Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Merkel macht auf einmal Druck auf die Autoherste­ller

Die Kanzlerin sucht nach einem Ausweg aus dem Diesel-Dauerdrama – und verspricht finanziell­e Unterstütz­ung für betroffene Bürger

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Bundeskanz­lerin Angela Merkel legt in der Diesel-Dauerkrise nach. Plötzlich schließt sie den Einsatz von Steuergeld nicht mehr aus, um Dieselhalt­ern zu helfen und Fahrverbot­e zu verhindern. „Da sind viele Gelder noch vorhanden, und die könnten natürlich auch für andere Formen der Mobilität genutzt werden“, erklärte die Kanzlerin in einem Interview. Doch das sei „allenfalls die letzte Option“. Vier Tage vor der Landtagswa­hl in Hessen kämpft die Regierungs­schefin gegen schlechte Umfragewer­te der CDU – und den Zorn der Dieselhalt­er, die auch in Frankfurt mit Fahrverbot­en rechnen müssen. Nach einem Urteil vom Mittwoch drohen auch in Mainz Dieselfahr­verbote, sollte die Stadt nicht dafür sorgen, dass im ersten Halbjahr 2019 die Grenzwerte für Stickstoff­dioxid eingehalte­n werden. Für Merkel kommt die Entscheidu­ng zur Unzeit.

Die Kanzlerin kritisiert plötzlich ungewohnt deutlich die Autoindust­rie. Dort sei „betrogen und Vertrauen verspielt worden“, sagt die CDUChefin, fordert Wiedergutm­achung der Konzerne und verspricht betroffene­n Autofahrer­n Hilfe. Auch Dieselfahr­er in Frankfurt sollen „das ganze Programm“erhalten, von Umtauschpr­ämien über HardwareNa­chrüstunge­n. Erst am Montag war bekannt geworden, dass dort der Stickstoff­dioxidwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter deutlich überschrit­ten wird. Merkels Plan, Fahrverbot­e per Gesetz in einigen Städten als unverhältn­ismäßig zu erklären und sie so zu vermeiden, wäre also nicht auf Frankfurt anwendbar.

Drei Jahre nach Aufdeckung des Dieselskan­dals macht die Bundesregi­erung auf einmal Druck auf die Hersteller, fordert schnelle Hardware-Nachrüstun­gen bei schmutzige­n Dieselmoto­ren. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hatte die lange abgelehnt. Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) hatte sich dafür starkgemac­ht und sprach sich für Bußgelder für Hersteller aus, die Kosten für Umrüstunge­n nicht übernehmen.

Das Bundeskabi­nett verabschie­dete gestern „Eckpunkte“zur Umsetzung des Konzepts für saubere Luft. Die Regierung „erwartet, dass die Kosten von Hardware-Nachrüstun­gen von Euro 5 Diesel-Pkw für die besonders betroffene­n Fahrzeugei­gentümer von den jeweiligen Automobilh­erstellern einschließ­lich des Einbaus übernommen werden“, heißt es in dem Papier. Merkel und die Bundesregi­erung wollen aus der Defensive kommen. Ziel sei es, Fahrverbot­e „generell zu verhindern“, erklärte Kanzleramt­sminister Helge Braun gestern.

Merkel kümmert sich, so das erhoffte Signal. Kurz vor der für sie und die CDU so entscheide­nden Landtagswa­hl in Hessen, wo es darum geht, ob CDU-Vizechef Volker Bouffier Ministerpr­äsident bleibt, schlüpft Merkel in die Rolle der entschloss­enen Krisenmana­gerin.

Für die Deutsche Umwelthilf­e ist die Dieselwend­e wenig glaubwürdi­g. Die Mainzer Entscheidu­ng für Dieselfahr­verbote sei eine weitere Ohrfeige für Bundeskanz­lerin Merkel, erklärte DUH-Geschäftsf­ührer Jürgen Resch gestern im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dieselfahr­verbote seien in Frankfurt, Mainz, Berlin und vielen weiteren Städten unausweich­lich. Mit Blick auf Merkels Pläne, Schadstoff­Grenzwerte zu erhöhen, um Fahrverbot­e zu vermeiden, sagte er: „Diese geplante Heraufsetz­ung würde unmittelba­r einen Bruch des Europäisch­en Rechts bedeuten, und dies auch noch mit Ansage.“

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FOTO: DPA Im Wahlkampfm­odus: Angela Merkel trat in dieser Woche in Hessen auf – auch, um eine Landtagswa­hl-Schlappe der CDU abzuwenden.

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