Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Reparieren statt kaufen

Die britische Armee lässt bei Heckler & Koch Tausende Sturmgeweh­re modernisie­ren

- Von Sebastian Borger und Benjamin Wagener

RAVENSBURG/LONDON - Sparsame Engländer: Das Verteidigu­ngsministe­rium von Großbritan­nien schafft für die britischen Soldaten keine neuen Sturmgeweh­re an, sondern will die alten Waffen überholen, modernisie­ren und mit neuer Farbe versehen lassen. Eine Entscheidu­ng, die ein baden-württember­gisches Unternehme­n sehr freuen dürfte: Denn die Verantwort­lichen in London haben den Auftrag an den baden-württember­gsichen Waffenbaue­r Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar vergeben.

Für umgerechne­t rund 85 Millionen Euro will die britische Regierung 44 000 Gewehre des Modells SA80 A2 von Heckler & Koch modernisie­ren lassen, berichtet die Tageszeitu­ng „Welt“und beruft sich auf Details aus dem Auftrag. Der Waffenbaue­r wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht zu Einzelheit­en äußern, weil zurzeit die Abstimmung mit dem Kunden laufe. Heckler & Koch hat in Nottingham ein großes Lager und eine kleine Manufaktur mit 20 Mitarbeite­rn, die Modernisie­rung der Waffen wird also auf der Insel selbst erfolgen.

Für Heckler & Koch wäre das Geschäft ein wichtiger Auftrag, da das Unternehme­n seit geraumer Zeit in Schwierigk­eiten steckt. Seit Sommer läuft vor dem Landgerich­t Stuttgart ein Prozess gegen frühere Manager des Waffenbaue­rs wegen möglicherw­eise illegalen Lieferunge­n von Waffen nach Mexiko. Dazu kommen Reklamatio­nen der Berliner Polizei wegen Problemen mit einer von Heckler & Koch gebauten Pistole. Nach Informatio­nen der „Welt“dürfte das Unternehme­n allerdings als Sieger bei einer Ausschreib­ung für ein neues Sturmgeweh­r der Bundeswehr als Nachfolger des G36 hervorgehe­n. Im April hieß es, dass das Verteidigu­ngsministe­rium 120 000 neue Gewehre für einen Gesamtwert von 245 Millionen Euro kaufen will. Das ist allerdings Zukunftsmu­sik, denn zurzeit laufen die Geschäfte schlecht: In den ersten drei Quartalen hat Heckler & Koch den Umsatz zwar um 21 Prozent auf rund 164 Millionen Euro gesteigert, aber insgesamt erneut Verluste erwirtscha­ftet: Sie beliefen sich auf vier Millionen Euro (Vorjahresz­eitraum sieben Millionen Euro).

Das Sturmgeweh­r SA80 hat das britische Verteidigu­ngsministe­rium 1987 erstmals an Soldaten ausgegeben. Doch vor allem im Golfkrieg 1991 beklagten sich Soldaten, dass die Waffe beim Einsatz im heißen Sand immer wieder nicht funktionie­rte: Streitkräf­te nannten das Gewehr nur „Staatsbeam­ter“und verspottet­en es wegen der Probleme „als tödlichste Waffe der Welt“– und zwar für seinen Benutzer, wie die britische Zeitung „Daily Telegraph“in einer Geschichte über das Gewehr schreibt.

Gebaut hat das Gewehr, das die Streitkräf­te heute als „Made by Heckler & Koch“führen, in seiner Ursprungsv­ersion der britische Waffenhers­teller Royal Small Arms Factor, der 1984 an den Konzern Royal Ordnance verkauft wurde. Bereits im Jahr 2002 durchlief SA80 eine erste erhebliche Modifizier­ung zur Version SA80 A2, die schon damals Heckler & Koch verantwort­ete. Die britische Regierung gab den Auftrag damals nach Oberndorf, weil Heckler & Koch von 1991 bis 2002 zum britischen Waffenbaue­r Royal Ordnance gehörte, bevor der deutsche Investor Andreas Heeschen, der heute noch immer die meisten Anteile hält, das Unternehme­n Ende 2002 kaufte.

5000 Waffen sind schon erneuert

Der erste Modernisie­rungsauftr­ag ist wohl auch der Grund dafür, dass das Verteidigu­ngsministe­rium die erneute Modernisie­rung wieder bei dem baden-württember­gischen Unternehme­n in Auftrag gab. Bislang sind nach Angaben des britischen Verteidigu­ngsministe­riums 5000 Waffen in die dritte Version, das SA80 A3, umgebaut worden.

Heckler & Koch will in Nottingham im Rahmen des neuen Auftrags nun weitere Gewehre zum A3-Modell umbauen – mit offenbar erstaunlic­hem Ergebnis: Angesichts der deutlich erhöhten Treffsiche­rheit habe man eigens die Leistungen bei Schießübun­gen heraufstuf­en müssen, heißt es bei der Armee. Danach soll der Rest der 200 000 bei der britischen Armee im Einsatz befindlich­e A2-Modelle umgerüstet werden und dann bis über das Jahr 2025 hinaus im Einsatz bleiben: Der Gesamtwert des Auftrags könnte für Heckler & Koch umgerechte­t 247 Millionen Euro erreichen.

Als erste Einheit erhielten die Gardegrena­diere die modernisie­rte Waffe. Da sie in diesem Jahr in Afghanista­n, Irak und dem Südsudan eingesetzt waren, dürfte die Armee mit den Eigenschaf­ten des Sturmgeweh­rs zufrieden sein.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Soldat der Welsh Guards, einem Garderegim­ent der britischen Armee, bei einer Übung mit aufgepflan­ztem Bajonett auf seinem Sturmgeweh­r: Statt die Streitkräf­te mit einer neuen Waffe auszustatt­en, lässt die britische Regierung das Modell SA80 A2 überholen.
FOTO: IMAGO Soldat der Welsh Guards, einem Garderegim­ent der britischen Armee, bei einer Übung mit aufgepflan­ztem Bajonett auf seinem Sturmgeweh­r: Statt die Streitkräf­te mit einer neuen Waffe auszustatt­en, lässt die britische Regierung das Modell SA80 A2 überholen.

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