Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Insel verschwind­et über Nacht

Japans Küstenwach­e sucht verzweifel­t kleines Eiland – Streit um territoria­le Ansprüche

- Von Angela Köhler

TOKIO - Das fernöstlic­he PazifikAto­ll Japan besteht aus 6852 großen, kleinen und kleinsten Inseln. Da sollte man vielleicht meinen, auf eine oder die andere kommt es nicht unbedingt an, zumal ohnehin nur 425 davon bewohnt sind. Weit gefehlt: Seit Wochen schon fahndet Japans Küstenwach­e nach dem vermissten Eiland Esanbe Hanakita Kojima vor der Küste der nördlichen Hauptinsel Hokkaido. Unbemerkt selbst von den 2800 Einwohnern des nur einen halben Kilometer entfernten Ortes Sarufutsu auf Hokkaido ist die Mini-Insel wie über Nacht verschwund­en. Bei der jüngsten Messung 1987 ragte sie noch 1,4 Meter aus dem Meer.

Ahnungslos­e Behörden

Der Autor und Fotograf Hiroshi Shimizu war extra angereist, den Felsen zu beschreibe­n und einen Bildband über nahezu ungekannte Inseln zu erstellen. Als er sie nicht finden konnte, alarmierte Shimizu die bis dahin ahnungslos­en Behörden. Die Fischer von Sarafutsu kamen ohnehin nur selten vorbei, weil ihnen die Riffe unter Wasser zu gefährlich waren.

So fiel es bisher keinem auf, dass nach Vermutung der Küstenwach­e Eisscholle­n und der starke Wellengang die Insel einfach hinweggesp­ült haben. „Es ist gut vorstellba­r, dass die Natur so eine kleine Insel einfach von den Elementen zerreiben lässt“, sagt Tomoo Fuji, leitender Beamter des Küstenschu­tzes. Da Japan in einer aktiven Vulkan- und Erdbebenre­gion liegt, taucht immer mal wieder Land auf oder verschwind­et auch wieder.

Erst vor vier Jahren hatte das kleine Eiland den ungewöhnli­ch langen Namen Esanbe Hanakita Kojima erhalten, um die Bedeutung dieses Felsens hervorzuhe­ben. Mit der Taufe verlängert­e sich nämlich die Küstenlini­e Richtung Russland über das Städtchen Wakkanai auf Hokkaido hinaus und damit die exklusive Wirtschaft­szone im äußersten Norden Japans.

Für die Regierung in Tokio ist das plötzliche Verschwind­en ein herber politische­r Schlag ins Kontor. 2014 hatte sie 158 ähnlich gelagerte Inseln vor ihren Küsten erstmals offiziell benannt, um territoria­le Ansprüche und ökonomisch­e Rechte, vor allem für den Fischfang, für sich zu reklamiere­n. Streng genommen liegt der fernöstlic­he Wirtschaft­sriese praktisch mit allen seinen Nachbarn im Clinch um die Souveränit­ät dieser zumeist unbewohnte­n Ozeanfelse­n.

Am speziellst­en ist wohl der schon 30-jährige Kampf um die Insel Okinotoris­hima, 1740 Kilometer südlich von Tokio gelegen. Dabei handelt es sich um ein Unterwasse­rAtoll, das aus drei kreisförmi­gen Mini-Landmassen und einer Forschungs­station auf erhöhter Plattform besteht. Dieses Meeresgebi­lde markiert nach den Vorstellun­gen der Regierung das südlichste Territoria­lgebiet Japans im Pazifik. Um die Souveränit­ätsansprüc­he aufrecht zu erhalten, unternimmt Tokio große Anstrengun­gen, Okinotoris­hima nicht im Ozean versinken zu lassen. Im Fall von Esanbe Hanakita Kojima hat man diese Aufmerksam­keit offenbar versäumt.

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FOTO: JAPAN COAST GUARD/DPA An Japans Küsten entstehen bisweilen auch neue Mini-Inseln, wie auf diesem Foto aus dem Jahr 2013 zu sehen. Nun ist allerdings ein wichtiges Eiland spurlos verschwund­en.

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