Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die „Urkatastrophe“in Texten und Bildern
Volksbund Kriegsgräberfürsorge zeigt in Biberach Ausstellung über den Ersten Weltkrieg
BIBERACH - Der Volksbund Kriegsgräberfürsorge zeigt im Biberacher Rathausfoyer eine Ausstellung mit Bildern und Texten über den Ersten Weltkrieg. Bei der Ausstellungseröffnung am Dienstag begrüßte Hermann Hamma vom Volksbund die bedauerlicherweise nur wenigen Zuhörer, die aber spannende Beiträge zu hören bekamen.
Kulturdezernent Jörg Riedlbauer erinnerte in seiner Einführung daran, dass es sich am 11. November zum 100. Mal jährt, dass mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands zwischen Frankreich, England und Deutschland in einem Salonwagen im Wald von Compiègne nahe Paris die Kriegshandlungen beendet wurden. Auf deutscher Seite unterschrieb der Reichstagsabgeordnete Matthias Erzberger, der dafür aus Vergeltung drei Jahre später von zwei Freikorpsangehörigen ermordet wurde. Erzberger vertrat den Wahlkreis Biberach, ist hier auf dem Katholischen Friedhof beigesetzt.
Riedlbauer: „Wir brauchen Anlässe wie den heutigen, um Haltungen zum Ausdruck zu bringen, wie den Zorn über die Sinnlosigkeit kriegsbedingten Tötens, den Schmerz über den Verlust von Heimat durch Flucht und Vertreibung, die Trauer über jene, die aus purer Ideologie ihr Leben lassen mussten. Wir haben die Verpflichtung, aus der Geschichte zu lernen und Angriffen auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staatswesens mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.“
Der Konstanzer Bezirksgeschäftsführer des Volksbunds, Oliver Wasem, gab dann eine exzellente historisch-politische Einführung in die Thematik. Die Ausstellung ist übertitelt mit „Gemeinsam für den Frieden“und „Geflohen, vertrieben, angekommen“. Wasem erläutert ausführlich die Hintergründe der seinerzeitigen Entwicklungen, er spricht über Strukturen im Jahr 1913, über Empfindungen vor Kriegsausbruch wie Sorglosigkeit, ja Euphorie. Der Redner schilderte das taktischmilitärische Denken, geht in spannenden Erläuterungen sehr in die Tiefe. Und dann kam alles ganz anders. Es kam zu zehn Millionen Kriegstoten, zwei Millionen Deutsche, 1,8 Millionen Russen, 1,4 Millionen Franzosen. Genau vor 100 Jahren starben an einem einzigen Tag, am 23. Oktober, 1286 Soldaten.
Harte Reparationszahlungen führten zu weitgehenden staatlichen und privaten Verarmungen. Obschon die Generalität bereits Monate vor Kriegsende den Krieg als verloren erklärt und die Politik aufgefordert hatte, diesen zu beenden, entstand die „Dolchstoßlegende“. Diese war eine von der deutschen Obersten Heeresleitung in die Welt gesetzte Verschwörungstheorie, die die Schuld an der von ihr verantworteten militärischen Niederlage auf demokratische Politiker abwälzen sollte. Das deutsche Heer sei im Weltkrieg „im Felde unbesiegt“geblieben und habe erst durch oppositionelle „vaterlandslose“Zivilisten aus der Heimat einen „Dolchstoß von hinten“erhalten.
1919 wurde der Volksbund Kriegsgräberfürsorge gegründet, eine starke Bewegung für „sich kümmern“und „sich erinnern“. Die Friedhöfe der Gefallenen wurden von damaligen Feinden, die zu Freunden wurden, vielfach gemeinsam angelegt, wurden nach und nach von Angehörigenzu Besucherfriedhöfen. Als vorbildliches Beispiel nannte der Redner den „Hartmannswillerkopf“in den Vogesen. Dort ist ein französischer Nationalfriedhof, und dort wurde im November 2017 das deutsch-französische Museum, ein Symbol für die Aussöhnung, von den Präsidenten Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier eröffnet. Ein besonderer Anziehungspunkt in der Ausstellung sind die kleinen Terrakotten von Peter Schröder „in memoriam 1914–1918“: „Der unbekannte Soldat, die unbekannte Mutter, Schmerz, Trauer, Ungewissheit, Leid, Siechtum, Tod, Nichts, Hoffnung.“
Ein Trompetentrio der Jugendmusikschule unterhielt mit Mozartklängen und Jazzstandards.
Die Ausstellung ist zu den üblichen Öffnungszeiten bis 10. November im Rathausfoyer zu sehen.