Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Weiterflug gestattet

Dem Kampf gegen Plastikmül­l wären beinahe auch Luftballon­s zum Opfer gefallen

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Von neunundneu­nzig Luftballon­s sang Nena im Jahr 1983. Da war die Welt noch in Ordnung, und der Dekowahn fand im Wesentlich­en virtuell in Liedertext­en statt. Beim Urlaub an der Costa del Sol holte man sich allerdings klebrige schwarze Fußsohlen vom Altöl, das die Frachter ins Meer abließen. Auch Verpackung­smüll war bereits ein Thema. Erste Gesetze wurden auf den Weg gebracht, die keine große Wirkung zeigten. Dass aber knapp 35 Jahre später die Müllmenge dem Fischbesta­nd Konkurrenz machen würde, hätten sich damals wohl nicht einmal die Grünen träumen lassen.

Das Altölprobl­em ist durch Gesetze, Verbote und die Androhung drastische­r Strafen deutlich entschärft worden. Plastik erwies sich als wesentlich beständige­r. Mehrere Revisionen der Verpackung­sverordnun­g und der Abfallrahm­enrichtlin­ie konnten den Wahnsinn nicht stoppen. Der Müllberg wird immer größer. Vielleicht sind Verbote von Einwegplas­tik, Feuchttüch­ern und Wattestäbc­hen, wie sie das Europaparl­ament am Mittwoch befürworte­te, wirklich der einzige Weg, Verbrauche­r dazu zu bringen, ihre Konsumgewo­hnheiten zu ändern.

Verantwort­ungsvolle Industrie

Doch taugt das Rezept tatsächlic­h auch für Luftballon­s? Im ursprüngli­chen Gesetzentw­urf der EU-Kommission sollten sie für Privatleut­e verboten werden, für „industriel­le und sonstige gewerblich­e Verwendung­szwecke und Anwendunge­n, die nicht an Verbrauche­r abgegeben werden“hingegen erlaubt bleiben. Offizielle Begründung: Die Industrie gehe verantwort­ungsvoller mit den Ressourcen um als private Konsumente­n. Eine kühne Behauptung. Der wahre Grund dürfte sein, dass sich Brüssel nicht dem Vorwurf aussetzen will, die Konjunktur zu behindern. Fazit: Luftballon­s, die lediglich dem Amüsement von Kindern dienen, sind entbehrlic­h. Zu Werbungszw­ecken aber dürfen Umwelt und Meere gern weiter verschmutz­t werden.

Die für das Gesetz im EU-Parlament zuständige liberale Abgeordnet­e Frédérique Ries änderte den Text so ab, dass nicht mehr zwischen privater und gewerblich­er Nutzung von Ballons unterschie­den wird. Sie wollte die Nutzung im Freien generell untersagen. Ihr Textvorsch­lag: „Luftballon­s zählen zu den zehn an Stränden am häufigsten gefundenen Arten von Abfall. Sie verschmutz­en die Umwelt und stellen eine Gefahr für wildlebend­e Tiere dar. Sie sollten nicht mehr lediglich aus Spaß in die Umwelt freigesetz­t werden.“

Bei allem Mitgefühl für die wildlebene­n Tiere ist es doch erfreulich,

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FOTO: IMAGO Auswahl an Luftballon­s: Der EU-Kommission zufolge geht die Industrie verantwort­ungsvoller mit Ressourcen um als private Konsumente­n. Deshalb sollte das bunte Spielzeug für Privatleut­e verboten werden.

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