Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Enercon stoppt Planungen für Windpark
Gutacher stoßen zwischen Rulfingen und Krauchenwies auf zu viele Rotmilane
KRAUCHENWIES/MENGEN - Die Planungen für den Windpark zwischen Rulfingen und Krauchenwies sind gestoppt worden. Das hat Enercon-Projektleiter Frank Holfert am Montag mitgeteilt. Der Hersteller von Windkraftanlagen hatte gemeinsam mit der Stadt Mengen, der Gemeinde Krauchenwies und der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern sechs Windkraftanlagen errichten wollen. Nun sind dem Projekt die Rotmilane in die Quere gekommen. Sie sind laut den von Enercon beauftragten Gutachtern in solcher Dichte im betroffenen Gebiet vorhanden, dass eine Baugenehmigung aus artenschutzrechtlichen Gründen nicht erteilt würde.
„Wir haben uns im Vorfeld mit den Gemeinden und der fürstlichen Unternehmensgruppe auf bestimmte Restriktionen wie Mindestabstände geeinigt, die das Planungsgebiet stark eingeschränkt haben“, sagt Holfert. „Jetzt wurde genau in diesem Gebiet ein sogenanntes Dichtezentrum mit vielen Rotmilanen festgestellt.“Dies sei quasi ein Totschlagargument gegen den Windpark. Für Enercon gelte Sonderveröffentlichung es in solchen Fällen möglichst früh einen Schlussstrich zu ziehen und nicht noch mehr Geld und Zeit in einen solchen Standort zu investieren. „Es hat ja so schon mehr als zwei Jahre gedauert, weitere Gespräche mit den Beteiligten sehen wir nicht als zielführend an“, so Holfert. Insgesamt hätte Enercon bis jetzt bereits einen ganz ordentlichen sechsstelligen Betrag in die Pläne für den Windpark gesteckt.
Sigurd Hüglin aus Rulfingen, der zu den Gründern der Bürgerinitiative Lebenswerte Heimat gehört und die Planungen für den Windpark seit Beginn an kritisch verfolgt, nimmt die Neuigkeit mit Freude und Erleichterung zur Kenntnis. „Für uns ist das natürlich eine sehr gute Nachricht“, sagt er. Die Mitglieder der Bürgerinitiative haben selbst ein Gutachten zum Artenschutz beauftragt, das im selben Zeitraum wie das von Enercon erstellt wird. „Das war wichtig, damit wir beide im Zweifelsfall hätten vergleichen können“, sagt er. Das Gutachten werde zwar erst am Ende des Jahres abgeschlossen, aber auch bei ihnen laufe es auf ein Dichtezentrum des Rotmilans hinaus. „Von daher haben wir schon ein wenig geahnt, dass nicht gebaut werden kann, wenn es nach rechten Dingen zugeht“, so Hüglin. Auffällig sei außerdem gewesen, dass die Enercon-Gutachter ab Mai nicht mehr im Wald bei Rulfingen anzutreffen gewesen seien. „Vielleicht wussten sie da schon, dass sie nicht weitersuchen brauchen“, mutmaßt Hüglin. Er sieht den Planungstopp als großen Erfolg an, geht aber davon aus, dass die Bürgerinitiative „weiterhin wachsam“am Ball bleibt. „Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass weitere Projektierer anklopfen und schon Pläne in der Tasche haben“, sagt er. Deshalb soll das Gutachten auf jeden Fall abgeschlossen werden, um für die nächsten fünf Jahre die Artenschutzargumente parat zu haben.
Bei der Mengener Stadtverwaltung nimmt man derweil die Nachricht gelassen auf. „Ich bin da ganz entspannt, weil wir die Sache ja eh nicht in der Hand hatten“, sagt Bürgermeister Stefan Bubeck. „Wir akzeptieren die Entscheidung, werten sie aber nicht.“Er betont, dass die Planungen zwar gestoppt, die Verträge damit aber noch nicht nichtig seien. „Theoretisch kann Enercon die Planungen zu jedem Zeitpunkt wieder aufnehmen.“Er gehe aber auch davon aus, dass sich an der Rotmilanpopulation so schnell nichts ändern werde.
Der Bürgermeister von Krauchenwies, Jochen Spieß, reagiert ebenfalls entspannt auf den Rückzieher von Enercon. Es sei immer eine realistische Option gewesen, dass der Windpark aufgrund der Rotmilan-Vorkommen gestoppt werde. Zudem geht er davon aus, dass die Pachtausfälle, die die Gemeinde dadurch zu beklagen haben wird, „verkraftbar“sein werden. Deutlich macht er allerdings, dass die Stromkosten für die Krauchenwieser Bürger steigen werden. Bereits bei der Einwohnerversammlung im Juni 2016 zum Thema Windpark hatte die Gemeindeverwaltung deutlich gemacht, dass die derzeitige Netzkapazität mittelfristig nicht mehr ausreiche; Investitionen seien notwendig. Da auch der Windpark einen besseren Netzanschluss benötigt hätte, hätten die Investitionskosten aufgeteilt werden können. Das kommt nun also nicht zustande: „Wir gehen von steigenden Nutzungsentgelten für die Bürger aus“, sagt Spieß. Rückblickend sei die ganze Windpark-Debatte aus zwei Gründen ärgerlich: „Die Personalbindung im Rathaus war schon enorm“, sagt er, und noch lästiger: „Wir hatten viele Diskussionen in unserem Ort.“Letztlich habe es „viel Lärm um Nichts“gegeben.
Der Hausener Bürger Willi Lutz hatte wie Hüglin lange gegen den Windpark gekämpft. „Der normale Menschenverstand hat gesiegt“, freut er sich, als er die Nachricht von der SZ erfährt. Die Entscheidung von Enercon sei für ihn „absolut überraschend“, auch wenn viele Faktoren eindeutig gegen den Windpark gesprochen hätten. „Unser Wind ist schlecht, darüber hinaus gibt es hier etliche Rotmilane“, sagt er. Er müsse zugeben, dass er und seine Mitstreiter trotz dieser Fakten „immer die Befürchtung gehabt haben, dass der Windpark trotzdem kommt“.