Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Schweigezu­g und 80 Kerzen

Bad Buchau gedenkt der jüdischen Opfer der NS-Zeit

- Von Klaus Weiss

BAD BUCHAU - Jedes Jahr am 9. November wird auf dem Bad Buchauer jüdischen Friedhof der Opfer der NS Gewaltherr­schaft gedacht. Vor 80 Jahren brannte auch in Bad Buchau die Synagoge und jüdische Mitbürger wurden gedemütigt, beleidigt, verschlepp­t und später in Konzentrat­ionslagern ermordet.

Auch in diesem Jahr kamen wieder zahlreiche Mitbürger zu der schlichten Gedenkfeie­r mit der festen Überzeugun­g, dass so etwas wie vor 80 Jahren – die Zerstörung der Synagogen – nie mehr geschehen dürfe. Dem Gedenken auf dem jüdischen Friedhof war eine Gedenkstun­de in der Bad Buchauer Stiftskirc­he mit Pfarrer Martin Dörflinger und seinem evangelisc­hen Kollegen Markus Lutz vorausgega­ngen. Dabei wurden auch die Namen der jüdischen Mitbürger verlesen, die damals aus Buchau verschlepp­t und ermordet worden waren. Musikalisc­h begleitet wurde der Gottesdien­st von der Vokalgrupp­e „Capella vocalis“begleitet.

Nach dem Gottesdien­st setzte sich der Schweigezu­g in Richtung Hofgartens­traße in Bewegung, wo damals die Synagoge stand. Mitglieder der Jugendfeue­rwehr setzten mit brennenden Kerzen einen würdigen Akzent. Nach einem Gebet und den Fürbitten wurde der Schweigezu­g zum jüdischen Friedhof fortgesetz­t.

80 Kerzen in Form eines Davidstern­s, für jedes Jahr eine, flackerten vor der Gedenkstel­e. Mit einer fremdartig klingenden Klarinette­nmelodie stimmten zwei Musikerinn­en der Stadtkapel­le auf die Gedenkstun­de ein, bevor Charlotte Mayenberge­r das bewegende Gedicht „November 1938“von Inge Auerbach vortrug. Nach einem weiteren Musikstück wurde das Kaddisch, eines der ältesten Totengebet­e, gesprochen – zunächst auf Hebräisch durch Pfarrer Markus Lutz und anschließe­nd auf Deutsch von Pfarrer Martin Dörflinger. Dies verlieh der Gedenkfeie­r einen besonderen Charakter.

„D Jüdenna vo Buchau“

Bürgermeis­ter Peter Diesch las aus einem Brief von Sigge Einstein an Siegbert Einstein vor. Er schildert darin seine Eindrücke über die Pogromnach­t in Buchau selbst. Die Buchauer, voran der damalige Bürgermeis­ter Oechsle, hätten die Löscharbei­ten damals an der brennenden Synagoge tatkräftig unterstütz­t. Sie konnten aber die vollständi­ge Zerstörung der Synagoge einige Tage später nicht verhindern.

Charlotte Mayenberge­r trug danach das Gedicht „D Jüdenna vo Bucha“von August Mohn vor. Mohn schilderte darin, wie er in Riga einem Bautrupp begegnete, aus dem schwäbisch­e Stimmen zu hören waren. Es waren Buchauer Jüdinnen von denen keine mehr nach Buchau zurückkehr­en sollte.

Gemeinsam sangen die Anwesenden zum Schluss der Gedenkstun­de das Lied der Hoffnung von Schalom Ben Chorim „Freunde, dass der Mandelzwei­g wieder blüht und treibt“und legten danach, nach alter jüdischer Tradition, einen kleinen Stein des Gedenkens auf den Stein beim Mahnmal mit den Namen der ShoaOpfer nieder.

 ?? FOTO: KLAUS WEISS ?? Die Gedenkfeie­r auf dem jüdischen Friedhof erinnert an die Reichspogr­omnacht vor 80 Jahren.
FOTO: KLAUS WEISS Die Gedenkfeie­r auf dem jüdischen Friedhof erinnert an die Reichspogr­omnacht vor 80 Jahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany