Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
In die Tonne statt in den Mund
Warum ein Schemmerhofer Bäcker sonntags Marmelade, aber keine Wurst verkaufen darf
SCHEMMERHOFEN - Wenn Daniel Keck am Sonntag seine Ladenregale absperren muss, dann versteht er die Welt nicht mehr. Wenn seine Mitarbeiter an der Kasse die Waren vom Band nehmen müssen und zurück ins Regal legen. Wenn sich Kunden beschweren mit den Worten: „Ihr spinnt doch!“Dabei tut Keck nichts, außer Gesetze zu befolgen. „Ich möchte mich an das Gesetz halten, aber ich möchte auch, dass die Kunden morgens etwas zum Frühstücken haben“, sagt er.
Beim Fall der Bäckerei Keck in Schemmerhofen geht es um die Wurst, aber vor allem ums Prinzip. Jahrelang konnten Kunden in der Bäckerei und dem Supermarkt Nahkauf am Sonntagmorgen zu ihren Wecken und Brezeln auch noch eine Wurst, Käse, etwas Obst oder einen Saft mitnehmen. Vor zehn Jahren sei die Aussage der Behörde gewesen, „verkaufen Sie, was Sie wollen“, erzählt Keck.
Verstoß gegen Gesetz
Damit ist jetzt Schluss: Bei der Gemeinde Schemmerhofen hat jemand die Bäckerei und ihren Supermarkt angezeigt (SZ berichtete). Der Grund: Mit dem Verkauf von Wurst und Käse verstoße sie gegen das Ladenöffnungszeiten-Gesetz. Das erlaubt, dass „frische Backwaren für die Dauer von insgesamt drei Stunden“auch an Sonn- und Feiertagen verkauft werden dürfen, ebenso wie „Zubehörwaren“. Wer geklagt hat, sei reine Spekulation, meint Keck. Viel entscheidender sei die Frage, was mit „Zubehörwaren“gemeint sei. Das Ordnungsamt des Kreises Biberach hat nun Ende September in einem Schreiben auf Nachfrage von Keck klargestellt: „Als zulässige Zubehörwaren können Brotaufstriche (Butter, Marmelade, Nussnugatcreme) und gegebenenfalls Milch, Kaffee und Tee angesehen werden, nicht jedoch Wurst-, Käsewaren, Obst, Gemüse, Säfte oder sonstige Getränke.“
Gesetz ist Gesetz, nur leider stößt das auf wenig Verständnis. „Warum darf ich Nutella, aber keine Wurst verkaufen?“, fragt sich Keck. Auch die Reaktion seiner Kunden an den vergangenen Sonntagen reiche von „Unverständnis bis Wut und Zorn“.
„Was ist mit Honig, Frischkäse oder vegetarischem Brotaufstrich?“, möchte Keck wissen. Selbstverständlich wolle er nicht den gesamten Supermarkt öffnen, „unser Ziel ist es aber, den Frühstücksbedarf zu decken, das tut doch niemandem weh.“Weil sich die Bäckerei mitten zwischen den Supermarktregalen befindet, ist das in der Praxis schwierig. Keck merkt auch an, dass es in vielen Bäckereien in einem Kühlregal auch etwas Wurst zu kaufen gebe. „Ich will eine einheitliche Lösung, sodass ich nicht benachteiligt werde“, sagt Keck. Das Landratsamt erklärt indes, dass die Gemeinden informiert werden sollen. Sie sollen die Einhaltung überwachen. Bei Verstößen drohen Ladeninhabern laut Gesetz Geldbußen von mehr als 10 000 Euro.
Daniel Keck
Großteil wandert in die Biotonne
Wenn Keck über den Verkauf von Wurst redet, sagt er nur: „Das macht niemand, um reich zu werden.“Die Preisspanne sei sehr gering. Das Problem sei vielmehr, dass viele Kunden die Bäckerei links liegen lassen und stattdessen zur Tankstelle weiterfahren. Dort wird die Wurst oft verkauft. „Ich versuche nur, es meinen Kunden recht zu machen.“
Zwei Dinge ärgern Keck besonders: „Was ich am Samstag nicht verkaufen kann, muss ich spätestens am Montag wegschmeißen. Während der Woche gibt der Supermarkt übrige Produkte an die Tafel ab, doch die kommt nur zweimal in der Woche. So lange kann Keck nicht warten. Wenn alle von Lebensmittelverschwendung redeten, gehöre auch das zur Wahrheit. Außerdem werde oft geklagt, dass es keine Tante-Emma-Läden mehr in den Dörfern gebe. Dabei kämen heute viele kleine Läden gegen die Konkurrenz der Tankstellen kaum mehr an. „Und die Tankstellen bewegen sich genauso im Graubereich“, ist sich Keck sicher. „Ich würde die Versorgung ja übernehmen, aber ich darf nicht.“
Mit der Rechtsabteilung der Handwerkskammer wolle er den Fall weiter besprechen. Bei der Landespolitik aber gibt es offenbar wenig Aussicht.
„Ich möchte, dass die Kunden morgens etwas zum Frühstücken haben.“
Viele Bäcker fürchten, dass die Supermärkte bei einer Liberalisierung der Gesetze den Bäckereien das Geschäft streitig machen könnten, glaubt Keck. Doch im Umkehrschluss sonntags gar keine Wurst und keinen Käse mehr zu verkaufen, findet er ebenfalls schade.
Zumal viele Bundesländer die Öffnungszeiten deutlich liberaler hielten als Baden-Württemberg.
Grundsätzlich halte er das Ladenöffnungsgesetz für richtig zum Schutz der Angestellten. Aber für den Verkauf von Wurst, Käse und Obst wären keine zusätzlichen Verkäufer notwendig, betont Keck. „Bei uns müsste deshalb nicht eine einzige Person mehr arbeiten.“
Er fühle sich ungerecht behandelt. „Ich hätte Lust bis vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen“, sagt er. Das Gesetz sei „überflüssig und lächerlich“, sagt der Unternehmer. Die Bäckerei und der Supermarkt seien ein inhabergeführtes Unternehmen, betont Keck. „Wenn geöffnet ist, ist auch jemand von der Familie im Laden.“Dennoch werde er schlechter gestellt als die Tankstellen. „Und im Vergleich zu Aral, Jet oder wie sie alle heißen bin ich ohnehin nur ein kleines Licht.“