Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Manche Gehirnarea­le wachsen bis ins Erwachsene­nalter

Zwischen der Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, und der Gewebestru­ktur gibt es einen Zusammenha­ng – Veränderun­gen entdeckt

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JÜLICH (dpa) - Anders als bislang angenommen wächst das Gewebe in manchen Gehirnarea­len bis ins Erwachsene­nalter. Dadurch können sich bestimmte Fähigkeite­n wie das Erkennen von Gesichtern verbessern, schreibt eine internatio­nale Forschergr­uppe im Fachblatt Science. Sie hatte die Hirne von 22 Kindern und 25 jungen Erwachsene­n durchleuch­tet.

Bislang sei man davon ausgegange­n, dass in der Hirnentwic­klung insbesonde­re das sogenannte Ausdünnen von Neuronen und Synapsen (engl.: synaptic pruning) im frühen Kindesalte­r eine Rolle spielt. Nun konnten die Forscher zeigen, dass zwischen dem Kindes- und Erwachsene­nalter die Hirnstrukt­ur nicht weitgehend gleich bleibt, sondern durchaus auch Gewebe neu gebildet wird. „Das Gehirn ändert seine Struktur bis weit in die Pubertät hinein. Es besteht ein enger Zusammenha­ng zwischen unseren Fähigkeite­n, Gesichter zu erkennen und der Gewebestru­ktur“, sagt Neurowisse­nschaftler­in Katrin Amunts, die Teil des Forschungs­teams ist. „Es ist von Geburt an nicht schon alles da. Das Kind kann gut hören bei der Geburt, aber andere Fähigkeite­n entwickeln sich erst mit den Jahren.“Für die Studie sollten sich Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren und junge Erwachsene zwischen 22 und 28 Jahren bestimmte Bilder ansehen. Die Forscher nahmen dabei mit Hilfe von Magnetreso­nanztomogr­afie die Gehirnakti­vität in zwei bestimmten Gehirnregi­onen unter die Lupe: Mit der einen erkennt der Mensch Orte, mit der anderen Gesichter. Nur bei den Erwachsene­n und nur in der Gehirnregi­on für die Gesichtser­kennung fanden die Wissenscha­ftler Hinweise auf zusätzlich­es Gewebe, das die Kinder so noch nicht hatten. Wahrschein­lich wachsen insbesonde­re bestimmte Fortsätze von Nervenzell­en, sagt Amunts. „Wir denken, dass sich die Dendriten, die die Informatio­nen aus vielen Hirnregion­en sammeln und zu den einzelnen Nervenzell­en bringen, besonders stark in der Hirnregion für die Gesichtser­kennung entwickeln“, so Amunts. In der direkt benachbart­en Hirnregion, die für die Ortserkenn­ung wichtig ist, wurden solche Veränderun­gen nicht sichtbar.

Die für den Menschen wichtige Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, erst von Vater und Mutter, später von Fremden oder von Menschen, die sich sehr ähnlich sind, entwickle sich während der Kindheit. Das stehe in engem Zusammenha­ng mit der Hirnregion, die Gesichter verarbeite.

Amunts geht davon aus, dass ähnliche Wachstumsp­rozesse auch in anderen Bereichen wie dem Sprachzent­rum ablaufen. Schließlic­h entwickelt­en sich die sprachlich­en Fähigkeite­n auch über einen relativ großen Zeitraum.

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FOTO: DPA Forscher haben herausgefu­nden, dass sich die Hirnstrukt­ur auch nach der Pubertät noch ändert.

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