Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Dass Richter sich auf den Pakt beziehen, ist abwegig“

-

RAVENSBURG Der Migrations­pakt hat keine rechtliche Bindekraft und kann kein Völkergewo­hnheitsrec­ht begründen, sagt

Daniel Thym (Foto: oh), Völkerrech­tsprofesso­r an der Uni Konstanz. Ulrich Mendelin befragte ihn.

Herr Thym, allenthalb­en wird betont, der UN-Migrations­pakt greife nicht in die Souveränit­ät der Staaten ein. Kann es sein, dass dies indirekt doch geschieht, etwa indem Gerichte den Pakt für die Rechtsprec­hung heranziehe­n?

Der Pakt ist rechtlich nicht verbindlic­h. Man kann ihn nutzen, um politische­n Druck aufzubauen. Dass Richter sich auf den Pakt beziehen, halte ich aber für abwegig. Dafür sind die Aussagen darin viel zu abstrakt, die Gerichte bräuchten sehr viel konkretere Vorgaben.

Kann sich aus dem Pakt ein rechtlich verbindlic­hes Völkergewo­hnheitsrec­ht entwickeln?

Das Institut des Völkergewo­hnheitsrec­hts gibt es in der Tat, und es gibt auch Fälle, in denen internatio­nale Gerichte sich auf an sich unverbindl­iche UN-Dokumente berufen. Allerdings ist der UNMigratio­nspakt hierfür viel zu allgemein gehalten. Außerdem bräuchte es für Völkergewo­hnheitsrec­ht einen umfassende­n Konsens der wichtigste­n Länder, der hier nicht vorliegt, weil wichtige Länder wie die USA nicht dabei sind. Ein solches Dokument wird alleine nie ausreichen.

Im Textentwur­f für den Pakt werden viele Anforderun­gen an Staaten gestellt – aber nicht an die Migranten. Wie kommt dieses Ungleichge­wicht zustande?

Es ist in erster Linie ein zwischenst­aatliches Dokument, in dem die Staaten ihre Interessen abgegliche­n haben. Migranten kommen nur als Rechteinha­ber und als potenziell­e Opfer vor. Da ist das Papier in der Tat einseitig. Ich hätte mir gewünscht, dass Integratio­n nicht nur als eine Bringschul­d der Aufnahmege­sellschaft präsentier­t wird. Auch der Migrant muss daran mitwirken.

Laut dem Pakt sollen ethische Standards in der Berichters­tattung über Migranten sichergest­ellt werden. Kritiker leiten daraus eine Gefährdung der Meinungsfr­eiheit ab. Zu Recht?

Juristisch nein. Die Forderunge­n im Pakt, etwa beim Verbot von Hasskrimin­alität, sind genau das, was wir in Deutschlan­d in den Gesetzen ohnehin schon haben. Dennoch spricht die Kritik einen relevanten Punkt an. In dem Pakt finden sich ganz viele Einzelheit­en, die gar nicht als Rechtspfli­cht formuliert sind, die aber konkrete Vorschläge sind. Da hätte sich die UN sicherlich einen Gefallen getan, wenn sie nicht so sehr ins Klein-Klein gegangen wäre.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany