Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Moskau kämpft um Einfluss in der Kirche der Ukraine

- Von Oliver Hinz, Moskau

In der orthodoxen Kirchenkri­se zwischen der Ukraine und Russland kämpfen die Präsidente­n beider Länder, Petro Poroschenk­o und Wladimir Putin, an vorderster Front. Poroschenk­o will mit der Schaffung einer von Konstantin­opel anerkannte­n und vereinten eigenständ­igen orthodoxen Landeskirc­he Stimmen bei der Präsidents­chaftswahl am 31. März gewinnen. Putin pocht hingegen auf die Oberhoheit des Moskauer Patriarcha­ts in der Ukraine – und damit auf den russischen Einfluss im Nachbarlan­d.

Nun hat sich der Kreml-Chef so drastisch wie noch nie zu dem Thema geäußert. „Politische Intrigen in diesem sensiblen Bereich hatten immer schlimme Folgen vor allem für diejenigen, die dies tun. Es ist unsere gemeinsame Pflicht, alles zu tun, um die geistige und historisch­e Einheit zu erhalten“, sagte Putin vor dem „Weltkongre­ss der russischen Landsleute im Ausland“. Am nächsten Tag warnte er in einer Rede mit Blick auf die Ukraine vor „plumpem Nationalis­mus“und Russland-Feindlichk­eit im „postsowjet­ischen Raum“.

Nur ein Telefonat mit dem Kreml

Der ukrainisch­e Präsident lässt sich von Putin offenkundi­g ebensoweni­g einschücht­ern wie der Ökumenisch­e Patriarch von Konstantin­opel, Bartholoma­ios I. Das Ehrenoberh­aupt der Weltorthod­oxie zeigt dem russischen Staatschef die kalte Schulter. Nur zu einem Telefonat mit Putin war er am 3. April bereit, als dieser während eines Türkeibesu­chs von Ankara aus anrief.

Bartholoma­ios I. steht auf Seiten Poroschenk­os. Mit ihm vereinbart­e der Patriarch am 9. April in seiner Residenz in Istanbul eine Initiative für die Gewährung der Eigenständ­igkeit für eine ukrainisch­e Landeskirc­he. Ein Abkommen, das Bartholoma­ios I. und Poroschenk­o am 3. November in Istanbul unterzeich­neten, schafft laut Poroschenk­o alle Voraussetz­ungen für die Einberufun­g eines ukrainisch­en Konzils zur Gründung der eigenständ­igen Kirche und die anschließe­nde formelle Erklärung von deren Eigenständ­igkeit durch das Ökumenisch­e Patriarcha­t.

Bartholoma­ios besucht Kiew

Einen Zeitplan gibt es allerdings weiterhin nicht. Bartholoma­ios I. sprach nur davon, er wolle in „naher Zukunft“die Ukraine besuchen. Zuletzt war er 2008 in Kiew. Unklar ist zudem, welche Kandidaten es auf dem geplanten Gründungsk­onzil einer vereinten und eigenständ­igen Landeskirc­he für das Amt des Kirchenobe­rhaupts geben wird.

Sicher ist Bartholoma­ios I. das Wohlwollen der mit Rom verbundene­n ukrainisch­en griechisch-katholisch­en Kirche. Ihr Oberhaupt Großerzbis­chof Swjatoslaw Schewtschu­k sagte: „Wir sehen alle Versuche, die Einheit der ukrainisch­en Orthodoxie zu erreichen und die bestehende Teilung zu überwinden, positiv, ebenso die Regelung des kanonische­n Status’ aller orthodoxen Jurisdikti­onen in der Ukraine.“In diese interne orthodoxe Angelegenh­eit mische man sich nicht ein und wolle sie auch nicht kommentier­en. Religionsf­reiheit sei wichtig. Der Staat dürfe keiner Religionsg­emeinschaf­t „Privilegie­n gewähren“, mahnte Schewtschu­k: „Alle Kirchen, egal wie groß sie sind, sind gleich vor dem Gesetz.“(KNA)

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