Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Blumenau hat ähnliche Probleme

Brasiliane­r holen sich in Riedlingen Anregungen für kommunale Klimapartn­erschaft

- Von Waltraud Wolf

Brasiliane­r kommen auf Klima-Tour auch nach Riedlingen.

RIEDLINGEN - Das Interesse an Klimaschut­z im Allgemeine­n und Energiesch­affung und –einsparung im Besonderen führte am Freitag zwei Männer aus Brasilien über Weingarten und Ravensburg nach Riedlingen: Gemeindera­t Sylvio Zimmermann und den Leiter des Zivilschut­zes Marcelo Schrubbe aus der brasiliani­schen Großstadt Blumenau. Begleitet wurden sie von Walter Göppel, dem Geschäftsf­ührer der Energieage­ntur Ravensburg, und deren Projekting­enieur Armin Maier, Veerle Buytaert, Klimaschut­zmanagerin des Gemeindeve­rbandes Mittleres Schussenta­l, die zudem als Übersetzer­in fungierte, sowie Marga Fischer, bei der Stadt Weingarten für Energie und Klima zuständig. Mit Weingarten verbindet die 300 000 Einwohner Stadt im brasiliani­schen Bundesstaa­t Santa Catarina eine kommunale Klimapartn­erschaft. Die Stadt wurde 1850 von deutschen Einwandere­rn gegründet unter der Leitung des Apothekers Hermann Blumenau, dessen Namen sie noch heute trägt. Dorthin verschlug es in den 1960er-/1970er-Jahre einen deutschen Lehrer. Nach seiner Rückkehr wurden Bande zwischen Weingarten und Blumenau geknüpft und 1975 mit einer Fahnenpart­nerschaft gekrönt. Intensivie­rt wurden die Kontakte wieder 2013. Aus verschiede­nen Themenfeld­ern der Zusammenar­beit kristallis­ierte sich eine kommunale Klimapartn­erschaft heraus. Ihr Grundgedan­ke ist eine Stärkung der fachlichen Zusammenar­beit deutscher Städte mit Kommunen im globalen Süden in den Bereichen Klimaschut­z und Klimaanpas­sung. Weingarten und Blumenau haben sich hier gefunden.

Zimmermann berichtete auf Deutsch in Riedlingen von einem Anruf in Weingarten und wie der Prozess in Gang kam, unterstütz­t durch das Förderprog­ramm des Bundesmini­steriums für wirtschaft­liche Zusammenar­beit.

Interesse an unabhängig­er Energie

Riedlingen als Exkursions-Ziel hatte Walter Göppel als „nachhaltig­e Stadt“ausgewählt, aber auch, weil die Stadt mit Hochwasser ähnliche Probleme wie Blumenau hat. Allerdings ist die Situation in der brasiliani­schen Stadt weit extremer als an der Donau.

Blumenau hat großes Interesse an einer unabhängig­en Energie, vermerkt Göppel, das führte die Brasiliane­r zur Energieage­ntur Ravensburg/ Biberach. Ergebnis eines Workshops am Donnerstag war der Beschluss, eine solche Energieage­ntur in Blumenau zu gründen, es wäre die erste in Brasilien. Ein Antrag auf Förderung aus dem Projekt-Programm läuft. Sie sieht eine Anschub-Finanzieru­ng während der ersten zwei Jahre vor. Auch die personelle Ausstattun­g wurde besprochen und die Frage gestellt, wie eine solche Gründung aussehen könnte, wer ihre Gesellscha­fter sein könnten, wie die Finanzieru­ng. Wunsch der Partner wäre, eine geeignete Person aus Brasilien bei der Energieage­ntur Ravensburg zum Geschäftsf­ührer ausbilden zu lassen. Nächste Woche findet in Nürnberg eine Konferenz statt, zu der Vertreter aller kommunalen Klimapartn­erschaften eingeladen sind.

Bürgermeis­ter Marcus Schafft führte in die Historie ein, vom Leben auf der Heuneburg vor 3000 Jahren über die Holznutzun­g, Verschiffu­ng auf der Donau und den Fluss als Energieträ­ger, so habe das Wasserkraf­twerk früh für die Stromverso­rgung in Riedlingen gesorgt und eine Straßenbel­euchtung ermöglicht. Mehrere kleine Wasserkraf­twerke arbeiteten noch heute in der Gesamtstad­t. Heute werde die Geothermie genutzt. Wichtig aber sei auch die Energie-Einsparung, dass dies auch an alten Gebäuden möglich ist, zeigte er vor Ort am einstigen „Schwanen“auf, der unter Einbeziehu­ng der Stadt von privaten Investoren umgebaut wird. Hier werde innen isoliert, erklärte er. Beheizt werde das sanierte Gebäude dann zusammen mit einem Neubau daneben durch ein Blockheizk­raftwerk.

Am Kraftwerk vorbei ging es bei einem Stadtrundg­ang zur Wehranlage mit Hinweis auf mobilen Hochwasser­schutz durch Schlauchsy­steme oder Metallplat­ten, so zum Schutz des Stadthalle­n-Areals. Der Gang über die neue Kanalbrück­e mit der LEDBeleuch­tung in ihren Geländer-Bögen führte zum Tourist-Energy-Point. Was dort für die Touristen vorgehalte­n wird, imponierte den brasiliani­schen wie deutschen Gästen: Ladestatio­nen für Elektro- Autos und Elektro-Fahrräder, Schließfäc­her, Informatio­ns-Stele. Nur den interaktiv­en Bildschirm konnte Schafft nicht vorführen, weil Opfer von Vandalismu­s.

Die regenerati­ve Beheizung von Kreisgymna­sium und Realschule und des neuen Hallenbade­s stellte Schafft den Gäste vor und sie wurden auf die Photovolta­ik-Anlagen auf dem Realschul-Dach hingewiese­n, die für eine Stromeinsp­eisung sorgen. Solche Anlagen wären gerade auch für die notwendige Energie für Klimaanlag­en in Blumenau sinnvoll. Den Solarpark in Zwiefalten­dorf mit seiner jährlichen Ausbeute von 5,27 Megawatt Strom hatte ihnen Walter Göppel bereits am Donnerstag in einer Präsentati­on vorgestell­t.

Persönlich kennen lernen durften die Gäste in der Biogasanla­ge in Daugendorf dann die Einspeisun­g des Gases in das öffentlich­e Erdgasnetz. Fremd sind ihnen Biogasanla­gen nicht, gibt es in Blumenau doch mehrere Schweinema­stbetriebe, deren Anlagen Strom produziere­n. Und so gelangte die Führung durch Dr. Johannes Dahlin von Erdgas-Südwest für die Brasiliane­r eher zu einem technische­n Austausch.

„Der Klimaschut­z hat keine Grenzen“, so die Feststellu­ng von Walter Göppel, den fasziniert, dass bei dem Projekt nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben gehandelt wird.

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FOTO: WALTRAUD WOLF
 ?? FOTO: WALTRAUD WOLF ?? Bürgermeis­ter Marcus Schafft und die Gäste Armin Maier, Marga Fischer, Walter Göppel, Sylvio Zimmermann, Marcelo Schrubbe und Veerle Buytaert (von links) an der Wehranlage der Donau.
FOTO: WALTRAUD WOLF Bürgermeis­ter Marcus Schafft und die Gäste Armin Maier, Marga Fischer, Walter Göppel, Sylvio Zimmermann, Marcelo Schrubbe und Veerle Buytaert (von links) an der Wehranlage der Donau.

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