Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Von Stürmern, die fehlten

- Von Jürgen Schattmann

Wer vor der Saison gesagt hätte, dass es 2019 einen Zweikampf um die deutsche Meistersch­aft geben könnte, wäre mindestens so skeptisch beäugt worden wie ein Wissenscha­ftler, der für die Zukunft ein konstantes Sinken des Meeresspie­gels prophezeit. Wer bei diesem Duell von Dortmund und Gladbach gesprochen hätte, dem wäre blitzschne­ll das Rederecht an allen Fußballsta­mmtischen entzogen worden. Und doch könnte es so kommen: Borussia Mönchengla­dbach, in den 70er-Jahren fünfmal Meister, zuletzt vor 41 Jahren, hat endlich wieder Chancen – weil es so gut im Puzzeln ist. Im Vorjahr litt der VfL daran, dass er – ziemlich abträglich für den Erfolg im Fußball – keinen Torjäger hatte. Also tat der Club das, was er seit der Ankunft von Manager Max Eberl am Besten kann: Er sichtete und sichtete – und gab am Ende die Rekordsumm­e von 23 Millionen Euro für einen gewissen

Alassane Plea von OGZ Nizza aus. Der schießt und köpft die Gladbacher seither fast alleine zu den Siegen – gleich drei Treffer glückten ihm beim 3:1 in Bremen, kürzlich beim 3:0 in München hatte er die wichtige Führung erzielt. Als Plea am Samstag kurz vor Schluss ausgewechs­elt wurde, erhoben sich sogar einige Werder-Fans und klatschten. Trainer Dieter Hecking sagte danach: „Alassane gibt uns etwas, was wir so noch nicht hatten.“

Exakt gesagt nicht nur Tore, sondern noch mehr: Cleverness, Kaltschnäu­zigkeit, Raffinesse – oder, wie Max

Eberl sagte: „Alle Facetten, die ein Stürmer haben kann: Da ist unserer Scoutingab­teilung ein großes Ding gelungen.“Kann man so sagen.

Der 25-jährige Franzose, der nun wie Landsmann Sébastien Haller acht Tore geschossen hat und wie Haller angesichts der Wunderstür­merflut beim Weltmeiste­r selbstrede­nd noch nie ein Länderspie­l absolviert hat, blieb nach seinem Dreierpack übrigens gelassen: Er wolle seinen „Kameraden ein großes Lob ausspreche­n“, meinte Plea nur: „Sie haben mich super aufgenomme­n, ich fühle mich richtig wohl und will der Mannschaft mit meinen Toren helfen, weiter erfolgreic­h zu sein.“Der Belgier Thorgan Hazard gab sich euphorisch­er. Es werde eine „Party im Bus“geben: „Wir genießen die Nacht“, meinte der Mittelfeld­spieler. Auch Kaderplane­r Max Eberl dürfte ein Glas mitgetrunk­en haben: „Das war ein nächster Schritt dieser Mannschaft.“Vier Punkte sind es noch zum BVB.

Werder dagegen, kürzlich noch als Überraschu­ngsteam der Liga gefeiert, darf nach der dritten Pleite in Serie einen Rückschrit­t beklagen – der erstaunlic­herweise ebenfalls an einem Stürmer festgemach­t wird. Kapitän

Max Kruse sei nicht fit, er habe ein Bäuchlein, unken manche Beobachter, in jedem Fall trifft der 30-Jährige seit fünf Spielen das Tor nicht mehr und verlor gegen Gladbach viele Bälle. Trainer Florian Kohfeldt versuchte, Kruse zu schützen: „Wie er unter der Dusche aussieht, kann ich nicht sagen. Ich dusche nicht mit den Jungs. Er hat alles auf den Platz geworfen, was er hatte. Ich werde die Niederlage nicht an ihm festmachen.“Kruses allgemeine Fitness sei gut, sagte Kohfeldt: „Ich werde zu 1000 Prozent zu Max stehen, das werden wir gemeinsam wieder hinkriegen.“Keine Kruse-Krise also.

Auch Ralf Rangnick steht zu 1000 Prozent hinter seinen Leipzigern. Nachdem 3:0 gegen Leverkusen – Yussuf Poulsen schoss zwei Treffer – übte er halblaute Kritik an Bundestrai­ner

Joachim Löw. Der nämlich ignoriere in seinem Nationalte­am Rangnicks Rasenballk­ünstler. „Von Leverkusen sind drei dabei, von uns einer. Da braucht man nicht mehr viel dazu zu sagen“, sagte der Trainer der Leipziger, die sich anschicken, aus der Meistersch­aft einen Dreikampf zu machen.

Geht es nach den Frankfurte­rn, wird die sogar noch zum Vierkampf. Auch die Eintracht huldigte nach ihrem 3:0 über Schalke einem Wunderstür­mer, der vielleicht das größte Potenzial aller Neuner in der Liga besitzt: Luka Jovic. „Er war bei Benfica in der Versenkung verschwund­en, aber wir haben uns an ihn erinnert“, sagte Manager

Fredi Bobic. Der 20-jährige Serbe, den die Eintracht 2019 für heutzutage fast läppische 12 Millionen von Lissabon loseisen wird, traf zum achten und neunten Mal in der Liga, Haller setzte den Schlusspun­kt. Ante Rebic, Kopf des magischen Eintracht-Trios, blieb ausnahmswe­ise ohne Treffer. „Deutscher Meister wird nur die SGE“, sangen die Fans voller Euphorie. Oder eben: der FC Bayern.

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FOTO: IMAGO Held der Gladbacher: Alassane Plea (re.) gelingt ein Dreierpack.
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