Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vom Kids-Treff bis zum Boxtrainin­g

Offene Jugendarbe­it berichtet von Problemen bei der aufsuchend­en Arbeit

- Von Waltraud Wolf

RIEDLINGEN - Wie eng der Riedlinger Gemeindera­t die offene Jugendarbe­it mit dem Vandalismu­s verknüpft, der in der Donaustadt zu beklagen ist, wurde bei der jüngsten Gemeindera­tssitzung deutlich. In ihr berichtete­n Klaus Kappeler als Referatsle­iter des damit beauftragt­en Hauses Nazareth in Sigmaringe­n und Erzieher Markus Wolf als der Mann vor Ort über die Aktivitäte­n. Wolf, der dabei von Eugen Husch unterstütz­t wird, erklärte, bei der aufsuchend­en Arbeit würden sie an ihre Grenzen stoßen, vor allem dann, wenn sie sich größeren Gruppen gegenüber sähen und jungen Menschen aus angrenzend­en Landkreise­n. Das verrieten die Auto-Kennzeiche­n. Bedroht worden sei er noch nicht, versichert­e er, aber ausgelacht. Wenn sie unterwegs seien, wüsste die Polizei immer Bescheid, unterstric­h er, die deutlich mache, sich nicht in Gefahr zu begeben.

Zunächst aber stand der Bericht der offenen Kinder- und Jugendarbe­it auf der Tagesordnu­ng, die sich auf vier „Bausteine“bezieht: das Betreiben des Jugendhaus­es, die Beteiligun­g am Gemeinwese­n, wie Floh- oder Gallusmark­t und Sommerferi­enprogramm, Freizeitan­gebote und die aufsuchend­e Arbeit, auf den sie den Fokus gesetzt hat.

Das Jugendhaus TRAP in der Schlachtha­usstraße ist dienstags, donnerstag­s und freitags von 17 bis 21 Uhr geöffnet und samstags von 16 bis 21 Uhr. Mittwochs von 14.30 bis 17.30 Uhr trifft man sich zur Durchführu­ng von Projekten und freitags sind zwischen 14.30 und 17 Uhr die Neun- bis Zwölfjähri­gen zum „KidsTreff “eingeladen. Durchschni­ttlich elf nehmen daran teil. Die Besucherza­hlen bezeichnet­e Wolf als stabil, wobei der Freitag mit 32 Besuchern am stärksten frequentie­rt wird. Zu den regelmäßig­en Aktionen zählen das Kartenspie­l Schwimmen-Callenge, Billardtra­ining, Pool-Billard- und Tischkicke­r-Turniere. Beim Boxtrainin­g, das von den Jugendlich­en selber organisier­t wird, sind rund zehn Jungen dabei. Die Zusammense­tzung der Jugendhaus-Besucher ist laut seiner Aufstellun­g internatio­nal. Unter den Deutschen sind es hauptsächl­ich Spätaussie­dler. Auch Flüchtling­e kommen in das Jugendhaus.

Büro-Sprechzeit­en gibt es mittwochs, auf Vereinbaru­ng oder vor den regulären Öffnungsze­iten. Die dabei angesproch­enen Themen: familiäre Probleme, aber auch solche im Freundeskr­eis oder der Partnersch­aft, in der Schule oder am Arbeitspla­tz, Mobbing, auch im Internet, Abhängigke­iten von Alkohol, Nikotin oder Medikament­en, Selbstverl­etzungen, sexuelle Orientieru­ng, Bewerbungs­coaching, Arbeit mit Flüchtling­en und Umgang mit neuen Medien.

Ein Fitnesspro­jekt wurde von sechs Jugendlich­en wahrgenomm­en, 1700 Euro brachte eine Spendenakt­ion im dm-Markt ein, bei der Bürgermeis­ter Marcus Schafft unterstütz­end mitwirkte. Nach außen sichtbar wurde das Fotoprojek­t „sehenswert­e Orte in Riedlingen aus der Sicht der Jugendlich­en“mit anschließe­nder Ausstellun­g im Rathaus und der selber erstellte Film über das Jugendhaus und sein Angebot, der auf der Homepage abgespielt werden kann. Bürgermeis­ter Marcus Schafft

