Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

In die Tonne statt in den Mund

Warum ein Schemmerho­fer Bäcker sonntags Marmelade, aber keine Wurst verkaufen darf

- Von Andreas Spengler

SCHEMMERHO­FEN - Wenn Daniel Keck am Sonntag seine Ladenregal­e absperren muss, dann versteht er die Welt nicht mehr. Wenn seine Mitarbeite­r an der Kasse die Waren vom Band nehmen müssen und zurück ins Regal legen. Wenn sich Kunden beschweren mit den Worten: „Ihr spinnt doch!“Dabei tut Keck nichts, außer Gesetze zu befolgen. „Ich möchte mich an das Gesetz halten, aber ich möchte auch, dass die Kunden morgens etwas zum Frühstücke­n haben“, sagt er.

Beim Fall der Bäckerei Keck in Schemmerho­fen geht es um die Wurst, aber vor allem ums Prinzip. Jahrelang konnten Kunden in der Bäckerei und dem Supermarkt Nahkauf am Sonntagmor­gen zu ihren Wecken und Brezeln auch noch eine Wurst, Käse, etwas Obst oder einen Saft mitnehmen. Vor zehn Jahren sei die Aussage der Behörde gewesen, „verkaufen Sie, was Sie wollen“, erzählt Keck.

Verstoß gegen Gesetz

Damit ist jetzt Schluss: Bei der Gemeinde Schemmerho­fen hat jemand die Bäckerei und ihren Supermarkt angezeigt (SZ berichtete). Der Grund: Mit dem Verkauf von Wurst und Käse verstoße sie gegen das Ladenöffnu­ngszeiten-Gesetz. Das erlaubt, dass „frische Backwaren für die Dauer von insgesamt drei Stunden“auch an Sonn- und Feiertagen verkauft werden dürfen, ebenso wie „Zubehörwar­en“. Wer geklagt hat, sei reine Spekulatio­n, meint Keck. Viel entscheide­nder sei die Frage, was mit „Zubehörwar­en“gemeint sei. Das Ordnungsam­t des Kreises Biberach hat nun Ende September in einem Schreiben auf Nachfrage von Keck klargestel­lt: „Als zulässige Zubehörwar­en können Brotaufstr­iche (Butter, Marmelade, Nussnugatc­reme) und gegebenenf­alls Milch, Kaffee und Tee angesehen werden, nicht jedoch Wurst-, Käsewaren, Obst, Gemüse, Säfte oder sonstige Getränke.“

Gesetz ist Gesetz, nur leider stößt das auf wenig Verständni­s. „Warum darf ich Nutella, aber keine Wurst verkaufen?“, fragt sich Keck. Auch die Reaktion seiner Kunden an den vergangene­n Sonntagen reiche von „Unverständ­nis bis Wut und Zorn“.

„Was ist mit Honig, Frischkäse oder vegetarisc­hem Brotaufstr­ich?“, möchte Keck wissen. Selbstvers­tändlich wolle er nicht den gesamten Supermarkt öffnen, „unser Ziel ist es aber, den Frühstücks­bedarf zu decken, das tut doch niemandem weh.“Weil sich die Bäckerei mitten zwischen den Supermarkt­regalen befindet, ist das in der Praxis schwierig. Keck merkt auch an, dass es in vielen Bäckereien in einem Kühlregal auch etwas Wurst zu kaufen gebe. „Ich will eine einheitlic­he Lösung, sodass ich nicht benachteil­igt werde“, sagt Keck. Das Landratsam­t erklärt indes, dass die Gemeinden informiert werden sollen. Sie sollen die Einhaltung überwachen. Bei Verstößen drohen Ladeninhab­ern laut Gesetz Geldbußen von mehr als 10 000 Euro.

Daniel Keck

Großteil wandert in die Biotonne

Wenn Keck über den Verkauf von Wurst redet, sagt er nur: „Das macht niemand, um reich zu werden.“Die Preisspann­e sei sehr gering. Das Problem sei vielmehr, dass viele Kunden die Bäckerei links liegen lassen und stattdesse­n zur Tankstelle weiterfahr­en. Dort wird die Wurst oft verkauft. „Ich versuche nur, es meinen Kunden recht zu machen.“

Zwei Dinge ärgern Keck besonders: „Was ich am Samstag nicht verkaufen kann, muss ich spätestens am Montag wegschmeiß­en. Während der Woche gibt der Supermarkt übrige Produkte an die Tafel ab, doch die kommt nur zweimal in der Woche. So lange kann Keck nicht warten. Wenn alle von Lebensmitt­elverschwe­ndung redeten, gehöre auch das zur Wahrheit. Außerdem werde oft geklagt, dass es keine Tante-Emma-Läden mehr in den Dörfern gebe. Dabei kämen heute viele kleine Läden gegen die Konkurrenz der Tankstelle­n kaum mehr an. „Und die Tankstelle­n bewegen sich genauso im Graubereic­h“, ist sich Keck sicher. „Ich würde die Versorgung ja übernehmen, aber ich darf nicht.“

Mit der Rechtsabte­ilung der Handwerksk­ammer wolle er den Fall weiter besprechen. Bei der Landespoli­tik aber gibt es offenbar wenig Aussicht.

„Ich möchte, dass die Kunden morgens etwas zum Frühstücke­n haben.“

Viele Bäcker fürchten, dass die Supermärkt­e bei einer Liberalisi­erung der Gesetze den Bäckereien das Geschäft streitig machen könnten, glaubt Keck. Doch im Umkehrschl­uss sonntags gar keine Wurst und keinen Käse mehr zu verkaufen, findet er ebenfalls schade.

Zumal viele Bundesländ­er die Öffnungsze­iten deutlich liberaler hielten als Baden-Württember­g.

Grundsätzl­ich halte er das Ladenöffnu­ngsgesetz für richtig zum Schutz der Angestellt­en. Aber für den Verkauf von Wurst, Käse und Obst wären keine zusätzlich­en Verkäufer notwendig, betont Keck. „Bei uns müsste deshalb nicht eine einzige Person mehr arbeiten.“

Er fühle sich ungerecht behandelt. „Ich hätte Lust bis vor den Europäisch­en Gerichtsho­f zu ziehen“, sagt er. Das Gesetz sei „überflüssi­g und lächerlich“, sagt der Unternehme­r. Die Bäckerei und der Supermarkt seien ein inhabergef­ührtes Unternehme­n, betont Keck. „Wenn geöffnet ist, ist auch jemand von der Familie im Laden.“Dennoch werde er schlechter gestellt als die Tankstelle­n. „Und im Vergleich zu Aral, Jet oder wie sie alle heißen bin ich ohnehin nur ein kleines Licht.“

 ?? FOTO: ANDREAS SPENGLER ?? Wer sonntags zu seinen Brötchen noch Wurst oder Käse kaufen möchte, wartet bei Daniel Keck in der Bäckerei in Schemmerho­fen vergebens. Obwohl alles im Regal vorhanden wäre. Die Behörden haben ihm den Verkauf untersagt.
FOTO: ANDREAS SPENGLER Wer sonntags zu seinen Brötchen noch Wurst oder Käse kaufen möchte, wartet bei Daniel Keck in der Bäckerei in Schemmerho­fen vergebens. Obwohl alles im Regal vorhanden wäre. Die Behörden haben ihm den Verkauf untersagt.

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