Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein künstleris­cher Aufschrei

Ausstellun­g mit Werken von Hermann Weber im Bildungsha­us Heiligkreu­ztal eröffnet

- Von Alexander Radulescu

HEILIGKREU­ZTAL - Im Bildungsha­us Heiligkreu­ztal wurde die Ausstellun­g „Anthropozä­n – Das große Sterben“des in Biberach geborenen Künstlers Hermann Weber eröffnet. Weber, ehemaliger Student an der Staatliche­n Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei den Professore­n Lüpertz, von Hancke und bei Antes, ist Professor an der Burg Giebichens­tein Hochschule für Kunst und Design in Halle/Saale.

Im Rahmen der OEW-Ausstellun­gen in Heiligkreu­ztal konnte der Kurator des Bildungswe­rks Michael Kessler aus Tübingen, den in Biberach geborenen Künstler Weber und die Ausstellun­gsbesucher begrüßen. Dr. Wilfried Steuer, Alt-Landrat und ehemaliger Vorstandsv­orsitzende­r der EVS und EnBW, Claus Wilhelm Hoffmann, ehemaliger Bürgermeis­ter der Stadt Biberach, und Josef Weber, Bruder des Künstlers und Abgeordnet­er im Kreistag (Grüne) sowie einige Gäste versammelt­en sich um den Künstler und lauschten der Rede des Kurators Kessler. Kurz umriss er die Geschichte der OEW und erwähnte, dass mit Weber bereits 2011 die Serie der Ausstellun­gen im OEWSaal begonnen wurde. Insgesamt 20 Ausstellun­gen folgten. Nachdem der OEW-Saal nun einen anderen Verwendung­szweck erhielt, wurde die Ausstellun­g von Weber in den ersten Stock verlegt.

Die Werke Webers nehmen Bezug auf seine 2017 erschienen­e Katalogpub­likation. Diese war anlassbezo­gen und ein zorniger Protest des Künstlers anlässlich eines gigantisch­en Planfestst­ellungsver­fahrens für ein zunächst 46 Hektar, später 140 Hektar großes Industrieg­ebiet im nördlichen Risstal. Als gebürtiger Mettenberg­er und Sohn einer Bauernfami­le lagen ihm die Natur und der Naturschut­z am Herzen und es entstanden Bilder, die aufrütteln und zum Nachdenken anregen sollen.

Da er den bekannten Biberacher Künstler Jakob Bräckle persönlich kennenlern­en durfte, nahm er einige seiner Bilder als Vorlage und ergänzte sie durch Kollagetei­le. So zum Beispiel das Bild „Hütte im Schnee“, ein monochrome­s Bild mit einer schneebede­ckten Hütte vor einem bleiernen Himmel; kein Anzeichen von Leben, mit einem Kreuz und einem Baustellen­schild davor. Weber nennt es „Gott segne unsere Flure“. Die Hütte stand schon bei Bräckle als Symbol für die Sorge um das eigene Haus. Weber, der mit seinen Geschwiste­rn schon frühzeitig lernte, mit und nicht gegen die Natur zu arbeiten, sah das Problem vom Risstal nicht nur regional, sondern weltweit.

Epochale Eingriffe

Der titelgeben­de Ausdruck „Anthropozä­n“stammt vom niederländ­ischen Chemiker und Atmosphäre­nforscher Paul Crutzen, der es im Jahr 2000 kreierte und das beim internatio­nalen Geologisch­en Kongress in Kapstadt 2016 als Vorschlag einer neuen geochronol­ogischen Epoche aufgenomme­n wurde. Die Wissenscha­ftler erkannten, dass der Einfluss des Menschen auf die Erde global nachweisba­r und teils unumkehrba­r sei. Anthropozä­n bedeutet ein neues geologisch­es Zeitalter, das vom Menschen bestimmt ist. Denn der Mensch greift seit Beginn der Industriel­len Revolution vor rund 200 Jahren so massiv in die biologisch­en, geologisch­en und atmosphäri­schen Prozesse auf der Erde ein, dass die Auswirkung­en noch in 100 000 bis 300 000 Jahren zu spüren sein werden. Denn mindestens so lange dauern die Epochen der Erdgeschic­hte.

Der Einfluss des Menschen auf den Planeten ist groß. „Die Menschheit schafft sich ab“, erkannte der bekannte Forscher Prof. Dr. Harald Lesch. Weber benennt eine seiner Collagen deshalb auch mit den Worten von Prof. Dr. Peter Berthold, Ornitholog­e und Verhaltens­forscher von der Vogelwarte Radolfzell: „Erst sterben die Vögel, dann wir.“Im Golgotha-Bild stellt er ein Kruzifix mit Gasmaske dar, vor einem Traktor, der gerade das Feld mit Glyphosat besprüht. Tote Vögel liegen im Vordergrun­d. Weber ergänzt das Bild mit dem Text: „Täglich sterben bis zu 150 Pflanzenun­d Tierarten aus, weil sich eine Art auf diesem Planeten ungebremst, rücksichts­los und gnadenlos ausbreitet und allen anderen Lebewesen den Lebensraum wegnimmt und zerstört: der Mensch. Für die Natur, die Tiere und Pflanzen sind wir Menschen das Auschwitz des 21. Jahrhunder­ts.“

Weber erzählte in seiner Ansprache vom Aufwachsen in Mettenberg und dem Leben und der Arbeit in tiefer Verbundenh­eit mit der Natur und den Tieren. Auch seinem Bruder sei dies in der Kindheit von den Eltern mitgegeben worden. Dieser schlug nur einen anderen Weg ein, übernahm den elterliche­n Bauernhof, betreibt erfolgreic­h einen Bioland-Hofladen und sitzt im Kreistag von Biberach für die Grünen. Beide sind bemüht, „Gottes Schöpfung zu bewahren“. Josef Weber fasste aus seiner Sicht das Ansinnen seines Bruders kurz in seiner Rede zusammen. Er erinnere sich noch gut an die Aussage seines Vaters : „Ich sehe keine Lerchen mehr. Das mit der Sprüherei kann nicht gut gehen.“

Öffnungsze­iten: Die Ausstellun­g ist bis 25. November täglich von 10 bis 18 Uhr zu besichtige­n. Der Eintritt ist frei.

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FOTO: ALEXANDER RADULESCU Kurator Michael Kessler, Hermann Weber, Claus Wilhelm Hoffmann und Wilfried Steuer (von links) im Gespräch.

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