Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Optik und Wirschaftlichkeit
Stadtbauamt nimmt zu Kritik am Neubau an der Donau Stellung.
RIEDLINGEN - Es ist ein Aufregerthema und Gesprächsstoff in der Stadt: Der Neubau des Wohn- und Geschäftshauses an der Donau. In Leserbriefen wird der moderne, quadratische Wohnblock, der den Blick auf die Altstadt einschränkt, heftig kritisiert. Und der Stadt wird vorgeworfen, dass dieser große Bau genehmigt wurde. Doch Stadtbaumeister Johann Suck weist dies zurück: Der Neubau sei nur unwesentlich höher als das ehemalige Hotel Brücke. Nur durch die über einjährige Interimszeit nach dem Abbruch des Hotels konnte der Blick frei über die Altstadt schweifen. Und Suck verweist auf das Spannungsfeld, dass auch Bauten in Riedlingen sich wirtschaftlich rechnen müssen.
„Monsterblock“, „Quadratisch, praktisch, profitabel“, „Dilettantismus“... – in den Leserbriefen wird mit Vorwürfen und Kritik nicht gegeizt. Eine Schreiberin fordert sogar den Abriss. Dass die Menschen in Riedlingen über dieses Thema diskutieren, können Suck und sein gewählter Nachfolger Wolfgang Weiß gut nachvollziehen: „Es ist gut, dass die Leute so etwas umtreibt. Aber es sollte konstruktiv bleiben“, sagt Weiß. Mit dieser Form der Kritik können Suck und Weiß nicht viel anfangen. „Warum kamen die Kritiker nicht vorher?“, fragt Weiß. Und sie weisen Unterstellungen zurück, dass „irreführend oder manipulativ“gearbeitet worden sei.
Sie verweisen auf die Vorgeschichte des Baus. Im Riedlinger Gemeinderat wurden die Pläne im September 2016 zunächst nicht-öffentlich vorberaten, im November 2016 wurden sie öffentlich im Gemeinderat vorgestellt. Ohne Gegenstimme wurde der Bau, so wie er nun umgesetzt wird, im Gemeinderat gut geheißen. In der SZ wurden die Pläne und die Entwürfe ebenfalls öffentlich vorgestellt. Auch die positiven Aspekte für das Umfeld wurden öffentlich gewürdigt: In den 26 Wohnungen werden 50 oder 60 Menschen in Altstadtnähe ziehen, die dort leben und einkaufen.
Kritik entzündet sich an der Höhe des Bauwerks, das diesen Platz vor der Altstadt dominiert und den Blick auf die Silhouette der historischen Häuser zum Teil verdeckt. Aber das sei auch vorher nicht anders gewesen. „Was haben wir der Altstadt weggenommen?“, fragt Suck. Denn das Hotel Brücke war nur rund 60 Zentimeter niedriger als der jetzige Neubau. Er hat sich damit an den bisherigen Höhenlinien des Hotels orientiert, wie von der Stadt verlangt. Auch damals war der – aus Sicht der Hindenburgstraße – linke Teil der Altstadt durch das Hotel verdeckt.
Kritiker werfen der Stadt vor, dass die Pläne überhaupt genehmigt wurden. „Wo sind die Verantwortlichen – Stadtbauamt, Denkmalamt?“, hieß es im jüngsten Leserbrief. Das Landesdenkmalamt sei einbezogen gewesen und habe keine Bedenken gehabt, so Suck. Denn der Standort des neuen Johann Suck
Hauses ist eben nicht im Bereich der Altstadt, sondern außerhalb. Hier gibt es keinen Bebauungsplan, hier greift Paragraf 34 Baugesetzbuch, dass sich das Gebäude in die Umgebung einfügen müsse. Umgebung heißt hier: Volksbank oder Hochhaus. Es sei ein moderner Wohnblock entstanden, wie er auch in anderen Städten gebaut wird, „die sind alle sehr ähnlich“, so Suck. Aus seiner Sicht muss man heute nicht mehr so bauen wie vor 100 Jahren. Architekturstile ändern sich.
Man hätte natürlich mit Auflagen versuchen können, dass das Haus statt vier Vollgeschossen eines weniger hat und damit niedriger wäre. Aber ob der Investor dann noch gebaut hätte? Denn auch in Riedlingen muss sich ein Bau für den Investor rechnen. „Wenn wir eine boomende Staat wären wie Tübingen, Ulm oder Biberach, dann könnten wir knallharte Auflagen machen“, sagt Suck. Denn in diesen Städten wäre ein Bau bei den hohen Miet- oder Verkaufspreisen dennoch refinanzierbar. Aber in Riedlingen? Hier wäre doch sofort der Vorwurf im Raum, dass man alle Investoren abschrecke.
Das Spannungsfeld aus Optik und Wirtschatlichkeit zieht sich durch weitere Neubauten, an denen sich im Laufe der vergangenen zwei, drei Jahre Kritik entzündete: am Neubau in der Haldenstraße, am Mohren, an der SRH Fernhochschule. Natürlich könnte man den Investoren immer mehr Knüppel zwischen die Beine werfen. Natürlich könnte man einen Fassadenwettbewerb vorschreiben, der 100 000 Euro kostet. Aber ob die sich dann noch finanziell engagieren? „Was ist denn die Alternative?“, fragt der Stadtbaumeister. Dass nichts passiert? „Das Hotel Brücke war nicht sanierbar“, sagt er. Dann wäre dort auf Jahre nichts geschehen und der Bau irgendwann leerstehend verfallen.
„Was haben wir der Altstadt weggenommen?“
Zukunft der Altstadt?
Darin sieht Suck ein grundsätzliches Thema, das ihn umtreibt – wie es in der Stadt, zumal in der Altstadt weitergeht. Denn aus seiner Sicht gibt es bereits Negativbeispiele – sogenannte „Zahnlücken“im Ensemble: Die Freifläche, auf der ehemals das Hutgeschäft Braun stand oder die Lücke neben dem Museum „Schöne Stiege“. Er wehrt sich dagegen, dass dies Schule macht – zumal an so prominenten Stellen, wie etwa beim Mohren. Auch dieses Gebäude konnte erst nach mehreren Versteigerungsterminen an den Mann gebracht werden.
Mit Sorge sieht der scheidende Stadtbaumeister die Situation der Gebäude in der Altstadt, die häufig Sanierungsstau haben. Mit Sorge sieht er die Entwicklung am Weibermarkt, wenn die SRH Fernhochschule aus den Gebäuden in ihr neues Domizil zieht. Die Stadt könne ja nicht alles aufkaufen und sanieren. Dazu fehlt es an Mitteln in der Stadtkasse. Es braucht Investoren von außen. „Wir brauchen Ideen und Geld“, sagt Suck.