Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Reparieren statt kaufen
Die britische Armee lässt bei Heckler & Koch Tausende Sturmgewehre modernisieren
RAVENSBURG/LONDON - Sparsame Engländer: Das Verteidigungsministerium von Großbritannien schafft für die britischen Soldaten keine neuen Sturmgewehre an, sondern will die alten Waffen überholen, modernisieren und mit neuer Farbe versehen lassen. Eine Entscheidung, die ein baden-württembergisches Unternehmen sehr freuen dürfte: Denn die Verantwortlichen in London haben den Auftrag an den baden-württembergsichen Waffenbauer Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar vergeben.
Für umgerechnet rund 85 Millionen Euro will die britische Regierung 44 000 Gewehre des Modells SA80 A2 von Heckler & Koch modernisieren lassen, berichtet die Tageszeitung „Welt“und beruft sich auf Details aus dem Auftrag. Der Waffenbauer wollte sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht zu Einzelheiten äußern, weil zurzeit die Abstimmung mit dem Kunden laufe. Heckler & Koch hat in Nottingham ein großes Lager und eine kleine Manufaktur mit 20 Mitarbeitern, die Modernisierung der Waffen wird also auf der Insel selbst erfolgen.
Für Heckler & Koch wäre das Geschäft ein wichtiger Auftrag, da das Unternehmen seit geraumer Zeit in Schwierigkeiten steckt. Seit Sommer läuft vor dem Landgericht Stuttgart ein Prozess gegen frühere Manager des Waffenbauers wegen möglicherweise illegalen Lieferungen von Waffen nach Mexiko. Dazu kommen Reklamationen der Berliner Polizei wegen Problemen mit einer von Heckler & Koch gebauten Pistole. Nach Informationen der „Welt“dürfte das Unternehmen allerdings als Sieger bei einer Ausschreibung für ein neues Sturmgewehr der Bundeswehr als Nachfolger des G36 hervorgehen. Im April hieß es, dass das Verteidigungsministerium 120 000 neue Gewehre für einen Gesamtwert von 245 Millionen Euro kaufen will. Das ist allerdings Zukunftsmusik, denn zurzeit laufen die Geschäfte schlecht: In den ersten drei Quartalen hat Heckler & Koch den Umsatz zwar um 21 Prozent auf rund 164 Millionen Euro gesteigert, aber insgesamt erneut Verluste erwirtschaftet: Sie beliefen sich auf vier Millionen Euro (Vorjahreszeitraum sieben Millionen Euro).
Das Sturmgewehr SA80 hat das britische Verteidigungsministerium 1987 erstmals an Soldaten ausgegeben. Doch vor allem im Golfkrieg 1991 beklagten sich Soldaten, dass die Waffe beim Einsatz im heißen Sand immer wieder nicht funktionierte: Streitkräfte nannten das Gewehr nur „Staatsbeamter“und verspotteten es wegen der Probleme „als tödlichste Waffe der Welt“– und zwar für seinen Benutzer, wie die britische Zeitung „Daily Telegraph“in einer Geschichte über das Gewehr schreibt.
Gebaut hat das Gewehr, das die Streitkräfte heute als „Made by Heckler & Koch“führen, in seiner Ursprungsversion der britische Waffenhersteller Royal Small Arms Factor, der 1984 an den Konzern Royal Ordnance verkauft wurde. Bereits im Jahr 2002 durchlief SA80 eine erste erhebliche Modifizierung zur Version SA80 A2, die schon damals Heckler & Koch verantwortete. Die britische Regierung gab den Auftrag damals nach Oberndorf, weil Heckler & Koch von 1991 bis 2002 zum britischen Waffenbauer Royal Ordnance gehörte, bevor der deutsche Investor Andreas Heeschen, der heute noch immer die meisten Anteile hält, das Unternehmen Ende 2002 kaufte.
5000 Waffen sind schon erneuert
Der erste Modernisierungsauftrag ist wohl auch der Grund dafür, dass das Verteidigungsministerium die erneute Modernisierung wieder bei dem baden-württembergischen Unternehmen in Auftrag gab. Bislang sind nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums 5000 Waffen in die dritte Version, das SA80 A3, umgebaut worden.
Heckler & Koch will in Nottingham im Rahmen des neuen Auftrags nun weitere Gewehre zum A3-Modell umbauen – mit offenbar erstaunlichem Ergebnis: Angesichts der deutlich erhöhten Treffsicherheit habe man eigens die Leistungen bei Schießübungen heraufstufen müssen, heißt es bei der Armee. Danach soll der Rest der 200 000 bei der britischen Armee im Einsatz befindliche A2-Modelle umgerüstet werden und dann bis über das Jahr 2025 hinaus im Einsatz bleiben: Der Gesamtwert des Auftrags könnte für Heckler & Koch umgerechtet 247 Millionen Euro erreichen.
Als erste Einheit erhielten die Gardegrenadiere die modernisierte Waffe. Da sie in diesem Jahr in Afghanistan, Irak und dem Südsudan eingesetzt waren, dürfte die Armee mit den Eigenschaften des Sturmgewehrs zufrieden sein.