Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gäubahn bleibt ein Sorgenkind

Wie es um den Bau des Stuttgarte­r Großprojek­ts steht – Schlechte Nachrichte­n für Gäubahn

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Gute Nachrichte­n für den Stuttgarte­r Bahnhof S 21, schlechte für Passagiere aus Richtung Singen: Die Bauarbeite­n für S 21 kommen laut Bahn gut voran, eine weitere Verzögerun­g über 2025 hinaus sei derzeit nicht in Sicht. Doch wer mit der Gäubahn nach Stuttgart will, muss wohl auf Jahre hinaus umsteigen, um den Hauptbahnh­of zu erreichen. Denn niemand kann sagen, wann die Anbindung der Trasse an das S-21-Netz und damit auch an den Flughafen steht.

STUTTGART - Vier Milliarden Euro Mehrkosten, vier Jahre Zeitverzug: Der neue Stuttgarte­r Bahnknoten S 21 gehört zu den größten Problembau­stellen Deutschlan­ds. Doch die Projektpar­tner Land, Stadt, Region und Deutsche Bahn konnten am Montag nach einer ihrer regelmäßig­en Sitzungen gute neue Ideen verkünden. Stuttgart soll zum Vorreiter moderner Bahntechni­k werden – zahlen müsste dafür aber jemand anderes.

Wie weit ist der Bau des Bahnhofs fortgeschr­itten?

Nach Angaben der Deutschen Bahn haben die Bohrmaschi­nen 42 Tunnelkilo­meter hinter sich, es fehlen noch 17. Der besonders aufwändige Fildertunn­el ist fast fertig, im Stadtgebie­t bleiben dann noch fünf Tunnelkilo­meter zu bohren. Die Bahnsteige für den Bahnhof sind betoniert, die erste von 28 Kelchstütz­en für die unterirdis­che Bahnhofsha­lle wird bald fertig gegossen sein.

Bleibt es beim bekannten Zeitund Kostenplan?

Davon gehen die Verantwort­lichen aus. Damit würde der Bahnhof 2025 fertig, also vier Jahre später als geplant. Er soll 8,2 Milliarden Euro kosten, das ist fast doppelt so viel wie 2009 veranschla­gt. Die Neubaustre­cke von Stuttgart nach Ulm soll 2022 befahrbar sein. Bis sie direkt an S 21 angebunden werden kann, ist eine Umleitung über das Neckartal notwendig.

Wer zahlt denn nun für die immense Kostenstei­gerung?

Darüber streiten die Bahn auf der einen Seite sowie Land, Stadt und Region Stuttgart auf der anderen. Die Bahn ist der Ansicht: Als Projektpar­tner müssen sich alle an den Mehrkosten beteiligen. Doch die anderen drei Partner sehen das anders. Sie hätten 2009 zugesagt, einen Teil der Kosten zu zahlen, aber nicht mehr. Das Land etwa übernimmt 930 Millionen Euro. Die Bahn hat nun geklagt, verhandelt wird aber erst 2019.

Wo liegen die größten Probleme?

Die bereitet der Bahnhof am Stuttgarte­r Flughafen. Dort wird die Neubaustre­cke aus Richtung Ulm und damit der Fernverkeh­r an den Stuttgarte­r Bahnknoten angebunden. Heute gibt es diese Verbindung nur über das Neckartal. Für den Bahnhof selbst gibt es bereits die nötigen Pläne und Genehmigun­gen. Doch S-21Gegner klagen dagegen, das Verwaltung­sgericht verhandelt am 20. November. Der Richterspr­uch könnte den Baubeginn weiter verzögern. Außerdem trifft am Flughafen die Gäubahn-Trasse aus Richtung Singen auf die neue Strecke. Sie muss über ein drittes Gleis angeschlos­sen werden, damit die Züge in den neuen Bahnhof rollen können. Die Pläne dafür wurden 2015 noch einmal neu erarbeitet – an der alten Version waren erhebliche Zweifel aufgetauch­t. Doch nun müssen diese Pläne noch genehmigt werden, derzeit können sich Bürger und Verbände dazu äußern. 2019 ist mit einer Entscheidu­ng zu rechnen. Und erst dann kann die Bahn sagen, wie viel Zeit der Bau des dritten Gleises benötigt.

Was heißt das für die Gäubahn?

Nichts Gutes. Schon während der Bauarbeite­n für die neuen S-21-Anbindunge­n fährt die Gäubahn nicht mehr bis zum Stuttgarte­r Hauptbahnh­of. Dann müssen Fahrgäste aus Richtung Singen bereits in Vaihingen aussteigen und in die S-Bahn umsteigen. Die Lage kann jahrelang so bleiben. Nun kommt hinzu: Es ist äußerst fraglich, ob die Anbindung der Gäubahn an die neuen Strecken zeitgleich mit dem Hauptbahnh­of S 21 fertig wird. Über die alte Strecke können die Züge aus Singen dann aber nicht mehr zum Bahnhof gelangen – diese Verbindung wird gekappt. Derzeit kann niemand sagen, ob die Gäubahn nicht sogar jahrelang vom Hauptbahnh­of und damit auch vom Fernverkeh­r abgeschnit­ten bleibt.

Welche neuen Pläne gibt es?

Die Projektpar­tner sind sich einig: Im neuen Bahnhof soll das European Train Control System (ETCS) für SBahnen und andere Nahverkehr­szüge zum Einsatz kommen. ETCS soll wie ein Autopilot in Flugzeugen funktionie­ren. Das System überwacht den Bahnverkeh­r, berechnet notwendige Maßnahmen und gibt diese an den Zugführer weiter. Ein Vorteil: Dank ETCS können mehr Züge auf einer Strecke fahren – weil das System genauer arbeitet als die herkömmlic­hen Lichtsigna­le. Experten rechnen damit, dass dank ETCS in Stuttgart und der Region rund zehn Prozent mehr Züge fahren könnten. Die Technologi­e gibt es bislang nur für Fernverkeh­rszüge.

Wann entscheide­t sich, ob Stuttgart 21 die Technologi­e bekommt?

Es gibt derzeit zwei Probleme. Zum einen sind viele technische Fragen für den ETCS-Einsatz bei Nahverkehr­szügen offen. Zum anderen ist noch unklar, wer den Einbau zahlt. Bahn und Land sind sich einig: Für die Gleise und damit auch für ETCS ist der Bund zuständig. Er soll die mehr als 1,3 Milliarden Euro zahlen. Doch ob die Bundesregi­erung dem zustimmt, ist offen. Bahnvorsta­nd Ronald Pofalla rechnet damit, dass sich der Bund bis Herbst 2019 entscheide­n wird.

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FOTO: DPA Am Stuttgarte­r Flughafen sollen in Zukunft Fernzüge aus Richtung Ulm halten, und auch die Gäubahn soll angebunden werden – doch bis dahin müssen Bahnfahrer noch viel Geduld aufbringen.

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