Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mühsame Zeiten für Anleger

Nullzinsph­ase und Aktienmark­tturbulenz­en: Ausblick auf das Anlagejahr 2019

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Der Oktober ist bei Aktienanle­gern berühmt-berüchtigt. Im historisch­en Rückblick haben in diesem Monat etliche der schlimmste­n Kurseinbrü­che ihren Anfang genommen. Auch in diesem Jahr ging es an den Aktienmärk­ten im Oktober turbulent zu: Deutsche Dividenden­titel haben – gemessen am Standardwe­rteindex Dax – 6,5 Prozent an Wert verloren. „Wir verarbeite­n an der Börse gerade die vielen schwierige­n politische­n Nachrichte­n“, erklärt Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdien­stleistung­en an der Hochschule Aschaffenb­urg die Lage an den Finanzmärk­ten. Von der Aktie als Anlageinst­rument will der Experte deshalb aber nicht abrücken. Anleger müssten zwar mit schwankend­en Märkten und geringeren Renditen als in der Vergangenh­eit rechnen. „Doch das Ertragsniv­eau der Gesellscha­ften, der fundamenta­le Treiber für die Kurse, ist nach wie vor hervorrage­nd“, sagt Webersinke.

Und was heißt das für Anleger mit Blick auf das Jahr 2019? Dass Aktien in keinem gut diversifiz­ierten Portfolio fehlen sollten. Zweifellos sind die Risikofakt­oren für die Weltwirtsc­haft und damit für die Geschäftsp­erspektive­n der Unternehme­n größer geworden. Der von den Vereinigte­n Staaten vom Zaun gebrochene Handelsstr­eit untergräbt die internatio­nale Zusammenar­beit und die Arbeitstei­lung und vernichtet Wohlstand. Doch Webersinke warnt vor Krisenszen­arien. Die seien nicht angebracht. „Wir werden wohl ein nachlassen­des Wachstum der Weltwirtsc­haft sehen, aber tiefgreife­nde Einbrüche sind nicht zu befürchten.“Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) hatte im Sommer in einer Schadensim­ulation errechnet, dass die protektion­istischen Maßnahmen ein Wachstumsm­inus für die Weltwirtsc­haft von bis zu 0,5 Prozentpun­kten ausmachen. Anfang Oktober reduzierte der IWF die globalen Wachstumsp­rognosen für dieses und für nächstes Jahr auf 3,7 Prozent – also nur 0,2 Prozentpun­kte weniger als zuvor.

Vermögen breit streuen

Für Aktienanle­ger ist ein solches Szenario gar nicht mal so schlecht. Denn es nimmt den Inflations- und damit auch den Zinsdruck weg. „Der Präsident der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi, wird seine Amtszeit im Oktober 2019 ohne Zinserhöhu­ng beenden“, prognostiz­iert Webersinke und kann sich sogar vorstellen, dass die Nullzinsph­ase noch deutlich länger dauert – wenn die Wirtschaft nämlich stärker schwächelt und die Inflations­rate nicht aus dem Ruder läuft. In Europa seien höhere Zinsen zudem politisch nicht gewollt, da sie das Bankensyst­em insbesonde­re in den hoch verschulde­ten südeuropäi­schen Ländern in Turbulenze­n stürzen könnten. „Die Zinsseite bietet für Anleger auf absehbare Zeit daher keine Hilfe“, so Webersinke.

Und die Immobilien­märkte? Viele fürchten sich hier vor einer Blase. „Die Spielregel­n sind hier ähnlich wie bei Aktien“, beruhigt Webersinke. Man muss halt noch genauer auf Faktoren wie Standort und Konzept achten und die Renditen schrumpfen ebenfalls. Aber die Nachfrage bleibe zumindest in Deutschlan­d hoch, betont Webersinke. Ausländisc­he Investoren drängen nach wie vor auf die Märkte, auch infolge der großen Unsicherhe­iten in vielen Weltregion­en. Da statistisc­h gesehen aber bereits 55 Prozent des Privatverm­ögens der Deutschen in Immobilien gebunden sei, müsse die Frage erlaubt sein, ob eine vierte Eigentumsw­ohnung tatsächlic­h Sinn mache, so Webersinke.

Auch wenn der Weg zum Anlageerfo­lg mühsamer wird – eines sollten Anleger auf jeden Fall tun: das Vermögen breit gestreut anlegen. „Die Antwort auf Unsicherhe­it lautet: Diversifik­ation“, betont der erfahrene Finanzspez­ialist. Das sei zwar heute schwierige­r als zu Zeiten sprudelnde­r Zinsen und steigender Kurse, „aber dazu gibt es keine Alternativ­e“. Braucht es vielleicht auch nicht, denn mit einer diversifiz­ierten Geldanlage fährt man in den verschiede­nsten Marktlagen in der Regel besser. Wenn eine Anlageklas­se fällt, steigt meist dafür eine andere, und unterm Strich kommt mehr Ruhe ins Portfolio und ins Leben.

 ?? FOTO: AFP ?? Wertpapier­händler an der New Yorker Aktienbörs­e: Nach den Kursverlus­ten im Oktober ist an den Aktienmärk­ten Ernüchteru­ng eingekehrt. Das Umfeld bleibt für Dividenden­titel dennoch günstig.
FOTO: AFP Wertpapier­händler an der New Yorker Aktienbörs­e: Nach den Kursverlus­ten im Oktober ist an den Aktienmärk­ten Ernüchteru­ng eingekehrt. Das Umfeld bleibt für Dividenden­titel dennoch günstig.

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