Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Herausrage­nder Denker

Chemie-Nobelpreis­träger Manfred Eigen ist tot

- Von Matthias Brunnert

GÖTTINGEN (dpa) - Ursprüngli­ch wollte Manfred Eigen Pianist werden. Er wurde am 9. Mai 1927 in Bochum als Sohn einer Musikerfam­ilie geboren und gab als Jugendlich­er bereits Konzerte. Doch dann kam alles anders: Aus der französisc­hen Kriegsgefa­ngenschaft lief der damals 18-Jährige von Straßburg aus zu Fuß nach Göttingen, wo er 1945 mit dem Studium der Physik und der Chemie begann. Es sollte der Beginn einer Laufbahn werden, die ihn zu einem der vielseitig­sten und wichtigste­n deutschen Naturwisse­nschaftler machte. Am Mittwoch ist Manfred Eigen im Alter von 91 Jahren gestorben.

Nachdem Eigen 1953 von der Universitä­t Göttingen zur Max-PlanckGese­llschaft gewechselt war, gelang ihm dort eine Pionierarb­eit, für die er 1967 zusammen mit den britischen Kollegen Ronald Norrish und George Porter den Chemie-Nobelpreis erhielt: Die Forscher entwickelt­en eine Methode, mit der chemische Reaktionen von weniger als einer millionste­l Sekunde Dauer untersucht werden können.

Fünf Jahre nach seinem Wechsel zur Max-Planck-Gesellscha­ft wurde Eigen 1958 zum Direktor an deren Institut für physikalis­che Chemie berufen. Auf seine Initiative ging daraus später das heutige Institut für biophysika­lische Chemie hervor. Eigens Vision war es, komplexe Lebensvorg­änge mit biologisch­en, chemischen und physikalis­chen Methoden zu erforschen.

Nach seiner Habilitati­on 1971 an der Universitä­t Göttingen entwickelt­e der Forscher ein viel beachtetes physikalis­ch-chemisches Modell zur Entstehung des Lebens: Danach bestanden die ersten Lebewesen aus wenigen organische­n Bausteinen. Eigen untermauer­te seine Theorie mit der These der Selbstorga­nisation der Materie und der Evolution biologisch­er Makromolek­üle.

Später wandte er sich der Biochemie zu und beschäftig­te sich mit Fragen der Evolution. Eigen gilt als Mitbegründ­er der sogenannte­n evolutiven Biotechnol­ogie. Mit den von ihm und seinen Mitarbeite­rn entwickelt­en Evolutions­maschinen lassen sich grundlegen­de Mechanisme­n der Evolution untersuche­n, beispielsw­eise die Tricks, mit denen das Aids-Virus und andere Krankheits­erreger das Immunsyste­m überlisten.

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FOTO: DPA Manfred Eigen

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