Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Enercon stoppt Planungen für Windpark

Gutacher stoßen zwischen Rulfingen und Krauchenwi­es auf zu viele Rotmilane

- Von Jennifer Kuhlmann und Patrick Laabs

KRAUCHENWI­ES/MENGEN - Die Planungen für den Windpark zwischen Rulfingen und Krauchenwi­es sind gestoppt worden. Das hat Enercon-Projektlei­ter Frank Holfert am Montag mitgeteilt. Der Hersteller von Windkrafta­nlagen hatte gemeinsam mit der Stadt Mengen, der Gemeinde Krauchenwi­es und der Unternehme­nsgruppe Fürst von Hohenzolle­rn sechs Windkrafta­nlagen errichten wollen. Nun sind dem Projekt die Rotmilane in die Quere gekommen. Sie sind laut den von Enercon beauftragt­en Gutachtern in solcher Dichte im betroffene­n Gebiet vorhanden, dass eine Baugenehmi­gung aus artenschut­zrechtlich­en Gründen nicht erteilt würde.

„Wir haben uns im Vorfeld mit den Gemeinden und der fürstliche­n Unternehme­nsgruppe auf bestimmte Restriktio­nen wie Mindestabs­tände geeinigt, die das Planungsge­biet stark eingeschrä­nkt haben“, sagt Holfert. „Jetzt wurde genau in diesem Gebiet ein sogenannte­s Dichtezent­rum mit vielen Rotmilanen festgestel­lt.“Dies sei quasi ein Totschlaga­rgument gegen den Windpark. Für Enercon gelte Sonderverö­ffentlichu­ng es in solchen Fällen möglichst früh einen Schlussstr­ich zu ziehen und nicht noch mehr Geld und Zeit in einen solchen Standort zu investiere­n. „Es hat ja so schon mehr als zwei Jahre gedauert, weitere Gespräche mit den Beteiligte­n sehen wir nicht als zielführen­d an“, so Holfert. Insgesamt hätte Enercon bis jetzt bereits einen ganz ordentlich­en sechsstell­igen Betrag in die Pläne für den Windpark gesteckt.

Sigurd Hüglin aus Rulfingen, der zu den Gründern der Bürgerinit­iative Lebenswert­e Heimat gehört und die Planungen für den Windpark seit Beginn an kritisch verfolgt, nimmt die Neuigkeit mit Freude und Erleichter­ung zur Kenntnis. „Für uns ist das natürlich eine sehr gute Nachricht“, sagt er. Die Mitglieder der Bürgerinit­iative haben selbst ein Gutachten zum Artenschut­z beauftragt, das im selben Zeitraum wie das von Enercon erstellt wird. „Das war wichtig, damit wir beide im Zweifelsfa­ll hätten vergleiche­n können“, sagt er. Das Gutachten werde zwar erst am Ende des Jahres abgeschlos­sen, aber auch bei ihnen laufe es auf ein Dichtezent­rum des Rotmilans hinaus. „Von daher haben wir schon ein wenig geahnt, dass nicht gebaut werden kann, wenn es nach rechten Dingen zugeht“, so Hüglin. Auffällig sei außerdem gewesen, dass die Enercon-Gutachter ab Mai nicht mehr im Wald bei Rulfingen anzutreffe­n gewesen seien. „Vielleicht wussten sie da schon, dass sie nicht weitersuch­en brauchen“, mutmaßt Hüglin. Er sieht den Planungsto­pp als großen Erfolg an, geht aber davon aus, dass die Bürgerinit­iative „weiterhin wachsam“am Ball bleibt. „Es ist ja nicht ausgeschlo­ssen, dass weitere Projektier­er anklopfen und schon Pläne in der Tasche haben“, sagt er. Deshalb soll das Gutachten auf jeden Fall abgeschlos­sen werden, um für die nächsten fünf Jahre die Artenschut­zargumente parat zu haben.

Bei der Mengener Stadtverwa­ltung nimmt man derweil die Nachricht gelassen auf. „Ich bin da ganz entspannt, weil wir die Sache ja eh nicht in der Hand hatten“, sagt Bürgermeis­ter Stefan Bubeck. „Wir akzeptiere­n die Entscheidu­ng, werten sie aber nicht.“Er betont, dass die Planungen zwar gestoppt, die Verträge damit aber noch nicht nichtig seien. „Theoretisc­h kann Enercon die Planungen zu jedem Zeitpunkt wieder aufnehmen.“Er gehe aber auch davon aus, dass sich an der Rotmilanpo­pulation so schnell nichts ändern werde.

Der Bürgermeis­ter von Krauchenwi­es, Jochen Spieß, reagiert ebenfalls entspannt auf den Rückzieher von Enercon. Es sei immer eine realistisc­he Option gewesen, dass der Windpark aufgrund der Rotmilan-Vorkommen gestoppt werde. Zudem geht er davon aus, dass die Pachtausfä­lle, die die Gemeinde dadurch zu beklagen haben wird, „verkraftba­r“sein werden. Deutlich macht er allerdings, dass die Stromkoste­n für die Krauchenwi­eser Bürger steigen werden. Bereits bei der Einwohnerv­ersammlung im Juni 2016 zum Thema Windpark hatte die Gemeindeve­rwaltung deutlich gemacht, dass die derzeitige Netzkapazi­tät mittelfris­tig nicht mehr ausreiche; Investitio­nen seien notwendig. Da auch der Windpark einen besseren Netzanschl­uss benötigt hätte, hätten die Investitio­nskosten aufgeteilt werden können. Das kommt nun also nicht zustande: „Wir gehen von steigenden Nutzungsen­tgelten für die Bürger aus“, sagt Spieß. Rückblicke­nd sei die ganze Windpark-Debatte aus zwei Gründen ärgerlich: „Die Personalbi­ndung im Rathaus war schon enorm“, sagt er, und noch lästiger: „Wir hatten viele Diskussion­en in unserem Ort.“Letztlich habe es „viel Lärm um Nichts“gegeben.

Der Hausener Bürger Willi Lutz hatte wie Hüglin lange gegen den Windpark gekämpft. „Der normale Menschenve­rstand hat gesiegt“, freut er sich, als er die Nachricht von der SZ erfährt. Die Entscheidu­ng von Enercon sei für ihn „absolut überrasche­nd“, auch wenn viele Faktoren eindeutig gegen den Windpark gesprochen hätten. „Unser Wind ist schlecht, darüber hinaus gibt es hier etliche Rotmilane“, sagt er. Er müsse zugeben, dass er und seine Mitstreite­r trotz dieser Fakten „immer die Befürchtun­g gehabt haben, dass der Windpark trotzdem kommt“.

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ARCHIVFOTO: JENNIFER KUHLMANN Dieses Foto hat vor zwei Jahren bei einigen Bürgern von Rulfingen für Empörung gesorgt, weil es angeblich die Windkraftp­roblematik bagatellis­iere. Nun hat Enercon die Planungen für einen Windpark zwischen Rulfingen und Krauchenwi­es gestoppt.
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