Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Freispruch - aber nächstes Verfahren kommt
Angeklagten kann bei der Schlägerei in Heudorf keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden – Haupttäter bekannt
RIEDLINGEN - Es war eine Schlägerei aus dem Nichts an diesem frühen Sonntagmorgen des 28. Januar in Heudorf (SZ berichtete), bei der die Insassen eines Autos auf zwei Männer eingeschlagen haben sollen. Nun ist am Mittwochmorgen ein Urteil gefallen: Der Angeklagte, der Fahrer des Autos, wurde vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Dem 20-Jährigen konnte nicht nachgewiesen werden, dass er aktiv zugeschlagen hat. Dafür wurde der mutmaßliche Haupttäter der Schlägerei namentlich bekannt. Auf ihn kommt nun eine Verhandlung zu, ebenso auf die weiteren Insassen – entweder wegen Falschaussage oder wegen Körperverletzung.
Mit dem Freispruch für den Angeklagten folgte Richter Ralph Ettwein auch dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Auch Staatsanwalt Sascha Musch kam zum Schluss, dass trotz der Vernehmung von 13 Zeugen an drei Verhandlungstagen dem 20-Jährigen nicht bewiesen werden konnte, dass er einer derjenigen war, die zugeschlagen haben. Auch auf mehrfaches Insistieren und Nachfragen bei den Zeugen konnte nur nachgewiesen werden, dass er bei dem Vorfall dabei gewesen war.
Der hatte sich an diesem 28. Januar gegen 4.10 Uhr in der Ortsmitte von Heudorf ereignet. Der Hauptleidtragende, seine Frau und deren Bruder waren zu der Zeit im Ort unterwegs, um einen Bekannten zu suchen, als der BMW des Angeklagten mit seinen Insassen von Richtung Dürmentingen her gefahren kam. In Heudorf wendeten sie und hielten an der Insel an. Nach Aussagen der Heudorfer gab es keine verbale Auseinandersetzung, statt dessen hätten sich die Türen des Fahrzeugs geöffnet und mehrere junge Männer seien ausgestiegen und hätten auf den 28jährigen Hauptleidtragenden und dessen Bruder grundlos eingeschlagen – mit Folgen: Einer der jungen Männer hatte Hämatone und Prellungen im Gesicht, der andere blutende Lippen und einen eingeschlagenen Zahn.
Anhand des Autokennzeichens konnte zunächst nur der Fahrer des Fahrzeugs von der Polizei ermittelt werden, weshalb dieser auch auf der Anklagebank saß. Bei der Polizei hatten die Geschädigten noch ausgesagt, dass der 20-jährige zugeschlagen habe. Doch knapp neun Monate später konnten die Zeugen dies in der Verhandlung nicht mehr mit Sicherheit behaupten. Auch der nun am Mittwoch vorgeladene Polizeibeamte, der die Aussagen protokolliert hatte, konnte letztlich nicht weiterhelfen: „Für mich war es schlüssig, dass der Fahrer auch in tätliche Handlung verwickelt war – das stand für mich außer Frage“, so seine Erinnerung an die damalige Befragung. Dass die Zeugen damals kurz nach dem Vorfall den Fahrer als „Schläger“benannt hätten, war zu wenig. So hatte die Staatsanwaltschaft letztlich zu wenig in den Händen, um zu einer Verurteilung zu kommen. Auch eine Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe konnte dem jungen Mann, der bislang strafrechtlich „ein unbeschriebenes Blatt ist“(Richter Ettwein), nicht nachgewiesen werden. Mitgehangen, mitgefangen – das gelte im Rechtssystem nicht. „Da haben Sie Glück gehabt“, so Ettwein zum Angeklagten. Den Angehörigen der Geschädigten war die Enttäuschung im Gerichtssaal anzumerken.
Hauptverdächtiger taucht auf
Allerdings ist mit diesem Verfahren das Thema nicht beendet. Denn am Mittwoch tauchte nun plötzlich ein weiterer Zeuge auf, der sich als weiterer Mitfahrer zu erkennen gab. Am ersten Prozesstag hatten der Angeklagte und drei weitere Zeugen noch behauptet, dass sie nur zu viert im Auto gewesen seien. Das war nun wieder hinfällig: Sie waren zu fünft und der fünfte Mann war der vermutliche Hauptaggressor.
Der 20-Jährige Mann gab nun am Montag in der Sitzung zu, dass er hinter dem Fahrer saß, aus dem Auto ausgestiegen und dem Hauptleidtragenden einen Faustschlag ins Gesicht gegeben habe. Allerdings hielt er sich sonst an die Version seiner Mitkumpanen: Der 28-Jährige Hauptleidtragende habe ins Auto gegriffen und dann erst sei er ausgestiegen und habe zugeschlagen, so seine Behauptung. Er habe mit einem Beteiligten geschlägert, ein anderer mit einem weiteren und der dritte Mitfahrer habe einen dritten Beteiligten abgehalten. Wie dies sein kann, da nur zwei junge Männer der Gegenseite vor Ort waren, konnte er nicht erklären. Der neue Zeuge brach eine Lanze für den angeklagten Fahrer: Der sei im Auto sitzen geblieben; der würde sich an solchen Sachen nicht beteiligen.
Am ersten Prozesstag im September hatte noch ein anderer Mitfahrer behauptet, dass er hinter dem Fahrer gesessen habe und er hatte genau die gleiche Geschichte erzählt, die nun der 20-Jährige am Mittwoch von sich gab. Die Lügengeschichte war nur aufgeflogen, weil die Personenbeschreibung, die der 28-Jährige und seine Frau vom Haupttäter gegeben hatten, überhaupt nicht passte.
Wieso aber hatte der Kumpel die Schuld für den 20-Jährigen auf sich genommen? Wahrscheinlich hätten die vier versucht, ihn rauszuhalten, weil er schon öfters wegen Körperverletzung mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei, so die Vermutung des 20-Jährigen vor Gericht. Man habe ihn auch erst zwei Tage nach dem ersten Prozesstag überhaupt informiert, hatte er am Mittwoch behauptet.
Auf ihn wird nun ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung zukommen. Aber auch die anderen Beifahrer werden sich vor Gericht verantworten müssen. Ebenfalls wegen Körperverletzung oder wegen Falschaussage. Die Aussagen der Mitfahrer „kann man alle – mit Verlaub – in der Pfeife rauchen. Das waren alles Falschaussagen“, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.