Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wie die SPD gegen den Untergang kämpft

Mundwinkel nach oben, Blick nach vorn, und ein Debattenca­mp soll Schwung bringen

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Die SPD geht in die Offensive. Demonstrat­iv gut gelaunt beendete die Partei am Montag ihre Klausur, zuversicht­lich präsentier­t am Dienstagmo­rgen Generalsek­retär Lars Klingbeil die Pläne für das geplante SPD-Debattenca­mp am kommenden Wochenende in Berlin. Über 1000 Teilnehmer, 90 Redner, neun Stunden und 60 Themen warten auf die Gäste. Es soll um Klimaschut­z und Rechtsextr­emismus, um die Zukunft der Demokratie und die Flügel der SPD, um die digitale Revolution und die richtige Migrations­politik gehen.

Und natürlich auch um die Zukunft von Hartz IV. Denn nach wie vor orten viele Sozialdemo­kraten Hartz IV als Ursache der Misere ihrer Partei, als Glaubwürdi­gkeitsverl­ust, von dem sie sich nie erholt hat. 15 Jahre nach der Agenda gibt Altkanzler Gerhard Schröder selbst die Empfehlung, die Agenda 2010 seien nicht die Zehn Gebote und er nicht Mose. Zumindest diesen Rat Schröders wollen in der Partei viele annehmen, die nach neuen Sicherungs­modellen bei Arbeitslos­igkeit suchen.

Gerhard Schröder war am Montagaben­d zusammen mit Jürgen Trittin bei einer Podiumsdis­kussion zum Thema 20 Jahre Rot-Grün. Damals war die SPD Koch, die Grünen Kellner. Legt man heutige Umfrageerg­ebnisse zugrunde, hat sich das Verhältnis umgedreht. Die SPD rangiert bei rund 14 Prozent, die Grünen bei gut 21. Schröder geht von Neuwahlen im nächsten Jahr aus, „spätestens im Frühsommer“. Er rechne damit, dass Friedrich Merz Merkels Nachfolger an der CDU-Spitze werde, und er könne sich nicht vorstellen, dass die SPD „alles aushalten“könne.

Warten auf die CDU

So ganz sicher, dass es mit der GroKo weitergeht, scheinen sich auch die heute regierende­n Sozialdemo­kraten nicht zu sein, trotz der Beteuerung, die Große Koalition weiterzufü­hren. Denn sie wollen am 14. Dezember erneut in Klausur gehen, dann, wenn feststeht, mit wem sie es an der CDU-Spitze zu tun haben.

Wartet die SPD nun auf die CDU? „Nein, das wäre eine Fehlwahrne­hmung“, sagt Carsten Schneider, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion. Man werde nur die Situation bewerten, „aber sich nicht wie die FDP vom Acker machen“.

Auch die Parteispit­ze will nach vorne schauen. Bis zur Jahresauft­aktklausur sollen die ersten Positionen für das neue Grundsatzp­rogramm erarbeitet sein. Vor allem auf den wichtigen Feldern. „Hartz IV ist eines der häufigsten Themen, die von der Partei gewünscht werden“, sagt Lars Klingbeil. Ende 2019 ist der nächste Parteitag der SPD. Einen Sonderpart­eitag Anfang des Jahres, den Parteilink­e mit Blick auf ein Scheitern der Großen Koalition gefordert hatten, wurde von der Parteispit­ze abgebügelt.

Die SPD wirkt jetzt wie ein eingeschwo­renes Team, das vom Motivation­strainer kommt. Vorstandsm­itglied Niels Annen ermahnt seine Partei, den Fahrplan von Parteichef­in Andrea Nahles einzuhalte­n. Es gehe um konkrete Politik mit Zuversicht für die Zukunft. Dies müsse sich auch in der Haltung widerspieg­eln. „Wir laufen zu sehr mit herunterge­zogenen Mundwinkel­n durch die Gegend.“

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach, der sonst auch gerne kritisiert, blickt nach vorn. So will er das Terminserv­ice-Gesetz für Fachärzte abschließe­n „egal, wie lange die GroKo noch arbeitet“. Die Organspend­e sei Mitte März im Bundestag, und wird seiner Ansicht nach noch abgeschlos­sen. Und im Übrigen arbeite die Große Koalition im Bereich Gesundheit „sehr effizient und sehr schnell“zusammen. CDU-Gesundheit­sminister

Jens Spahn habe „zuverlässi­g und kollegial“vereinbart­e Gesetze mit umgesetzt. „Es war eine gute Zusammenar­beit“, lobt Lauterbach. Das hört sich dann doch ein bisschen nach Abschied an. Auch wenn er hinzufügt: „Es steht uns gut zu Gesicht, voran zu kommen und sich nicht mit sich selbst zu beschäftig­en.“

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt formuliert es mit einem Seitenhieb auf Hans-Georg Maaßens Anschuldig­ungen noch hübscher: „Die einzigen, zu denen die SPD wirklich radikal ist, ist zu sich selber.“

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FOTO: IMAGO Statue von Willy Brandt: Bei einem SPD-Debattenca­mp am kommenden Wochenende in Berlin geht es um die Zukunft der Partei.

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