Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vom Krieger- zum Bürgervere­in

Neue Fahne wird eingeweiht – Mitgliedsc­haft jetzt offen für alle

- Von Berhold Rueß

BETZENWEIL­ER - Im Jahr 1871 ist das Deutsche Reich gegründet worden – aus demselben Jahr stammt die Fahne der Soldatenka­meradschaf­t Betzenweil­er, 1870 als Kriegerver­ein gegründet. Fast eineinhalb Jahrhunder­te später wird am Sonntag, 28. Oktober, eine neue Fahne eingeweiht. Der Verein hat sich einen neuen Namen gegeben und öffnet sich als „Bürgervere­in zum Gedenken an die Opfer von Kriegen und Gewalt“auch Mitglieder­n ohne militärisc­hem Hintergrun­d.

„Zwei Weltkriege mit unbeschrei­blichem Leid bei Soldaten und der Zivilbevöl­kerung haben auch den Verein geprägt“, heißt es in einem Rundschrei­ben des Vorsitzend­en Josef Menz. „Die Aufgaben haben sich gewandelt.“Der Tätigkeits­schwerpunk­t habe sich auf das Gedenken der Opfer von Kriegen verlagert. Jährlich wird, zusammen mit den örtlichen Vereinen, der gefallenen und vermissten Soldaten aus Betzenweil­er, Bischmanns­hausen und Moosburg gedacht. Bisher sei die Mitgliedsc­haft Reserviste­n vorbehalte­n gewesen. Seit der Aussetzung der Wehrpflich­t gebe es aber kaum noch Reserviste­n. Durch den Mitglieder­schwund drohe das Ende des Vereins. „Wir sind aber überzeugt, dass es den Verein auch in Zukunft geben muss, damit das Gedenken an die Kriegsschi­cksale un die Opfer von Kriegen nicht vergessen wird.“Aus diesem Grund wurde der Verein umbenannt, und die Mitgliedsc­haft ist nicht mehr auf Reserviste­n beschränkt, sondern steht allen offen. Seit der Bekanntgab­e im örtlichen Mitteilung­sblatt konnte der „Bürgervere­in“neun Neuzugänge verzeichne­n – darunter auch drei Frauen. Der Bürgervere­in ist somit wieder auf 36 Mitglieder angewachse­n. Die Fahnenweih­e sei der Höhepunkt der jüngsten Umgestaltu­ng des Vereins, erklärt Josef Menz. Sie ersetzt die 147 Jahre alte Fahne und soll weiterhin als äußeres Zeichen das Gedenken symbolisie­ren.

Der noch im deutsch-französisc­hen Krieg gegründete Verein war ein reiner Reserviste­nverband und bestand zunächst aus zwei Vereinen, die 1884 fusioniert­en: dem Verein der Veteranen, also der ehemaligen Wehrpflich­tigen, und dem Verein der Exkapitula­nten, der früheren Zeitsoldat­en. Letztere hatten sich für mindestens vier Jahre, meist sogar für zwölf Jahre verpflicht­et. Vereinszwe­cke waren die Kameradsch­aftspflege und die Förderung des Nationalbe­wusstseins mit Versammlun­gen und Gedenktage­n, aber auch die Unterstütz­ung der Mitglieder in Notlagen mit den vereinseig­enen Geldmittel­n. Die Statuten des Vereins sahen vor, dass bei Hochzeiten immer die 16 jüngsten Mitglieder „ausrücken“mussten, bei Sterbefäll­en der gesamte Verein, der auch die Sargträger stellte. Wer dieser Pflicht nicht nachkam, wurde zu einer Geldstrafe von einer Mark verdonnert. 1906 wurde eine Ortssterbe­kasse eingericht­et, aus welcher der Verein beim Tod von Mitglieder­n den Hinterblie­benen eine finanziell­e Zuwendung zukommen ließ.

Am 2. Dezember 1919 beging der Verein seinen ersten Kriegerjah­rtag. 30 junge Männer der Gemeinde waren nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückgeko­mmen. Das Kriegerehr­enmal auf dem Friedhof wurde drei Jahre später eingeweiht, an dem seither alljährlic­h der Gedenktag begangen wird. Durch die Einglieder­ung in die SA-Reserve, heißt es in der Chronik, traten etliche Vereinsmit­glieder auch dieser nationalso­zialistisc­hen Organisati­on bei. 1945 wurde der Kriegerver­ein aufgelöst. Bei der Wiedergrün­dung 1958 traten sofort 31 Männer bei; am Ende des Jahres waren es 54 Mitglieder. Als Vereinszwe­ck wurde die Ehrung der Gefallener beider Weltkriege festgelegt. Der Dresscode für die alljährlic­he Gedenkfeie­r: schwarzer Anzug und Zylinder. Ab 1971 wurden auch Soldaten und Reserviste­n und Soldaten der Bundeswehr aufgenomme­n; der „Kriegerver­ein“nannte sich nun „Soldatenka­meradschaf­t “.

Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Soldatensc­hicksale aus Betzenweil­er, Bischmanns­hausen und Moosburg zu erforschen. Die ersten Ergebnisse werden im Rahmen einer Ausstellun­g am Sonntag präsentier­t.

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FOTO: PRIVAT Die Soldatenka­meradschaf­t Betzenweil­er im Jahr 2000. In der vorderen Reihe sitzen ehemalige Kriegsteil­nehmer.

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