Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Knatsch ums Flaschenpf­and

Dürfen Supermärkt­e den Pfandbetra­g begrenzen? So sehen Rechtslage und Praxis aus

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Kann ein Supermarkt eine Grenze festlegen, wie viele Pfandflasc­hen ein Kunde maximal auf einmal abgeben darf? Ein Fall aus Memmingen, bei dem der Leiter eines Rewe-Supermarkt­s sich zunächst geweigert hatte, einem Kunden mehr als zehn Euro Pfand auszuzahle­n und ihm nach einem Streit Hausverbot erteilte, hat im Internet eine rege Debatte ausgelöst. Die Redaktion hat sich bei verschiede­nen Supermarkt- und Discounter-Betreibern erkundigt, wie sie beim Thema Flaschenpf­and verfahren.

Nach dem Bericht über den Memminger Fall kam es auf der Internetse­ite schwäbisch­e.de zu einer Debatte. „Es sollte jedem freigestel­lt sein, wann er wie viele Pfandflasc­hen abgibt. Schließlic­h hat der Kunde das Flaschenpf­and nicht erfunden“, meint eine Leserin. Andere meinen, der Marktleite­r hätte sich diplomatis­cher verhalten sollen. Ein weiterer Leser äußert ein gewisses Verständni­s, weil auch er sich darüber ärgere, wenn vor ihm andere Kunden säckeweise Pfandflasc­hen abgeben und damit für lange Wartezeite­n vor den Pfandautom­aten sorgten.

Die Rechtslage für den Kunden:

Grundsätzl­ich muss man zwischen Pfand für Einweg- und Mehrwegget­ränkeverpa­ckungen unterschei­den. „Bei Mehrwegfla­schen gibt es keine gesetzlich­e Regelung“, sagt Christiane Manthey, Abteilungs­leiterin Lebensmitt­el und Ernährung bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Hier habe der jeweilige Händler einen größeren Entscheidu­ngsspielra­um, welche Pfandflasc­hen oder -kästen er zurücknimm­t. „Grundsätzl­ich muss er bei Mehrwegfla­schen nur die zurücknehm­en, die er selbst verkauft hat“, sagt Panthey und rät Kunden, im Zweifel den Kassenbon aufzubewah­ren.

Eine klare gesetzlich­e Regelung gibt es hingegen bei den Einwegflas­chen und -dosen. Christiane Manthey verweist auf Paragraf 31 des Verpackung­sgesetzes. Dort steht, dass der Vertreiber verpflicht­et ist, Flaschen oder Dosen unentgeltl­ich zurückzune­hmen und das Pfand zu erstatten. „Dort steht nichts über eine begrenzte Menge oder über einen Höchstbetr­ag an Pfand“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n. Das Verhalten des Supermarkt­leiters in Memmingen sei deshalb klar gesetzeswi­drig gewesen. „Einen solchen Fall sollte man der zuständige­n Ordnungsbe­hörde oder aber an die Verbrauche­rzentrale melden“, rät sie. „Wir haben unter Umständen die Möglichkei­t, den Supermarkt abzumahnen“, so Manthey.

Eine Einschränk­ung gibt es allerdings: Der Händler ist nur zur Rücknahme von pfandpflic­htigen Einweggetr­änkeverpac­kungen der Materialar­t verpflicht­et, die er vertreibt. Heißt übersetzt: Ein Händler, der nur PET-Einwegflas­chen anbietet, muss keine Dosen oder Glasflasch­en zurücknehm­en, wohl aber alle PET-Flaschen, unabhängig von ihrer Größe, Form oder Marke. Hat er auch Alu-Getränkedo­sen und Einweg-Glasflasch­en im Angebot, muss er logischerw­eise auch alle Pfandverpa­ckungen zurücknehm­en, die aus diesen Materialie­n bestehen. Und noch eine Ausnahme: Ist die Ladenfläch­e kleiner als 200 Quadratmet­er, muss der Verkäufer nur Verpackung­en der Marken zurücknehm­en, die er auch verkauft.

Vorgehen der Supermärkt­e:

Die SZ-Redaktion hat mehrere große Supermarkt­ketten, die in der Region Biberach Filialen betreiben, danach befragt, was bei ihnen gängige Praxis ist. Das Ergebnis: Kaufland, Rewe, Penny, Aldi Süd, Lidl und EdekaWalke zahlen nach eigenen Angaben in ihren Filialen das Pfand für Einweg-Getränkeve­rpackungen ohne Mengenbegr­enzung aus. Rewe verweist darauf, dass „die vorübergeh­ende Regelung des Marktveran­twortliche­n in Memmingen ein Einzelfall war, der nach Bekanntwer­den unserersei­ts sofort aufgehoben wurde“. Aldi Süd weist darauf hin, dass die maximale Summe eines einzelnen Pfandbons bei 25 Euro liegt. „Nach 100 angenommen­en Flaschen bzw. Dosen erstellt der Automat aus Sicherheit­sgründen einen ,Zwangsbon’“, teilt eine Aldi-Pressespre­cherin mit. „Es können aber mehrere Pfandbons in Höhe des Maximalbet­rags von 25 Euro generiert und eingelöst werden.“

Die Sicht eines Betreibers:

Die in den meisten Märkten zum Einsatz kommenden Leergutaut­omaten bedeuten für einen Supermarkt­betreiber hohe Investitio­nen. „In unserem neuen Edeka-Supermarkt im Talfeld hat allein diese Anlage 300 000 Euro gekostet“, sagt Inhaber Martin Walke. Nachdem er den Einwegflas­chen vor einigen Jahren noch positiv gegenübers­tand, sieht er sie inzwischen kritisch – auch aus ökologisch­en Gründen. „Die Kunden sehen keinen Unterschie­d mehr zwischen Ein- und Mehrweg. Inzwischen hat sich die Einwegflas­che durchgeset­zt, weil sie einfach in der Handhabung ist.“

Das Pfandsyste­m sei inzwischen derart ausdiffere­nziert, dass es für seine Mitarbeite­r einer Wissenscha­ft gleiche, sagt Walke. „Ich brauche zwei bis drei Monate, um jemanden beim Leergut einzulerne­n.“Von den Kunden wünscht sich Walke bei der Abgabe der Pfandflasc­hen mitunter etwas mehr Gelassenhe­it. Manche reagierten schon aggressiv, wenn der Automat eine völlig zerknautsc­hte Plastikfla­sche nicht mehr annehme, weil der aufgedruck­te Code nicht mehr lesbar ist. Um Staus vor den Pfandautom­aten zu vermeiden, habe er Flaschensa­mmler auch schon gebeten, zu anderen Uhrzeiten wiederzuko­mmen, in denen nicht so viel los ist.

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FOTO: NORBERT SCHMIDT/IMAGO Immer wieder kommt es zu Unstimmigk­eiten bei der Abgabe von Leergut.

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