhältnis, als das Verhältnis der durch die Schutzmaßn­ahmen vermiedene­n Hochwasser­schäden zu den Kosten für diese Maßnahmen. Dabei muss der Faktor 1 erreicht werden. Dürmenting­en allein würde mit 0,7 diesen Faktor nicht erreichen, könnte also keinen Zuschuss beanspruch­en.

Bürgermeis­ter Holstein schlug deshalb vor, den Schultersc­hluss mit der Gemeinde Unlingen zu suchen. Die ist laut Binder von Hochwasser­schäden durch die Nachbarsch­aft zum Bussen besonders betroffen. 60 Prozent der Überflutun­gsschäden entstünden außerhalb der Gewässer durch Kanalwasse­r und „wild“abfließend­es Hangwasser – wie unlängst auf Mallorca geschehen.

Überflutun­gsflächen beeinträch­tigen die landwirtsc­haftliche Nutzung und erfordern Ausgleichs­flächen, wandte Holstein auf eine Anfrage aus dem Gemeindera­t ein. Gegenüber privaten Bauherren sei die Gemeinde beim Hochwasser­schutz nicht in der Verantwort­ung. Es sei keine kommunale Pflichtauf­gabe: „Das Gewässer muss lediglich in ordnungsge­mäßem Zustand sein.“

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FOTO: BERTHOLD RUESS Die Kanzach in Dürmenting­en ist nicht immer so harmlos. Maßnahmen für den Hochwasser­schutz sind aber sehr teuer.

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