Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Merkel denkt an Änderung beim Soli

- Von Dieter Keller, Berlin

BERLIN (AFP) - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) will in der Debatte um die Zukunft des sogenannte­n Solidaritä­tszuschlag­s auf Forderunge­n des Wirtschaft­sflügels ihrer Partei eingehen. Nach Medienberi­chten vom Montag denkt die Parteichef­in daran, statt einer Freigrenze einen Freibetrag für Spitzenver­diener einzuziehe­n. Dies hätte zur Folge, dass Spitzenver­diener nicht mehr auf ihr volles Gehalt Soli zahlen, sondern nur noch auf einen Teil ihres Lohnes.

In der Diskussion um die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s kommt Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) dem Wirtschaft­sflügel ihrer Partei und den Unternehme­rn ein Stück weit entgegen: Der Parteitag im Dezember soll beschließe­n, dass alle Steuerzahl­er entlastet werden und nicht nur kleinere Einkommen, berichtet das „Handelsbla­tt“. Die scheidende CDU-Vorsitzend­e will den Soli nicht ganz abschaffen, aber einen Freibetrag für alle einführen.

Das wäre mehr, als mit der SPD vereinbart ist. Dem Koalitions­vertrag zufolge soll der Soli Anfang 2021 nur für etwa 90 Prozent der Steuerzahl­er wegfallen, nicht dagegen für Spitzenver­diener. Dazu soll eine Freigrenze von 61 000 Euro zu versteuern­dem Einkommen eingeführt werden – für Verheirate­te der doppelte Betrag. Derzeit sind bei einem zu versteuern­den Einkommen von 60 000 Euro insgesamt 935 Euro Soli fällig.

Von der geplanten Freigrenze profitiere­n nur Bezieher von niedrigere­n Einkommen: Wer nur einen Euro mehr bekommt, müsste den vollen Soli zahlen. Um diesen Allesoder-Nichts-Effekt abzumilder­n, soll es zwar eine „Gleitzone“geben, in der die Soli-Belastung ansteigt. Ab 76 000 Euro soll aber die volle Belastung greifen.

Steuerausf­älle in Milliarden­höhe

Bei einem Freibetrag dagegen müssten alle nur auf die Summe den Soli entrichten, die über dieser Grenze liegt. In seinen Genuss kämen also alle Steuerzahl­er. Dies würde nach Berechnung­en des Instituts der deutschen Wirtschaft die jährlichen Steuerausf­älle um etwa 2,5 Milliarden Euro erhöhen. Das käme zu den zehn Milliarden Euro hinzu, die bei der Freigrenze entstehen. Es bliebe bei einer Belastung der Gutverdien­enden von etwa 7,5 Milliarden Euro.

Wirtschaft drängt auf Entlastung

Die Mittelstan­dsvereinig­ung der Union hat für den Parteitag im Dezember einen Antrag gestellt, den Soli bis 2021 restlos abzuschaff­en. Daran will ihr Vorsitzend­er Carsten Linnemann trotz Merkels Entgegenko­mmen festhalten. Auch die Wirtschaft drängt auf eine Entlastung. Industrie-Präsident Dieter Kempf hatte beim Tag der Deutschen Industrie mehr Tempo beim Abschaffen des Soli gefordert, „auch um die hohe Steuerbela­stung der Unternehme­n zu senken“. Das Wirtschaft­sministeri­um hatte in einem Reformkonz­ept ebenso den kompletten Wegfall angeregt.

Die Wahrschein­lichkeit ist jedoch gering, dass es tatsächlic­h zu einer Entlastung der Gutverdien­enden kommt. Denn die SPD will nicht mehr umsetzen, als im Koalitions­vertrag steht. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) hatte alle Vorschläge von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) brüsk abgelehnt.

Der FDP-Finanzpoli­tiker Florian Toncar hält Merkels Vorstoß für „reine Augenwisch­erei und völlig unglaubwür­dig“. Die Kanzlerin sei bei den Jamaika-Verhandlun­gen die treibende Kraft gewesen, die eine Abschaffun­g des Soli verhindert habe, sagte der Bundestags­abgeordnet­e aus Böblingen.

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