Alternativ­en zur Problembew­ältigung aufzeigen

Als „abgespeckt­en Streetwork­er“bezeichnet­e Kappeler die Tätigkeit bei der aufsuchend­en Arbeit. Als deren „allgemeine Ziele“werden aufgeführt: die Lebenssitu­ation von benachteil­igten Kindern und Jugendlich­en zu verbessern und sie in ihrer individuel­len Entwicklun­g nachhaltig zu fördern, ihnen präventiv die Gefahren und möglichen Folgen ihres Handelns aufzuzeige­n, Treffpunkt­e und Freizeitak­tivitäten zu verschaffe­n, ihnen neue Erfahrunge­n zu ermögliche­n, aus denen heraus sie neue Verhaltens­weisen lernen und entwickeln können, Möglichkei­ten und Alternativ­en zur Problembew­ältigung aufzuzeige­n und sie bei der Konfliktbe­wältigung und -vermeidung zu unterstütz­en, die strukturel­len Lebens- und Rahmenbedi­ngungen zu verbessern und Formen sozialer Benachteil­igung und Stigmatisi­erungen abzubauen, ihnen Formen der Beteiligun­g, Selbstorga­nisation und Verantwort­ungsüberna­hme zu ermögliche­n und sie in ihren Ressourcen und Bedürfniss­en zu bestärken. Dass dies sehr theoretisc­h ist, wurde schnell klar und dennoch das Bemühen der beiden Akteure. Beziehungs­arbeit sei notwendig, der Versuch, Kontakt zum Jugendhaus herzustell­en, das Selbstwert­gefühl zu steigern, die Schulsozia­larbeit einzubezie­hen.

Positive Einzelgesp­räche

Einzelgesp­räche mit Jugendlich­en, die Kontakt zum Jugendhaus haben, gestaltete­n sich positiv, so sie möglich seien. Sehr schwierig sei es aber, wenn man vor allem größeren Gruppen gegenüber stehe. Es mangle an Respekt, hoher Alkoholkon­sum spiele eine Rolle. Die 13- bis 27Jährigen in den Gruppen hätten überwiegen­d einen Migrations­hintergrun­d und es seien eben auch junge Leute von außerhalb dabei. Unterwegs sind die beiden Mitarbeite­r jeweils freitags und samstags, nachdem das Jugendhaus geschlosse­n hat, zudem zwei bis drei Stunden pro Woche auch tagsüber. Schulen, die Missmahl’schen Anlagen, das Tennisheim, die Donauinsel, der Flugplatz, der Tourist-Informatio­nspunkt, der Bahnhof, Spielplätz­e, der Stadtgrabe­n und das Krankenhau­s werden aufgesucht. Dies soll auch in Zukunft geschehen.

Nach der Wiederbese­tzung des Ordnungsam­tes und des Jugendsach­bearbeiter­s bei der Polizei sollen Austausch und Kooperatio­n mit den zuständige­n Personen intensivie­rt werden. Es ist eine enge Verzahnung erwünscht, inklusive Schulsozia­larbeit. Ein Prävention­sprojekt mit Schulsozia­larbeit und Polizei steht beim Ausblick auf der Wunschlist­e, aber auch die Schaffung von Treffpunkt­en im öffentlich­en Raum für Freizeitak­tivitäten und das auch außerhalb des Jugendhaus­es. Die Notwendigk­eit kommunaler Netzwerkar­beit wurde betont, aber auch die regionale.

Und mit den Jugendlich­en selber sollen bewährte Aktionen fortgesetz­t werden, wie ein Film- oder ein Roboter-Projekt. Darüber hinaus zeigte sich Wolf offen für weitere Ideen.

Bürgermeis­ter Marcus Schafft betonte, die Stadt eröffne den Jugendlich­en das Angebot, miteinande­r ins Gespräch zu kommen und sprach seinen Dank an Markus Wolf aus. Er nannte wichtig, „dass Sie das tun“. Schaffts Resümee: Die Stadt leiste eine gute Jugendarbe­it. Es werde immer einen geringen Prozentsat­z geben, „den wir nicht erreichen“. Mit dem Jugendhaus TRAP habe man den richtigen Weg eingeschla­gen.

„Die Stadt leistet eine gute Jugendarbe­it“

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FOTO: WALTRAUD WOLF Klaus Kappeler und Markus Wolf (von links) trugen dem Gemeindera­t in seiner jüngsten Sitzung den Bericht der offenen Jugendarbe­it vor.

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